BRAK-Mitteilungen 5/2021

auf „Verbraucher“ i.S.v. § 13 BGB ist vor dem Hinter- grund, dass alle Rechtsuchende nach § 1 I 2 RDG zu schützen sind, aber zu kurz gegriffen. 45 45 BRAK-Stn.-Nr. 81/2020 zum RefE, S. 24 noch zum Begriff „Privatpersonen“; krit. ebenso DAV-Stn. 88/2020, S. 20; Skupin , GRUR-Prax 2020, 581, 583; a.A. Stadler , VuR 2021, 123, 126; Hartung , AnwBl. Online 2021, 152, 158. Die Pflichten sollten daher künftig zugunsten aller Rechtsuchenden einschließlich der Unternehmen erweitert werden. 46 46 So auch die Forderung des BR in der Stn. v. 5.3.2021, BT-Drs. 19/27673, 55, die aber von der BReg in der Gegenäußerung abgelehnt wurde. Denn die gebündelte Geltendmachung von Schadenser- satzansprüchen beim LKW-Kartell im Wege des Legal- Tech-Inkasso 47 47 LG München I, BeckRS 2020, 841. zeigt, dass es Geschäftsmodelle gibt, die auch Unternehmen adressieren. Es besteht kein Grund, diese vom Schutz auszunehmen. d) STÄRKUNG DER AUFSICHTSBEFUGNISSE Als weitere Regulierungsmaßnahme wurden auch die Aufsichtsbefugnisse gestärkt. Es soll bereits bei der Zu- lassung zur Registrierung als Inkassodienstleister ge- prüft werden, ob das jeweilige Geschäftsmodell im Ein- klang mit der Inkassoerlaubnis steht, um der Gefahr di- vergierender Entscheidungen zwischen Verwaltungsbe- hörden einerseits und Zivilgerichten andererseits zu be- gegnen. 48 48 Begr. RegE, BT-Drs. 19/27673, 21 f. Dafür soll nach § 13 II RDG n.F. bereits im Zu- lassungsverfahren die beabsichtigte Tätigkeit beschrie- ben werden. Die Beschreibung muss insb. Angaben da- zu enthalten, auf welchen Rechtsgebieten die Tätigkei- ten erbracht werden sollen und ob und ggf. welche wei- teren Tätigkeiten als Nebenleistungen nach § 5 RDG beabsichtigt sind. Im Hinblick auf die erweiterten Prü- fungs- und Sanktionsbefugnisse der Aufsichtsbehörden im Zulassungsverfahren werden Forderungen laut, von der Nichtigkeitsfolge nach § 134 BGB bei Überschrei- ten der Inkassolizenz 49 49 BGH, BRAK-Mitt. 2020, 44 = NJW 2020, 208, 218 – Rn. 91 f. – wenigermiete.de. zum Schutz der Verbraucher, insb. wegen drohender Verjährung ihrer Ansprüche, ab- zurücken. 50 50 Petrasincu/Unseld , RDi 2021, 361, 369 f.; Grunewald , in BeckOK RDG, 18. EG 1.7. 2021, § 4 RDG Rn. 42; Römermann , AnwBl. Online 2021, 588, 616; ders ., RDi 2021, 217, 220 f.; Stadler , VuR 2021, 123, 126 f.; Hartung , AnwBl. Online 2021, 152, 159. Insgesamt ist es der richtige Weg, die Zulässigkeit der Legal Tech-Inkassomodelle bereits im Vorfeld bei der Re- gistrierung durch die Aufsichtsbehörden prüfen zu las- sen. Dies setzt allerdings voraus, dass die Aufsichtsbe- hörden den erhöhten Prüfungsaufwand auch effektiv bewältigen können, mithin organisatorisch, personell und finanziell dafür ausgestattet sind. Wichtig ist auch, die Aufsicht zu zentralisieren, um ein „Aufsichtsbehör- den-Shopping“ zu vermeiden. 51 51 BRAK-Stn.-Nr. 10/2021 zum RegE, S. 19; Henssler , AnwBl. Online 2021, 180, 185; ferner Skupin , GRUR-Prax 2021, 368, 370; ders ., DRiZ 2021, 112, 113; Steinrötter/ Warmuth , in Hoeren/Sieber/Holznagel, Teil 30 – Rn. 30; dies wurde in einem Ent- schließungsantrag bei der Verabschiedung des Gesetzes festgehalten, s. BT-Drs. 19/30495, 8. Für vor dem 1.10.2021 bereits registrierte Inkassodienstleister enthält § 7 RDGEG n.F. die wichtige Übergangsregelung zur Nach- meldung bei der zuständigen Aufsichtsbehörde bis spä- testens 30.6.2022, wenn sie in Rechtsgebieten tätig sind, die nicht in § 11 I RDG genannt sind oder Neben- leistungen zur Inkassodienstleistung erbringen. 