BRAK-Mitteilungen 5/2021

wendungen und die Aufwendungen für die Berufshaft- pflichtversicherung zu tragen hatte, stand er im Jahr 2015 wirtschaftlich jedenfalls nicht besser, als ein ange- stellter Rechtsanwalt, der für eine Teilzeitbeschäftigung im Umfang einer Drei-Tage-Woche eine Fixvergütung von 1.500 Euro netto monatlich erhält, wobei zu be- rücksichtigen ist, dass der Arbeitgeber im Arbeitsver- hältnis Sozialversicherungsbeiträge abführen muss, während der Kl. sich selbst absichern musste. Berück- sichtigt man außerdem, dass der Kl. seine Gebührenan- sprüche vereinbarungsgemäß vollumfänglich an die Bekl. abgetreten und er daher Mandate im Ergebnis nicht auf eigene Rechnung bearbeitet hat, dann war er seiner gesamten sozialen Stellung nach vergleichbar mit einem als Arbeitnehmer in Teilzeit angestellten Rechtsanwalt der ein Festgehalt erhält. [25] (c) Dem steht nicht entgegen, dass der Kl. behaup- tet, dass hinsichtlich der von ihm selbst akquirierten und selbstständig bearbeiten Mandate mit den Bekl. vereinbart worden sei, dass ihm 25 % der dadurch ent- standenen Rechtsanwaltsgebühren gezahlt werden. Denn zum einem bestreiten die Bekl. eine solche Verein- barung (der Kl. wird daher voraussichtlich auch vor dem Arbeitsgericht nur obsiegen können, wenn ihm der Nachweis einer solchen Vereinbarung gelingt). Zum an- deren ist bei der Beurteilung des Status als arbeitneh- merähnliche Person die tatsächliche Vertragsdurchfüh- rung zu berücksichtigen (vgl. BAG v. 11.4.1997 – 5 ARB 33/96 Rn. 15 juris). Tatsächlich hat der Kl. jedoch aus- schließlich eine monatliche Fixvergütung von 1.534,58 Euro netto erhalten. [26] (d) Dass das Sozialgericht Nürnberg nach dem Vortrag der Bekl. am 24.2.2021 die sozialrechtliche Sta- tusfeststellungsklage des Kl. abgewiesen hat, rechtfer- tigt keine andere Bewertung. Die Entscheidung entfal- tet arbeitsrechtlich keine Bindungswirkung. Der Begriff des Arbeitnehmers i.S.v. § 5 ArbGG und der des sozial- versicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses i.S.v. § 7 SGB IV sind nicht deckungsgleich, so dass es auf die sozialrechtliche Einordnung des Rechtsverhält- nisses nicht ankommt (vgl. GMP/ Müller-Glöge , 9. Aufl. 2017, ArbGG § 5 Rn. 14 m.w.N.). Hinzukommt, dass der Kl. vorliegend nicht geltend macht, Arbeitnehmer zu sein, sondern arbeitnehmerähnliche Person, die – wie bereits ausgeführt – selbstständig ist. HINWEISE DER REDAKTION: „Selbstständige“ Rechtsanwält:innen in einer Kanzlei zu beschäftigen (wie in dem vom LAG Nürnberg ent- schiedenen Fall) birgt nicht unerhebliche sozialversi- cherungsrechtliche Risiken. Bei einer monatlichen Netto-Vergütung von rund 1.500 Euro bei Drei-Tage- Woche und vollständiger Abtretung aller erwirtschaf- teten Honorare stellt sich zudem die Frage, ob dies mit der Pflicht aus § 26 I BORA, Rechtsanwält:innen nur zu angemessenen Bedingungen zu beschäftigen, noch vereinbar ist. RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ ZULÄSSIGES SAMMELKLAGE-INKASSO RDG §§ 10 I 1 Nr. 1, 2 II 1; InsO § 19 I 1 Hs. 1 Der Inkassobegriff der §§ 10 I 1 Nr. 1, 2 II 1 RDG umfasst Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der For- derung abzielen. Dies gilt auch im Fall des sog. „Sammelklage-Inkasso“. BGH, Urt. v. 13.7.2021 – II ZR 84/20 AUS DEM TATBESTAND: [1] Der Bekl. war ab Februar 2017 Executive Director der A. PLC, einer Gesellschaft nach englischem Recht, die Komplementärin der A. PLC & Co. KG (im Folgen- den: Schuldnerin) war. Über das Vermögen der Schuld- nerin wurde am 1.11.2017 auf Antrag des Bekl. v. 15.8. 2017 das Insolvenzverfahren eröffnet. [2] Die Kl., eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die über eine Registrierung gem. § 10 RDG für den Be- reich der Inkassodienstleistungen verfügt, macht aus abgetretenem Recht Schadensersatzansprüche mit der Behauptung geltend, der Bekl. habe den Insolvenzan- trag für die Schuldnerin nicht rechtzeitig gestellt. Den Forderungen i.H.v. 24.217 Euro liegen Flugbuchungen von sieben Kunden zugrunde, die im Zeitraum v. 5.5. 2017 bis zum 6.7.2017 bei der Schuldnerin Flüge ge- bucht und bezahlt hatten. Die Flüge wurden infolge der Insolvenz der Schuldnerin nicht mehr durchgeführt. [3] Die im Verhältnis zu den Kunden einbezogenen All- gemeinen Geschäftsbedingungen der Kl. sahen u.a. vor, dass die Kl. im Erfolgsfall 35 % der Nettoerlöse aus dem Forderungseinzug erhalten sollte, andernfalls den Kunden keine Kosten (z.B. aus der Einschaltung von An- wälten, Gerichten, Sachverständigen etc.) entstehen sollten. Die Kl. sollte „in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht Ermittlungen anstellen und prüfen, ob und wel- che Ansprüche“ dem Kunden und weiteren Fluggästen gegen Dritte zustünden, und diese bei ausreichenden Erfolgsaussichten außergerichtlich oder gerichtlich gel- tend machen. Gegen wen, in welchem Umfang und in RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 310

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