BRAK-Mitteilungen 5/2021

der Beklagten gegenüber der Gesellschaft, zum ande- ren sei der Geschäftsführer hier auch nicht in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages einbezogen. Einen ausdrücklichen Auftrag zur Prüfung der Insolvenz- antragspflicht hatte es unstreitig nicht gegeben. Daher prüfte der Senat, ob die Anwälte ausreichende Anhalts- punkte dafür hatten, von einer derart krisenhaften Si- tuation auszugehen, dass zumindest Hinweise dahinge- hend geschuldet waren, zeitnah die Frage der Zah- lungsfähigkeit prüfen zu lassen, um ggf. der Insolvenz- antragspflicht nachzukommen. Solche Anhaltspunkte habe es aber hier nicht in ausreichend konkreter Ausge- staltung gegeben, so dass für den Senat auch keine Hinweispflichten außerhalb des eigentlichen Mandats- gegenstands erkennbar waren, die eine Pflichtverlet- zung begründen könnten. Selbst wenn man aber eine Pflichtverletzung annehmen wolle, seien hier die Rege- lungen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht anwendbar. Es führe zu weit, auch den Ge- schäftsführer in den haftungsrechtlich relevanten Schutzbereich des Vertrags zwischen Gesellschaft und Rechtsanwalt hinsichtlich der Verletzung solcher bloßer nebenvertraglicher Pflichten einzubeziehen. Der Senat marschiert geradewegs auf eine mögliche Pflichtverletzung der beklagten Anwälte zu, die im Er- gebnis verneint wird. So können einige Fragen – z.B. auch diejenige nach der Wirksamkeit der Zession – bei- seitegelassen werden. Der Hinweis auf die fehlende Drittschutzwirkung ist ebenfalls nur noch obiter dictum. Ob überhaupt eine verspätete Insolvenzanmeldung vor- lag, wäre wohl erst beim Schaden zu prüfen gewesen. Was den Drittschutz angeht, so steht das OLG hier auf der Basis der BGH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2012. 1 1 BGH v. 14.6.2012 – IX ZR 145/11, NJW 2012, 3165. Danach kann der Geschäftsführer wie auch der Gesellschafter in den Schutzbereich des mit der GmbH abgeschlossenen Beratervertrags einbezogen sein, wenn das Mandat tatsächlich die Prüfung der Insol- venzreife zum Gegenstand hat. Allerdings hat der BGH diese Rechtsprechung später nochmals gegenüber den Beratern verschärft. Wird der Steuerberater mit der Er- stellung von Jahresabschlüssen beauftragt und muss er auf Basis der ihm zur Verfügung gestellten Unterlagen erkennen, dass keine Fortführungsprognose besteht, hat er von sich aus auf die Prüfung der Insolvenzan- tragspflicht hinzuweisen bzw. hinzuwirken. 2 2 BGH v. 26.1.2017 – IX ZR 285/14, NJW 2017, 1611. Auch hier kann also die Haftung auf Hinweispflichten gestützt werden, die außerhalb des eigentlichen Auf- tragsgegenstands liegen. Es ist bislang nicht zu erken- nen, dass für diesen Fall die drittschützende Wirkung zugunsten von Geschäftsführern entfallen würde, die wegen fehlender Hinweise einen eigenen Schaden gel- tend machen. Das Gegenteil dürfte der Fall sein. Der Hinweis des OLG, dass es zu weit führe, den Rechtsan- walt auch gegenüber Dritten haften zu lassen, wenn dieser vertragliche Nebenpflichten, also Hinweispflich- ten außerhalb des eigentlichen Mandatsgegenstands verletzt, ist also mit großer Vorsicht zu genießen. Der BGH könnte das anders sehen, wenn es darauf ankom- men sollte. (bc) BERATUNGSPFLICHT ÜBER RISIKEN Eine Aufklärungspflicht des Rechtsanwalts gegen- über dem Mandanten besteht auch in Bezug auf die Erfolgsaussichten eines Rechtsstandpunkts. Vor Er- hebung einer Pflichtteilsklage für einen Abkömmling des Erblassers muss die Aufklärung den Umstand umfassen, dass grundsätzlich – und jedenfalls für den Fall, dass die Erbin die Vaterschaft des Erblas- sers bestreitet – ein formeller Abstammungsnach- weis erforderlich ist, um zu obsiegen. OGH Österreich, Beschl. v. 25.6.2021 – 8 Ob 48/21y In diesem Fall geht es um eine Anwaltshaftung in Öster- reich, der ein erbrechtliches Mandat, ebenfalls in Öster- reich, vorausgegangen war. Der 1949 geborene Man- dant, der nun seinen Anwalt auf Schadensersatz in An- spruch nimmt, hatte 2017 im Zuge einer Testamentser- öffnung, zu der er eingeladen worden war, erfahren, dass der Erblasser, den er nicht gekannt hatte, sein Va- ter gewesen sei. In dem Testament wurde der Mandant als Sohn des Erblassers bezeichnet und auf den gesetz- lichen Pflichtteil gesetzt; zudem hatte der Erblasser die Minderung des Pflichtteils auf die Hälfte angeordnet, da zwischen ihm und seinem Sohn „zu keiner Zeit ein Näheverhältnis“ bestanden habe. Als Erbin wurde die Ehefrau des Erblassers eingesetzt. Diese zahlte den hal- ben Pflichtteil aus. Eine Klage auf Zahlung der zweiten Hälfte wurde abgewiesen, weil die Erbin – erstmals im Prozess – bestritt, dass der Erblasser wirklich der Vater des Klägers gewesen sei. Erst nach dem Verhandlungs- termin konnte der Kläger eine Niederschrift aus dem Jahr 1949 beibringen, in der der Erblasser seine Vater- schaft anerkannt hatte. Der Kläger macht gegen seinen Anwalt als Schaden nur die Kosten geltend, die er in dem Verfahren gegen die Erbin zu tragen hatte. Er moniert, der Anwalt habe ihn nicht auf das Erfordernis eines Abstammungsnachwei- ses und auf das andernfalls bestehende Unterliegensri- siko hingewiesen. Bei entsprechender Belehrung hätte er von der Klage gegen die Erbin abgesehen. Der An- walt macht geltend, er habe den Kläger mehrfach be- fragt, ob er seine Abstammung vom Erblasser nachwei- sen könne, was der Kläger verneint habe. Die Klage war in den Vorinstanzen erfolglos. Der OGH entschied, grundsätzlich habe der Anwalt den Mandan- ten über das Prozessrisiko bei einer Klage ohne Abstam- mungsnachweis beraten müssen, obwohl die Erbin die Abstammung vorgerichtlich nicht bestritten und den halben Pflichtteil klaglos ausgezahlt hatte. Zur Klärung der Frage, ob eine ausreichende Beratung über das Pro- zessrisiko erfolgt sei bzw. ob der Kläger das Risiko auch ohne eine solche habe erkennen können, verwies der OGH die Sache an das Erstgericht zurück. Gegebenen- falls müsse dieses auch Feststellungen zum hypotheti- JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 297

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