4. KRITISCHE STELLUNGNAHME Das Gesetz läutet einen Paradigmenwechsel im RDG ein, weil ein allgemeiner Rechtsdienstleister im Inkasso- gewand unterhalb der Anwaltschaft etabliert wird, ob- wohl sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des RDG bewusst dagegen ausgesprochen hatte. 52 52 BT-Drs. 16/3655, 31; BRAK-Stn.-Nr. 81/2020 zum RefE 81/2020, S. 4; Henssler , in Deckenbrock/Henssler, Einl. RDG Rn. 47p; Kilian , AnwBl. Online 2021, 213, 217 f. Die erweiter- ten Befugnisse für Inkassodienstleister führen zu erheb- licher Inkohärenz zum Nachteil der Anwaltschaft, da sie nicht in derselben Weise Berufspflichten unterliegen. 53 53 Das müssen selbst Befürworter des Gesetzes einräumen, z.B. Römermann , RDi 2021, 217; zur verbleibenden Kohärenzproblematik Henssler , in Deckenbrock/ Henssler, Einl. RDG Rn. 47p; Kilian , AnwBl. Online 2021, 102, 106. Diese durch die BGH-Entscheidung „wenigermiete.de“ 54 54 BGH, BRAK-Mitt. 2020, 44 = NJW 2020, 208. besonders deutlich gewordene Inkohärenz hat der Ge- setzgeber leider nicht beseitigt. 55 55 Kritisch auch Henssler, in Deckenbrock/Henssler, Einl. Rn. 47j f.; ders., AnwBl. On- line 2021, 180, 181; ders., BRAK-Mitt. 2020, 6 ff. Dies zeigt sich u.a. im System der Prozesskosten- und Beratungshilfe. 56 56 Darauf weist Offermann-Burckart , AnwBl. 2021, 406, 412 f zu Recht hin. Beson- ders augenfälliges Beispiel für die fehlende Kohärenz ist auch der niedrigschwellige Sachkundenachweis für In- kassodienstleister, der vom Gesetzgeber im Wesent- lichen beibehalten wurde. 57 57 BRAK-Stn.-Nr. 81/2020 zum RefE, S. 23; krit. ebenso Fries , NJW 2021, 2537, 2538; zum Vgl. mit anderen Berufen BRAK-Stn.-Nr. 10/2021 zum RegE, S. 5. Zu Bereichsausnahmen wie beispielsweise für das Kartellrecht konnte man sich be- dauerlicherweise nicht durchringen. 58 58 Wie vom BR gefordert, BT-Drs. 19/27673, 53; keine Sachkunde im Kartellrecht zu Recht angenommen von LG Hannover, BRAK-Mitt. 2021, 174, 181; ebenso Prüt- ting , ZIP 2020, 1434, 1437; Nuys/Gleitsmann , BB 2020, 2441, 2444; krit. dazu Pe- trasincu/Unseld , NZKart 2021, 280; Krüger/Seegers , BB 2021, 1031; Hartung , AnwBl. Online 2021, 152, 158 f. Die Ergänzung in § 2 I RDV, wonach Nachweise der theoretischen Sach- kunde nur in Einzelbereichen zu erbringen sind, an dem System der Sachkunde durch einfache Lehrgänge aber grundsätzlich festgehalten wird, reicht bei weitem nicht aus, um zum Schutz der Rechtsuchenden qualifizierte Inkassodienstleistungen zu gewährleisten. Insoweit ist, je nach Inkassomodell, zumindest ein dem Ersten Juris- tischen Staatsexamen vergleichbarer Kenntnisstand zu fordern. 59 59 Henssler , AnwBl. Online 2021, 180, 181. Der Gesetzgeber hat das Kohärenzproblem 60 60 Kilian , AnwBl. Online 2021, 102, 106; ders ., AnwBl. Online 2021, 213. nicht gelöst, sondern – bewusst – in die nächste Legisla- turperiode verschoben. 61 61 S. dazu die Entschließungsanträge in BT-Drs. 19/30495, 7 f. Wie die verbleibenden Unsicherheiten zu §§ 2, 4 und 5 RDG zeigen, ist auch fraglich, ob die vom Gesetzgeber als Ziel ausgerufene Rechtssicherheit mit dem neuen Gesetz erreicht wird. 62 62 Krit. auch Leeb , ZUM 2021, 379, 383; Römermann , ZRP 2021, 10, 12. Die Ausweitung der Informa- tionspflichten läutet möglicherweise einen System- wechsel ein 63 63 Vgl. Deckenbrock , in Deckenbrock/Henssler, § 4 RDG Rn. 29c. weg vom Verbots- zum – eigentlich abge- lehnten 64 64 Begr. RegE BT-Drs. 16/3655, 31. – sog. Informationsmodell durch die „Hinter- AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 291

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