BRAK-Mitteilungen 5/2021

SOZIETÄTSRECHT RECHTSANWALT ALS ARBEITNEHMERÄHNLICHE PERSON ArbGG §§ 5 I 2, 48 I Ein selbstständiger Rechtsanwalt, der sämtliche Ho- norarforderungen gegen Zahlung eines monat- lichen Fixums an eine Rechtsanwaltskanzlei für die Nutzung von deren Infrastruktur abtritt, kann als ar- beitnehmerähnliche Person i.S.v. § 5 I 2 ArbGG an- zusehen sein. LAG Nürnberg, Beschl. v. 14.4.2021 – 4 Ta 148/20 AUS DEN GRÜNDEN: [1] I. Die Parteien streiten über den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen und in diesem Zusammen- hang darüber, ob der Kl. als arbeitnehmerähnliche Per- son i.S.d. § 5 I 2 ArbGG anzusehen ist. [2] Der Kl. macht für das Jahr 2015 geltend, dass er ge- gen die Bekl. einen Anspruch auf Zahlung von 25 % der Rechtsanwaltsgebühren hat, die durch seine Bearbei- tung eigener Mandate entstanden sind und er begehrt im Rahmen eines Stufenantrags Auskunft über den Ge- genstandswert, über die in Ansatz gebrachten Gebüh- ren, über die Vorschuss- und Abschlusskostennoten und über die Zahlungseingänge hinsichtlich der von ihm im Jahr 2015 bearbeiteten Mandate sowie Zahlung nach Auskunftserteilung. Außerdem begehrt er die Erteilung eines Zeugnisses. [3] Der Kl. war in der Kanzlei der Bekl. v. 1.1.2013 bis 31.12.2015 als Rechtsanwalt in Teilzeit (Drei-Tage-Wo- che) tätig. Der Kl. hat die Rechtsanwaltsgebühren der von ihm selbstständig bearbeiteten Mandate vollstän- dig an die Bekl. abgetreten. Im Übrigen sind die verein- barten finanziellen Bedingungen des Tätigwerdens des Kl. streitig. [4] Der Kl. behauptet unter Bezugnahme auf ein Schrei- ben der Bekl. v. 13.12.2012 (...), er habe für die Bearbei- tung von Mandaten der Bekl. ein monatliches Fixum i.H.v. 1.534,58 Euro zzgl. 19 % Umsatzsteuer als Vergü- tung erhalten. Hinsichtlich der von ihm selbst akquirier- ten und selbstständig bearbeiten Mandate sei verein- bart worden, dass er einen Anspruch auf Zahlung von 25 % der dadurch entstandenen Rechtsanwaltsgebüh- ren habe. [5] Die Bekl. behaupten, der Kl. habe keines der im Schreiben v. 13.12.2012 enthaltenen, auf die Vollzeitbe- schäftigung entweder als Angestellter oder freier Mitar- beiter gerichteten Angebote angenommen, weil er mit Blick auf seine Doktorarbeit und seine in Mannheim wohnende Freundin nicht die ganze Woche in Nürnberg habe sein wollen. Der Kl. habe vielmehr erklärt, Rech- nungen stellen zu wollen für seine Tätigkeit, soweit er Mandate der Bekl. bearbeite und eigene mit den Res- sourcen der Kanzlei (Räume, Personal, Material, EDV, Strom, Heizung, Wasser etc.) erarbeitete Gebührenan- sprüche den Bekl. abtreten zu wollen. Der Kl. habe da- her die bei der eigenständigen Bearbeitung eigener Mandate verdienten Gebühren den Bekl. abgetreten und den Bekl. den angenommenen Überschuss über die von ihm verbrauchten Kosten der Kanzlei monatlich in Rechnung gestellt. [6] Der Kl. ist der Ansicht, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gem. § 5 I 2 ArbGG eröff- net sei, weil er bei Entstehung der klageweise geltend gemachten Ansprüche arbeitnehmerähnliche Person gewesen sei. Er sei wirtschaftlich von den Bekl. abhän- gig gewesen, weil er im Jahr 2015 von den Bekl. ledig- lich das monatliche Fixum von 1.534,58 Euro ohne USt, mithin im Jahr 18.414,96 Euro bezogen habe. Daneben habe der Kl. im Kalenderjahr 2015 nur Einkünfte i.H.v. 7.962,35 Euro erzielt. Er sei überdies seiner gesamten sozialen Stellung nach einem angestellten Rechtsan- walt vergleichbar sozial schutzbedürftig gewesen. Er habe in einem voll ausgestatteten Büro der Bekl. gear- beitet, die ihm zugewiesenen Fälle sowie die eigenen Mandate persönlich bearbeitet und als Gegenleistung von den Bekl. nur das monatliche Fixum i.H.v. 1.534,58 Euro netto erhalten, aus dem er alle Steuer- und Vorsor- ge- sowie berufsbedingten Aufwendungen (z.B. Berufs- haftpflichtversicherung) habe bedienen müssen. Seine Verdienstmöglichkeiten seien nicht höher gewesen als die eines vergleichbaren Angestellten, obwohl sein Ar- beitsaufwand größer gewesen sei und er ein wirtschaft- liches Risiko getragen habe. Der Kl. habe alle Wer- bungskosten sowie das volle Haftungsrisiko in seinen Ei- gen-Mandaten tragen müssen. [7] Die Bekl. haben den vom Kl. beschrittenen Rechts- weg gerügt. Der Kl. sei weder Arbeitnehmer gewesen noch sei er wegen wirtschaftlicher Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen gewesen. Die Tätigkeit des Kl. habe sich rasch ganz deutlich hin zur praktisch ausschließlichen eigenständigen Bearbei- tung eigener Mandate mit im Wesentlichen bulgarisch- stämmigen Mandanten verschoben. Er sei gekommen und gegangen, wie er gewollt habe, er habe in der Kanzlei getan, was er gewollt habe und er habe den Bekl. berechnet, was er gewollt habe für die Abtretung seiner eigenen Gebührenansprüche Zug um Zug gegen Stellung der Kanzlei-Ressourcen seitens den Bekl. Auch nach seinem eigenen Vortrag sei der Kl. überwiegend nicht für die Bekl., sondern im Rahmen seiner eigenen freien Tätigkeit als Rechtsanwalt für seine eigenen Mandanten tätig gewesen. (...) [9] Das ArbG Nürnberg hat mit Beschl. v. 20.11.2020 festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gegeben ist und den Rechtsstreit an das LG Nürnberg-Fürth verwiesen. Wegen des In- halts des Beschusses wird auf die Bl. 289 ff. d.A. Bezug genommen. BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 307

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