BRAK-Mitteilungen 5/2021

zudenken, ob denn die Art der Berechnung überhaupt passend ist. Was wird geregelt? Künftig erlaubt sind bei einem ers- ten Mahnschreiben Gebührensätze von 0,5 statt 1,1. Bei Einziehung einer unbestrittenen Forderung soll im Regelfall der Gebührensatz auf 0,9 beschränkt sein. Aber bei besonders schwierigen und umfangreichen Sachverhalten kann auch wieder ein höherer Gebühren- satz angerechnet werden. Hierzu heißt es in der Geset- zesbegründung nur, „[s]ofern eine Tätigkeit im Einzelfall doch einmal besonders umfangreich oder besonders schwierig sein sollte, soll aber auch eine Überschrei- tung der für die Normalfälle des Inkassos vorgesehenen Schwellengebühr von 1,0 möglich bleiben, allerdings nicht der allgemeinen Schwellengebühr von 1,3“. 6 6 BT-Drs. 19/20348, 23. Hier stellt sich die Frage, ob eine solche Öffnung über- haupt notwendig war. Da Inkassodienstleistungen stets der Durchsetzung unbestrittener Forderungen dienen, ist nicht nachvollziehbar, wann die Inkassodienstleis- tung als „besonders schwierig“ und damit vergütungs- erhöhend anzusehen sein soll. 7 7 Inkassowatch, BAG-SB, Stellungnahme zum Gesetz zur Verbesserung des Verbrau- cherschutzes im Inkassorecht v. 7.7.2020, S. 4. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass die Auslegung der unbestimmten Begriffe viel Verunsicherung hervor- rufen wird, und dass diese Option letztendlich regelmä- ßig genutzt wird und sich dadurch standardisiert. Eine weitere Änderung besteht darin, dass es eine neue Wertstufe (30 Euro) für Forderungen über geringe Be- träge bis 50 Euro geben wird. Schließlich wird die Eini- gungsgebühr auf 0,7 statt bislang 1,5 reduziert. Und – zumindest ist dieser Punkt in seiner Klarheit er- freulich, wenn aber in der Praxis durch die Rechtspre- chung bereits überholt – eine Dopplung der Kosten durch Beauftragung sowohl eines Inkassounterneh- mens als auch eines Rechtsanwalts in der gleichen An- gelegenheit ist demnächst grundsätzlich ausgeschlos- sen. Nicht zu vergessen sind die weitergehenden Infor- mationspflichten seitens der Inkassodienstleister hin- sichtlich des Auftragsgebers, der Kosten und Rechtsfol- gen. Die nunmehr angedachten Regelungen sollen die Kos- ten um etwa 20 % reduzieren. Diese Regelungen sind teilweise zu begrüßen, teilweise lassen sie viel Raum für Interpretation, so dass zu be- fürchten ist, dass weiterhin versucht wird, grundsätzlich das Maximum anzusetzen. Nach 2013 hat diese Vorge- hensweise ja auch einige Jahre funktioniert. Schlussendlich lassen alle Änderungen eine klare Struk- tur missen, im Gegenteil sie vermitteln den Eindruck, dass die Abrechnungsmöglichkeiten immer kleinteiliger werden und unter mehr Bedingungen gestellt werden – und somit für den Schuldner immer weniger nachvoll- ziehbar sind. Die Reform ist daher auch nur als halbher- zig zu beurteilen. Es wird an einer bereits bestehenden fehlerhaften Struktur weiter irgendwie um Kommastel- len gehandelt, anstatt zu überlegen, ob nicht die Syste- matik selbst reformiert gehört. IV. KRITIK Daher stellt sich die Frage, welche Änderungen aus Sicht des Verbraucherschutzes tatsächlich notwendig gewesen wären. In erster Linie stehen die Inkassokosten in der Kritik. Denn sehr unbefriedigend stellt sich noch immer die Si- tuation bei den geltend gemachten Inkassokosten dar, die im Verhältnis zum Aufwand zumeist als deutlich zu hoch anzusehen sind. 8 8 BT-Drs. 19/20348, 1. Hier zeigt sich, dass der Aus- gangspunkt einer Berechnung der Aufwand der Tätig- keit sein soll. An dieser Stelle hätte man sich intensiv damit auseinandersetzen müssen, wie sich der Auf- wand einer Forderungseintreibung genau darstellt. Der Regierungsentwurf lässt nicht erkennen, dass man sich mit dieser Frage in der Tiefe auseinandergesetzt hätte. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass relativ pau- schal davon ausgegangen wird, hier eine anwaltlichem Handeln adäquate Tätigkeit vorzufinden, und dass da- her eine entsprechende Vergütungsregelung angemes- sen sei. Gegebenenfalls notwendige Differenzierungen werden damit abgetan, dass sie schwierig zu entwi- ckeln seien. 9 9 BT-Drs. 19/20348, 24. Jedoch würde sich ein Blick auf den Aufwand der Tätig- keiten durchaus lohnen. Denn daraus lässt sich ablei- ten, welche Art von Geschäftsmodellen vorliegen und ob diese tatsächlich denselben Regeln unterliegen soll- ten. 1. AUSGANGSPUNKT SCHULDNERVERZUG Als wesentlicher Punkt der Problematik mit dem Inkas- sogeschäft ist zunächst der Ursprung der Inkassokos- ten zu betrachten. Die Forderungen der Inkassotreiben- den beruhen klassischerweise auf einem Schadenser- satzanspruch. Es handelt sich um Rechtsverfolgungs- kosten, die der Gläubiger gem. § 288 IV BGB vom Schuldner ersetzt verlangen kann. Zu bedauern ist, dass die ursprünglich geplante Hinweispflicht in § 288 IV BGB-E nicht umgesetzt wurde. Verbrauchern muss deut- lich gemacht werden, dass sie wegen der Verzögerung der Leistung, d.h. dem Schuldnerverzug, zum Ersatz von Inkassokosten verpflichtet sein können. 10 10 BT-Drs. 19/20348, 31. Hierbei sind aber nicht automatisch die mit dem Gläu- biger vereinbarten Kosten zu zahlen, da deren Erstat- tung durch gesetzliche Regelungen zum Schadenser- satz gedeckelt sind. Laut dem Regierungsentwurf sind die Gebührensätze des RVG im Bereich des Inkassos so- BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 AUFSÄTZE 284

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