BRAK-Mitteilungen 5/2021

ckenbrock, in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 24a ff.; Rillig, in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46j; a.A. Henssler , NJW 2019, 545, 546 f.; AnwBl. Online 2020, 168, 169 f.). [20] bb) Der Inkassobegriff der §§ 10 I 1 Nr. 1, 2 II 1 RDG umfasst Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf eine gerichtliche Einziehung der Forde- rung abzielen. Dies gilt auch im Fall des sog. „Sammel- klage-Inkasso“. [21] (1) Die Gegenauffassung verweist darauf, es müs- se die Kernfunktion der Inkassodienstleistung, Unter- nehmen eine einfache und kostengünstige Möglichkeit zu verschaffen, ausstehende Forderungen durch hierauf spezialisierte Dienstleister einzutreiben, ins Zentrum der Betrachtung gerückt werden. Gehe es hingegen um Forderungen, gegen welche der Schuldner substanzielle Einwendungen erhebe, so dass sicher oder jedenfalls mit ganz hoher Wahrscheinlichkeit mit einer gericht- lichen Auseinandersetzung zu rechnen sei, biete sich die Beauftragung eines Inkassodienstleisters nicht an (vgl. Greger , MDR 897, 899; Hartmann , NZM 2019, 353, 357 f.; Henssler , NJW 2019, 545, 546; Knauff , Ge- wArch 2019, 414, 415 f.; Nuys/Gleitsmann , BB 2020, 2441, 2445). [22] (2) Orientiert man sich an den von der Rechtspre- Einschränkung nicht zu rechtfertigen chung des BGH und des BVerfG aufgezeigten Wer- tungsgesichtspunkten (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 110; BVerfGE 97, 12, 28 ff.; BVerfG, NJW 2002, 1190, 1191 f.; NJW-RR 2004, 1570 ff.), ist die von der Gegenauffassung vorgenom- mene Einschränkung des Inkassobegriffs nicht zu recht- fertigen. Der in § 1 I 2 RDG genannte Schutzzweck des RDG gebietet es, insb. unter Berücksichtigung der Be- rufsausübungsfreiheit des Inkassodienstleisters (Art. 12 I GG), den Begriff der Inkassodienstleistung so auszule- gen, dass Geschäftsmodelle, die ausschließlich oder vorrangig auf die gerichtliche Einziehung der Forderung abzielen, umfasst sind. Dies gilt regelmäßig auch dann, wenn das Geschäftsmodell eine Bündelung einer Viel- zahl von Einzelforderungen vorsieht. [23] (a) Jede Einschränkung des Begriffs der Inkasso- dienstleistung i.S.d. § 2 II 1 RDG und damit der Inkasso- dienstleistungserlaubnis nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG bein- haltet einen Eingriff in den Schutzbereich der nach Art. 12 I GG gewährten Berufsausübungsfreiheit (vgl. RegE RDG, BT-Drs. 16/3655, 26 f.; BVerfG, NJW 2002, 1190 f. zu Art. 1 § 1 RBerG; Burgi , DVBl. 2020, 471, 474; Knauff , GewArch 2019, 414 f.). Eingriffe in die Frei- heit der Berufsausübung sind nur dann mit Art. 12 I GG vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Ge- meinwohls gerechtfertigt werden (vgl. BVerfGE 101, 331, 347; 117, 163, 181 ff.). [24] Die aus Gründen des Gemeinwohls unumgäng- lichen Beschränkungen des Grundrechts stehen unter dem Gebot der Wahrung des Grundsatzes der Verhält- nismäßigkeit. Das gewählte Mittel muss zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sein, und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe muss die Grenze der Zumutbarkeit gewahrt sein (vgl. BVerfGE 30, 292, 316 f.; 101, 331, 347 ff.; 117, 163, 181 ff.; BGH, Urt. v. 9.6.2008 – AnwSt (R) 5/ 05, NJW 2009, 534 Rn. 24). Das RDG benennt in § 1 I 2 RDG selbst seinen Normzweck, nämlich die Rechtsu- chenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen. Dabei handelt es sich grundsätzlich um beachtliche Gründe des Gemeinwohls (BVerfGE 41, 378, 390; 97,12, 26 f.; BVerfG, NJW 2004, 2662; NJW-RR 2004, 1570 f. jeweils zum RBerG; RegE RDG, BT-Drs. 16/ 3655, 45; Overkamp/Overkamp, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., Einl. RDG Rn. 10). [25] (b) Ob das Ausscheiden von Geschäftsmodellen wie dem der Kl. aus dem Begriff der Inkassodienstleis- tung i.S.d. § 2 II 1 RDG zur Erreichung der genannten Schutzzwecke überhaupt geeignet ist, kann dahinste- hen. Jedenfalls ist es nicht erforderlich und steht zu der durch Art. 12 I GG geschützten Berufsausübungsfrei- heit außer Verhältnis. Wenn und soweit der Anbieter über die zur Registrierung nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG er- forderliche Sachkunde verfügt und für das gerichtliche Verfahren einen Rechtsanwalt beauftragt, erhöht sich dadurch, dass die abgetretenen Ansprüche statt außer- gerichtlich in erster Linie gerichtlich durchgesetzt wer- den sollen, die Gefahr einer unqualifizierten Rechts- dienstleistung nicht in einem solchen Maße, dass dies den mit einem Verbot verbundenen Eingriff in die Be- rufsausübungsfreiheit rechtfertigen könnte. [26] (aa) Für den Schutz der rechtsuchenden Bürger, die vor Rechtsnachteilen und dem Verlust von Rechts- positionen, die durch fehlerhafte Rechtsdienstleistun- gen entstehen können, bewahrt werden sollen ( Decken- brock, in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 6; Wolf, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufs- recht, 3. Aufl., § 1 RDG Rn. 5; Overkamp/Overkamp, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 1 RDG Rn. 12), kommt es regelmäßig nicht darauf an, ob das fragliche Geschäftsmodell auf eine außergerichtliche oder ge- richtliche Geltendmachung des zur Einziehung abgetre- tenen Anspruchs abzielt; dies gilt jedenfalls dann, wenn für das gerichtliche Verfahren, wie es § 78 I bzw. § 79 I 2 ZPO zwingend vorschreiben, ein Rechtsanwalt einzu- schalten ist. [27] Dass der Inkassodienstleister über die Sachkunde Sachkunde gewährleistet verfügt, die für die von ihm selbst zu erbringenden, au- ßergerichtlichen und damit nicht an das Gericht gerich- teten Rechtsdienstleistungen erforderlich ist, gewähr- leisten nach der Gesetzessystematik des RDG die Regis- trierungsvoraussetzungen in § 12 I Nr. 2, III RDG (vgl. Freitag/Lang , ZIP 2020, 1201, 1203). Der Inkasso- dienstleister muss u.a. einen entsprechenden Nachweis der Sachkunde in den in § 11 I RDG bezeichneten Rechtsgebieten erbringen, die regelmäßig durch einen RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 313

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