BRAK-Mitteilungen 5/2021
BRAK MIT TEILUNGEN OKTOBER 2021 · AUSGABE 5/2021 52. JAHRGANG AKZENTE IN DEN STARTLÖCHERN Dr. Ulrich Wessels Vor zwei Monaten habe ich an dieser Stelle darüber nachgedacht, wer wohl künftig die Regierung bilden wird. Nun, die Bundestagswahl liegt inzwischen hin- ter uns, doch viel weiter sehen wir aktuell nicht. Noch laufen die Sondie- rungsgespräche für eine mögliche Koali- tion. Hoffen wir, dass die Regierungsbil- dung nicht wieder sieben Monate dau- ert und dass rasch mit der Sacharbeit begonnen werden kann. Denn drängen- de Themen gibt es genug. Der Rechtsstaat ist eines davon. Mit dem Anfang 2019 von Bund und Ländern geschlossenen Pakt für den Rechtsstaat sollte vor allem die Personalausstattung in der Justiz verbessert werden, um den Rechtsstaat zu stärken. Die- ser Pakt läuft Ende 2021 aus, wurde aber bislang nicht vollständig umgesetzt. Vor allem beim nicht-richter- lichen Personal gibt es erhebliche Defizite, und das schwächt die Arbeit der Gerichte. Dass die bisherigen Maßnahmen nicht annähernd weit genug gehen, liegt auf der Hand. Anfang 2022 muss daher ein neuer Pakt für den Rechtsstaat aufgesetzt werden – diesmal von Anfang an mit der Anwaltschaft. Denn wir sind diejenigen, die durch eine unabhängige Vertretung den Zugang der Bürger:innen zum Recht si- chern. Dieser Zugang muss auch in der Fläche möglich bleiben. Ein weiterer Abbau von Gerichten verbietet sich deshalb und in Strukturprozesse muss auch die An- waltschaft einbezogen werden. Ein starker Rechtsstaat erfordert Rahmenbedingungen, die gewährleisten, dass die Anwaltschaft ihrer Aufgabe nachkommen kann. Da- zu gehört vor allem die Wahrung der anwaltlichen Ver- schwiegenheit, die nicht durch immer weitere Aufsichts- befugnisse in den Bereichen Geldwäsche, Steuern und Datenschutz ausgehöhlt werden darf. Und: Auskömm- lichkeit! Die gesetzlichen Gebühren müssen regelmäßig erhöht und nicht – wie bei den letzten RVG-Reformen – nur in großen Abständen und nicht in allen Bereichen zufriedenstellend an die wirtschaftlichen Gegebenhei- ten angepasst werden. Um den Zugang zum Recht für alle gleichermaßen zu si- chern und zu stärken, muss das mit der Digitalisierung verbundene Potenzial genutzt werden. Vorrangig muss dazu die technische Ausstattung in der Justiz verbessert, und sie muss dann auch genutzt werden. Digitale Ange- bote der Justiz für Rechtsuchende müssen sicher und da- tenschutzkonform nutzbar sein. Zwingend ist, dass der elektronische Rechtsverkehr flächendeckend funktioniert, was derzeit noch nicht immer der Fall ist. Apropos elektronischer Rechtsverkehr... Zum 1.1.2022 steht hier ein sehr wichtiger Schritt bevor: Die Nutzung wird für die Anwaltschaft verpflichtend. Schriftsätze können ab dann nur noch wirksam über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) bei Gericht einge- reicht werden. Die ZPO und die übrigen Verfahrensord- nungen haben entsprechende Änderungen erfahren, die ab Jahresbeginn gelten. Die BRAK rüstet das beA- System dafür, das steigende Aufkommen an Nachrich- ten zu bewältigen. Auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten vorbe- reitet sein – wenn Sie das beA nicht schon längst im All- tag nutzen. Um den Übergang zu erleichtern, hat die BRAK für Sie eine ganze Reihe von Informationen zu- sammengestellt, etwa in der Serie „erste Schritte“ im beA-Newsletter; im aktuellen BRAK-Magazin finden Sie eine Checkliste mit den wichtigsten Vorbereitungsschrit- ten. Nutzen Sie die verbleibende Zeit – passen Sie Ihre kanzleiinternen Abläufe an den ERV an und: Üben Sie! In den kommenden Jahren fügt der Gesetzgeber dem ERV-Puzzle weitere Teile hinzu: das – ab dem 1.1.2023 verpflichtend zu nutzende – besondere elektronische Postfach für Steuerberater und das elektronische Bür- ger- und Organisationenpostfach, über das unter ande- rem Sachverständige und Dolmetscher am ERV teilneh- men können. Alle Beteiligten haben noch einiges vor sich, bis der elektronische Rechtsverkehr richtig glatt läuft, denn dazu braucht es vor allem eines: Routine. Als größte Berufsgruppe in der Rechtspflege sind wir Anwältinnen und Anwälte zugleich Vorreiter und Ga- ranten für das Funktionieren einer digitalen Justiz. Las- sen Sie uns beherzt vorangehen! Ihr Dr. Ulrich Wessels AKZENTE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 277
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