BRAK-Mitteilungen 5/2021

[10] Gegen den ihm am 28.11.2020 zugestellten Be- schluss hat der Kl. am 7.12.2020 sofortige Beschwerde beim LAG Nürnberg eingelegt und diese mit dem am 31.12.2020 beim LAG eingegangenen Schriftsatz v. 30.12.2020 begründet. (...) [11] Mit Beschl. v. 22.1.2021 hat das ArbG Nürnberg der sofortigen Beschwerde des Kl. nicht abgeholfen und sie dem LAG Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt. (...) [13] II. 1. Die sofortige Beschwerde v. 7.12.2020 ist statthaft, § 48 I ArbGG, § 17a IV 3 GVG. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden, § 78 S. 1 ArbGG, § 569 ZPO. [14] 2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Der Kl. war bei Entstehung der klageweise geltend ge- machten Ansprüche arbeitnehmerähnliche Person i.S.d. § 5 I 2 ArbGG, so dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gem. § 2 I Nr. 3a ArbGG für alle Kla- geanträge eröffnet ist. [15] a) Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbststän- arbeitnehmer- ähnliche Person dige. An die Stelle der das Arbeitsverhältnis prägen- den persönlichen Abhän- gigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit. Wirtschaftliche Ab- hängigkeit ist regelmäßig gegeben, wenn der Beschäf- tigte auf die Verwertung seiner Arbeitskraft und die Ein- künfte aus der Tätigkeit für den Vertragspartner zur Si- cherung seiner Existenzgrundlage angewiesen ist. Eine arbeitnehmerähnliche Person kann für mehrere Auf- traggeber tätig sein, wenn die Beschäftigung für einen von ihnen überwiegt und die daraus fließende Vergü- tung die entscheidende Existenzgrundlage darstellt. Der wirtschaftlich Abhängige muss außerdem seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzbedürftig sein (vgl. etwa BAG v. 21.12.2010 – 10 AZB 14/10 Rn. 8 juris). Das ist gege- ben, wenn das Maß der Abhängigkeit nach der Ver- kehrsanschauung einen solchen Grad erreicht, wie er im Allgemeinen nur in einem Arbeitsverhältnis vor- kommt und die geleisteten Dienste nach ihrer soziologi- schen Typik mit denen eines Arbeitnehmers vergleich- bar sind. Maßgebend ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls (BAG, Urt. v. 17.1.2006 – 9 AZR 61/05 Rn. 14 juris). Mit dem „Maß der Abhängig- keit” ist in diesem Zusammenhang wirtschaftliche Ab- hängigkeit gemeint. Ein Abstellen auf die persönliche Abhängigkeit wäre nicht nachvollziehbar, weil eine Per- son, deren persönliche Abhängigkeit das für Arbeitneh- mer typische Maß erreicht hat, selbst als Arbeitnehmer einzuordnen wäre ( Willemsen/Müntefering , NZA 2008, 193, 194; vgl. auch BAG v. 15.4.1993 – 2 AZB 32/92 Rn. 50 juris: Die arbeitnehmerähnliche Person muss we- gen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit in einer ähnlichen Abhängigkeit wie ein Arbeitnehmer stehen und eben wegen dieser Abhängigkeit als arbeitnehmer- ähnliche Person anzusehen sein). An der vergleichbaren Schutzbedürftigkeit fehlt es, wenn der Dienstnehmer Bezüge erzielt, wie sie für Geschäftsführer oder Vor- standsmitglieder typisch sind und im Wesentlichen Ar- beitgeberfunktionen wahrnimmt oder seinerseits wie ein Unternehmer im eigenen Namen Arbeitnehmer be- schäftigt. Andererseits spricht es für seine soziale Schutzbedürftigkeit, wenn seine Verdienstmöglichkeiten im Vergleich zu einem Angestellten bei größerem Zeit- aufwand und übernommenem wirtschaftlichen Risiko nicht höher sind (vgl. GMP/ Müller-Glöge , 9. Aufl. 2017, ArbGG § 5 Rn. 35 m.w.N.). [16] b) Im Hinblick auf die Beschäftigung als Rechtsan- walt hat das BAG (am 15.4.1993 – 2 AZB 32/92) ent- schieden, dass ein Rechtsanwalt, der aufgrund eines der Vorschrift des § 705 BGB entsprechenden Gesell- schaftsvertrages Partner einer Anwaltssozietät ist, die auch den berufsrechtlichen Anforderungen entspricht, keine arbeitnehmerähnliche Person i.S.d. § 5 I 2 ArbGG ist, auch wenn er von der Sozietät wirtschaftlich abhän- gig ist. Zur Begründung hat es ausgeführt: „Für die Sta- tusbeurteilung ist in diesem Punkt auch die Verkehrsan- schauung zu berücksichtigen. Deshalb ist hier wesent- lich, dass der Gesellschaftsvertrag auch den berufs- rechtlichen Erfordernissen einer Anwaltssozietät ent- sprach. Der Vertrag ist, wie auch in dem Gutachten Dr. Z. (S. 13/15) zutreffend ausgeführt ist, in der Aus- übung der anwaltlichen Tätigkeit auf Gleichrangigkeit, Gegenseitigkeit und Zusammenarbeit ausgerichtet. Der Kl. blieb freier und unabhängiger Rechtsanwalt. Die gleichberechtigte Mitwirkung an der Personalpolitik hat in diesem Zusammenhang ebenso Gewicht wie die Hö- he der ihm monatlich zufließenden Festentnahme, die Verfügungsbefugnis über das Sozietätskonto sowie die von typischen Arbeitnehmerregelungen abweichenden Bestimmungen über Urlaub (Verfall des Urlaubsan- spruchs am Jahresende) und Gewinnfortzahlung für drei Monate, mag auch jeder dieser Umstände für sich allein nicht aussagekräftig sein. Ein Rechtsanwalt als Mitglied einer Anwaltssozietät mit solchen Bedingun- gen entspricht dem Typ nach in seiner wirtschaftlichen Unselbstständigkeit nicht einem Arbeitnehmer und ist deshalb nicht wie ein solcher sozial schutzwürdig“ (BAG, a.a.O., Rn. 51 juris). [17] 3. Nach diesen Grundsätzen ist der Kl. als arbeit- nehmerähnliche Person anzusehen. [18] a) Der Kl. war im Jahr 2015 von den Bekl. wirt- wirtschaftlich abhängig schaftlich abhängig. Nach seinen nicht in erheblicher Weise bestrittenen Anga- ben (das pauschale Bestrei- ten von allem, was nicht ausdrücklich zugstanden ist, ist unbeachtlich, vgl. nur Zöller/Greger , ZPO, 33. Aufl., § 138, Rn. 10a m.w.N.), hat der Kl. im Jahr 2015 von den Bekl. Zahlungen i.H.v. insgesamt 18.414,96 Euro erhalten und daneben weitere Einkünfte i.H.v. insge- samt 7.962,35 Euro erzielt. Danach stellte die vom Kl. von der Bekl. bezogene Vergütung die deutlich höhere Einkommensquelle (knapp 70 % des Jahreseinkom- mens) und damit die entscheidende Existenzgrundlage dar. Dem steht nicht entgegen, dass der Kl. nur im Rah- men einer Drei-Tage-Woche als Rechtsanwalt tätig war, BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 308

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