BRAK-Mitteilungen 5/2021

der BGH bisher nicht entschieden hat. So kann bei- spielsweise nach LG Hannover 89 89 LG Hannover, BRAK-Mitt. 2021, 174 m. zust. Anm. Lemke . ein Verstoß gegen § 4 RDG vorliegen, wenn die Zedenten auf verschiedenen Marktstufen (Lieferant – Erstabnehmer – Zweithändler) tätig sind. Darin liegt nach Ansicht des Gerichts ein un- auflösbarer Interessenwiderspruch. 90 90 LG Hannover, BRAK-Mitt. 2021, 174, 186; krit. dazu Petrasincu/Unseld , NZKart 2021, 280. 2. WEITERE GESCHÄFTSMODELLE Neben der gebündelten Geltendmachung von Ansprü- chen gab es im Berichtszeitraum aber auch noch weite- re Gerichtsentscheidungen, die sich mit anderen Inkas- somodellen beschäftigt haben. Nach Ansicht des OLG München 91 91 OLG München, Urt. v. 3.12.2020 – 29 U 7047/19 – n.rkr., RDi 2021, 149 [ Skupin ]. ist die Beratung zum Widerruf von Lebens- versicherungsverträgen im Vorfeld der Erbringung von Inkassodienstleistungen unzulässig, wenn der Inkasso- dienstleister nicht gleichermaßen über eine Erlaubnis nach § 34d II 1 GewO verfügt. Ähnlich stellte das OLG Hamburg 92 92 OLG Hamburg, Beschl. v. 16.9.2020 – 15 W 30/20, BRAK-Mitt. 2021, 271; Vorin- stanz bestätigt: LG Hamburg, BRAK-Mitt. 2020, 160 m. Anm. Deckenbrock . in einem wettbewerbsrechtlichen und im Wesentlichen Streitwertfragen betreffenden Verfahren fest, dass die Beratung zur Rückabwicklung von Verträ- gen, insb. auch von Versicherungsverträgen, zur Bei- tragsanpassung und zum Tarifwechsel in der privaten Krankenversicherung, aber auch zu Ansprüchen in Be- zug auf den „Dieselskandal“ und das „Auto-Kartell“ of- fensichtlich „nichts mit Inkassodienstleistungen“ zu tun hätte. Diese Entscheidung erging allerdings noch vor dem BGH-Urteil zum Sammelklage-Inkasso. IV. DIE „GROSSE BRAO-REFORM“ Die „große BRAO-Reform“ mit dem „Gesetz zur Neure- gelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerbe- ratenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Än- derung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsbera- tenden Berufe“ wird am 1.8.2022 in Kraft treten. 93 93 BGBl. 2021 I, 2363 ff. Hier- bei geht es in erster Linie um eine grundlegende Reform des Rechts der Berufsausübungsgesellschaften, die nach langen Vorarbeiten nun umgesetzt wird. 94 94 Dazu im Überblick Nitschke , BRAK-Mitt. 2021, 218; Kilian , NJW 2021, 2385. Die Re- form betrifft auch das RDG, wenn auch nur am Rande, als die Rechtsdienstleistungsbefugnis von in- und aus- ländischen Berufsausübungsgesellschaften zum ersten Mal gesetzlich geregelt wird. Dies ist konsequent, weil die Berufsausübungsgesellschaften nach §§ 59e, 59f BRAO n.F. künftig in der Regel der Zulassung bedürfen und selbst Träger von Rechten und Pflichten werden. 95 95 Hierzu näher Kilian , AnwBl. 2021, 294; ders. AnwBl. 2021, 478. 1. RECHTSDIENSTLEISTUNGSBEFUGNISSE VON INLÄNDISCHEN BERUFSAUSÜBUNGSGESELLSCHAFTEN § 59k S. 1 BRAO n.F. normiert künftig ausdrücklich die Rechtsdienstleistungsbefugnis von zugelassenen Be- rufsausübungsgesellschaften. Die Norm stellt eine Er- laubnisnorm i.S.v. § 3 RDG dar und ist als Klarstellung zu begrüßen. Bislang war dies im anwaltlichen Gesell- schaftsrecht bis auf die Rechtsanwalts-GmbH nur unzu- reichend geregelt. 