BRAK-Mitteilungen 5/2021

tenkalenders durch eine beauftragte Bürokraft überprüft wird. (eigener Ls.) BGH, Beschl. v. 26.5.2021 – VIII ZB 55/19 Zu einem echten Dauerbrenner in Sachen Wiedereinset- zung hat sich die abendliche Fristenkontrolle entwickelt. Schon Ende 2014 hatte der VIII. Zivilsenat des BGH die- sen (zusätzlichen) Kontrollschritt zur wirksamen Aus- gangskontrolle gefordert; 4 4 BGH v. 4.11.2014 – VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253. inzwischen muss man diese Anforderung als ständige Rechtsprechung des BGH be- zeichnen. Die Tatsache, dass immer wieder Beschwer- den zum BGH an diesem Punkt scheitern, zeigen eben- so wie die Erfahrungen aus der Praxis, dass die Umset- zung in den Kanzleien leider noch viel zu selten stattge- funden hat. Auch im vorliegenden Fall hatte der Prozessbevollmäch- tigte vorgetragen, dass die Kanzleiangestellten ange- wiesen waren, einen Fristverlängerungsantrag zu ferti- gen und zur Unterschrift vorzulegen. Noch vor Aus- druck des Schriftsatzes sei die Kanzleiangestellte plötz- lich krankheitsbedingt nicht mehr arbeitsfähig gewe- sen, so dass sie den Vorgang einer Kollegin überlassen habe. Diese habe dann versehentlich und entgegen den allgemeinen Weisungen die Frist gestrichen, weil sie al- lein aufgrund der Existenz des elektronisch vorhande- nen Schriftsatzes davon ausgegangen war, dass die Frist erledigt sei. Nach den erwähnten Anforderungen genügt dieser Vor- trag nicht, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bekommen. Die Kanzleiorganisation muss nämlich auch vorsehen, dass die – hier im Papierkalender – ge- strichene Frist erneut einer Kontrolle unmittelbar vor Feierabend darauf unterzogen wird, ob der jeweilige Schriftsatz auch tatsächlich die Kanzlei ordnungsge- mäß verlassen hat, so dass die Friststreichung zurecht erfolgte. Wenn die Frist tatsächlich erst und nur dann gestrichen werden darf, wenn der Ausgang der jeweiligen Post schon sichergestellt ist, erscheint das wie ein überflüssi- ger „doppelter Boden“. Möglicherweise ist das auch der Grund dafür, dass offenkundig noch lange nicht überall diese zusätzliche Kontrollpflicht im Kanzleiablauf veran- kert ist. Viele Wiedereinsetzungsanträge lassen denn auch Vortrag zu diesem Punkt vermissen, was dann zur Zurückweisung führt, auch wenn im Übrigen alle Orga- nisationsschritte korrekt festgelegt und auch vorgetra- gen sind. Auch wenn man also diese Anforderung der Rechtsprechung schwer nachvollziehbar findet, sollte man sich tunlichst daran halten, weil andernfalls alle anderen Bemühungen um eine korrekte Kanzleiorgani- sation umsonst sein können. (bc) FEHLERHAFT ANGEBRACHTES DATUM AUF DEM EMPFANGSBEKENNTNIS Das datierte und unterschriebene Empfangsbe- kenntnis erbringt Beweis für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt und für den Zeitpunkt dieser Entgegennahme. Tat- sächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des Empfangsbe- kenntnisses ist nur geführt, wenn die von ihm ausge- hende Beweiswirkung vollständig entkräftet und je- de Möglichkeit ausgeschlossen ist, dass die Anga- ben des Empfangsbekenntnisses richtig sind. BSG, Beschl. v. 17.12.2020 – B 1 KR 68/19 B Das Urteil des SG wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis (EB) am 29.1. 2018, einem Samstag, zugestellt. Am 31.1.2019 ging die Berufungsschrift beim LSG ein. Sowohl das LSG als auch das BSG hielten das im Ergebnis für verspätet. Der Prozessbevollmächtigte hatte vorgetragen, seine Kanzlei sei üblicherweise am Samstag geschlossen, das auf dem EB aufgedruckte Datum sei fehlerhaft und beim Ausfüllen am 31.12.2018 versehentlich vermerkt worden. Im Übrigen sei nicht das Datum des EB maß- geblich, sondern der Zeitpunkt, zu dem nach allgemei- ner Verkehrsanschauung damit zu rechnen gewesen sei, dass der Prozessbevollmächtigte vom Urteil Kennt- nis nehme. Dieser Auffassung erteilt das BSG eine deutliche Absa- ge. Das EB erbringe den Beweis der Zustellung eben an jenem Tag; diese Rechtslage sei schon eindeutig dem Gesetz zu entnehmen, § 174 I ZPO. Die tatsächliche Kenntnisnahme sei hingegen nicht Voraussetzung der Zustellung. Fehlerhafte Fristeintragungen sind schon öfter unterlau- fen, wenn Anwälte oder Anwältinnen am Wochenende arbeiten und dann EBs schon unterzeichnen, während die Fristen dann durch die Mitarbeiterinnen und Mitar- beiter erst am darauffolgenden Montag eingetragen werden. Dass die wirkliche Kenntnisnahme erst am Montag stattfindet, ist in diesen Fällen ohnehin kaum plausibel, wäre aber auch irrelevant. Dass das Datum versehentlich falsch aufgebracht wurde, ist angesichts der Beweiskraft des EB und der hohen Hürden, die für den Gegenbeweis aufgestellt werden, wahrscheinlich nur in besonders gelagerten Einzelfällen nachweisbar. Vorsicht und aufmerksamer Umgang mit EB und Fris- teneintragungen sind also angebracht. Das gilt für die Versendung des Empfangsbekenntnisses per beA in noch schärferen Maße, weil dafür nur einige Klicks not- wendig sind. (bc) KONTROLLANFORDERUNG BEI FRISTVERLÄNGERUNGSANTRAG 1. (...) 2. Die Fristensicherung verlangt von dem Rechtsan- walt bei einem Antrag auf erstmalige Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist – auf deren Bewilli- gung er bei Vorliegen erheblicher Gründe (§ 520 II 3 ZPO) im Allgemeinen vertrauen darf – nicht, dass er sich bereits innerhalb der noch laufenden Beru- fungsbegründungsfrist durch Nachfrage beim Beru- fungsgericht über den Eingang des Fristverlänge- AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 299

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