BRAK-Mitteilungen 5/2021
zugrundeliegenden Hauptforderung um eine bestritte- ne oder unbestrittene Forderung handelt. In Nr. 2300 der Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis) wird folgender Abs. 2 angefügt: „(2) Ist Gegenstand der Tätigkeit eine Inkassodienstleis- tung, die eine unbestrittene Forderung betrifft, kann eine Gebühr von mehr als 0,9 nur gefordert werden, wenn die Inkassodienstleistung besonders umfangreich oder besonders schwierig war. In einfachen Fällen kann nur eine Gebühr von 0,5 gefordert werden; ein einfa- cher Fall liegt in der Regel vor, wenn die Forderung auf die erste Zahlungsaufforderung hin beglichen wird. Der Gebührensatz beträgt höchstens 1,3.“ Ob diese Regelung für den Schuldner tatsächlich nach- vollziehbarer wird, ist anzuzweifeln. Dem Schuldner stellen sich eher unverzüglich etliche Fragen: Wann gilt eine Forderung als bestritten? Wer trägt den Nachweis für das Bestreiten? Was geschieht, wenn nur zum Teil bestritten wird? 26 26 Mayer , ZRP 2020, 9 (10). Was geschieht, wenn erst im Nach- gang bestritten wird? Hier scheint davon ausgegangen zu werden, dass es einen Automatismus bei der Bearbeitung von unbestrit- tenen und bestrittenen Forderungen gäbe. Denn soll dagegen eine vom Schuldner bereits bestrittene Forde- rung geltend gemacht werden, wird häufig eine um- fangreichere Prüfung und Beratung erforderlich sein, weshalb es für diese Fälle ohne Einschränkung bei dem bisherigen Gebührensatzrahmen der Nr. 2300 VV RVG von 0,5 bis 2,5 bleiben soll. 27 27 BT-Drs. 19/20348, 23. Diese Annahme entspricht aber nicht der Realität, zu- mal sie dies selbst nur eingeschränkt annimmt, indem von einer lediglich häufigen Erforderlichkeit ausgegan- gen wird. Aber in der Praxis ist es häufig auch anders. Vielfach stößt man auf frei erfundene Forderungen oder es wird einfach ignoriert, dass ein Widerspruch oder ein Bestreiten eine rechtliche Auseinandersetzung nach sich ziehen sollte. In der Konsequenz könnte es aber da- zu führen, dass eine höhere Gebühr allein aufgrund des Bestreitens verlangt wird, ohne aber auch einen ent- sprechenden Aufwand durch die damit einhergehende Auseinandersetzung mit dem Einzelfall durchzuführen. Das heißt, der Schuldner bestreitet zwar, aber der In- kassotreibende führt eben keine wirklich umfangreiche Prüfung und Beratung durch. Er kann aber dennoch eine höhere Gebühr abrechnen, allein aufgrund der Tat- sache, dass bestritten wurde. Weitere Kritik wird auch darin gesehen, dass auf die- sem Weg die Bearbeitung mit bestrittenen Forderungen dem Aufgabenbereich von Inkassounternehmen zuge- ordnet wird. Bestrittene Forderungen in das Aufgaben- spektrum einzubeziehen, bedeutet eine nicht hinnehm- bare Verkennung des Umstands, dass im Rechtsstaat die Prüfung und Entscheidung über das Bestehen oder Nichtbestehen einer Forderung allein den Rechtspflege- organen anvertraut ist. Dieses Monopol darf nicht da- durch unterlaufen werden, dass privatwirtschaftlichen Unternehmen – ungeachtet bestimmter staatlicher Re- gularien – erlaubt wird, am Markt in Konkurrenz zu den Anwälten zu treten. 28 28 Jäckle, VuR 2019, 443 (444). Somit müsste im Falle des Bestreitens der Inkassofall für eine entsprechende Bearbeitung an einen Rechtsan- walt abgegeben werden. Dieses Vorgehen wird – wie die Darstellung der Beschwerden zeigt – aber in der Praxis nicht immer gelebt. Und für den Fall, dass doch ein weiterer Dienstleister beauftragt wird, dürften dem Schuldner doppelte Kosten berechnet werden. 29 29 Gehrke , Stn. zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Verbraucherschut- zes im Inkassorecht und zur Änderung weiterer Vorschriften, S. 3. Ausgehend von dem Ansatz, dass sich die Vergütung am Aufwand orientiert, ist daher das Bestreiten durch den Schuldner unpassend. Es muss nach dem tatsäch- lichen Aufwand der Inkassotreibenden beurteilt wer- den, nicht nach einem unterstellten. So ist der Ansicht zu folgen, es müsse auch für Forderungen gelten, die der Verbraucher bestreitet. „[...] Sonst werden ausge- rechnet die Verbraucher benachteiligt, die sich gegen eine unberechtigte Forderung wehren. Das fördert un- seriöse Geschäftsmodelle, die hohe Inkassogebühren als Druckmittel einsetzen, um in Wahrheit nicht beste- hende Forderungen durchzusetzen. Zweifelhafte Forde- rungen dürfen nicht durch die Einschüchterung von Ver- brauchern durchgesetzt werden. Grund für die Unter- scheidung im Gesetzentwurf ist die pauschale Annah- me, dass das Inkasso bei einer bestrittenen Forderung aufwendiger sei. Das ist jedoch gerade bei verbraucher- typischen Massengeschäften und den größtenteils au- tomatisierten Inkassoverfahren wenig praxisnah. [...]“ 30 30 https://www.stmuv.bayern.de/aktuell/presse/pressemitteilung.htm?PMNr=42/20, (abger. am 31.8.2021). V. FAZIT Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der Aufwand für die Beitreibung von Forderungen sehr unterschiedlich aus- geprägt ist und somit völlig unterschiedliche Aufgaben beinhaltet. Auf der einen Seite steht die automatisierte Forderungseintreibung, auf der anderen Seite die indivi- duelle Bearbeitung und Prüfung der Hauptforderung. Diesem Umstand wird durch den Entwurf nicht ausrei- chend Rechnung getragen. 31 31 Weitergehend BRAK-Stn.-Nr. 29/2020, S. 4: „Deswegen ist eine dringend erforder- liche Differenzierung zwischen Inkassotätigkeiten der Rechtsanwälte und der Inkas- sodienstleister herbeizuführen.“ An dieser Stelle hätte eine Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Geschäftsmodellen erfolgen müssen. Im Ergebnis hätte ein möglicherweise vollkommen neu- es, den kaufmännischen Zügen eines Masseninkassos entsprechendes Vergütungsmodell entstehen können, welches in einem angemessenen Maß Aufwand und Verhältnis zur Hauptforderung berücksichtigt hätte. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 287
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