96 96 Henssler , AnwBl. Online 2018, 564, 575. Nach § 59k S. 2 BRAO n.F. muss die Gesellschaft die Rechtsdienstleistung durch einen Gesellschafter und Vertreter – wie beispielsweise eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt – erbringen, in deren Person die da- für nach dem RDG vorgeschriebenen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen. Gesellschafter einer Berufsaus- übungsgesellschaft können künftig nach § 59i I 1 BRAO n.F. auch andere Berufsausübungsgesellschaften sein (Zulässigkeit der mehrstöckigen Gesellschaft). 2. RECHTSDIENSTLEISTUNGSBEFUGNIS VON AUSLÄN- DISCHEN BERUFSAUSÜBUNGSGESELLSCHAFTEN Die Vorschrift des § 207a BRAO n.F. sieht erstmals auch die Rechtsdienstleistungsbefugnis von ausländi- schen Berufsausübungsgesellschaften vor. Danach kann eine Berufsausübungsgesellschaft, die ihren Sitz in einem WHO-Mitgliedstaat hat, unter den Vorausset- zungen von § 207a I BRAO n.F. über die Verweisungs- norm des § 207a IV BRAO-E auf § 59k BRAO-E Rechts- dienstleistungen nach § 2 RDG erbringen und somit im deutschen Recht beraten und vertreten, wenn u.a. an ihr zumindest ein Rechtsanwalt als Gesellschafter be- teiligt ist und die konkrete Rechtsdienstleistung durch diesen erbracht wird. Entsprechendes soll für die Ver- tretung vor Gerichten und Behörden nach § 59l BRAO n.F. gelten. Ohne gesellschaftsrechtliche Beteili- gung eines Rechtsanwalts sind sie über ihre Zweignie- derlassung nach § 207a III BRAO n.F. berechtigt, Rechtsdienstleistungen in ihrem Heimatrecht und im Völkerrecht zu erbringen. Die erweiterte Befugnis für ausländische Gesellschaften war bis zuletzt umstritten. Die BRAK konnte sich mit ihren Bedenken, dies nur bei Verbürgung der Gegenseitigkeit im Herkunftsstaat 97 97 Auch gefordert vom BR in der Stn. v. 5.3.2021, BT-Drs. 19/27670, 340, was von der BReg in ihrer Gegenäußerung abgelehnt wurde, BT-Drs. 19/27670, 347. zu gestatten, nicht durchsetzen. 98 98 Zur Kritik im Einzelnen BRAK-Stn.-Nr. 82/2020 zum RefE, S. 8. Die Rechtsdienstleistungsbefugnis ausländischer An- waltsgesellschaften ist im Berichtszeitraum mit Ablauf des 31.12.2020 auch anlässlich des Brexit am Beispiel der UK-LLP virulent geworden. 99 99 Zum Ganzen Kerstges , AnwBl. Online 2021, 116. Insoweit ist umstritten, ob Gesellschaften britischen Rechts wie die LLP 100 100 Gemeint sind hier nur LLPs mit Verwaltungssitz in UK und Zweigstelle in Deutsch- land. nach Ablauf der Übergangsphase nach geltendem Recht über § 59a BRAO in Deutschland noch rechtsdienstleis- tungsbefugt sind 101 101 Bejahend Kilian , BB 2021, 323; Hartung/Uwer , EuZW 2020, 1007; verneinend insb. Pohl , Kammerton 10/2020, abrufbar unter https://www.rak-berlin.de/kam merton/ausgaben/ausgabe/ausgabe-10-2020/ueber-die-folgen-eines-harten-brex its-am-31-12-2020-fuer-die-einzelnen-anwaeltinnen-und-anwaelte-und-fuer-deren- kanzleien/. und welche Auswirkungen die Re- form in § 207a BRAO n.F. darauf haben wird. REMMERTZ, AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IM RDG AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 293

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