BRAK-Mitteilungen 5/2021
in § 4 der Verordnung zum Rechtsdienstleistungsgesetz (Rechtsdienstleistungsverordnung – RDV) v. 19.6.2008 (BGBl. I, 1069 ff.) näher geregelten Sachkundelehrgang vermittelt wird (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 214 ff.). Setzt das Inkasso- unternehmen die von ihm verlangte, überprüfte und für genügend befundene Sachkunde bei der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener For- derungen ein, ist nicht ersichtlich, dass damit eine Ge- fahr für den Rechtsuchenden oder den Rechtsverkehr verbunden sein könnte (BVerfG, NJW 2002, 1190 f.; BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 121; Urt. v. 8.4.2020 – VIII ZR 130/19, ZIP 2020, 1129 Rn. 36; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 45). Soweit die Tätigkeit des Inkassounter- nehmens in größerem Umfang auf eine klageweise Durchsetzung ausgerichtet ist und deswegen umfang- reichere zivilprozessuale Kenntnisse erforderlich sein mögen, ist eine hieraus folgende wesentliche Erhöhung der Gefahr fehlerhafter Rechtsdienstleistungen nicht er- kennbar. Denn auch bei geringen Streitwerten ist zwin- gend ein Rechtsanwalt zu beauftragen, bei dem ent- sprechende Kenntnisse ohne Weiteres zu erwarten sind (§ 79 I 2 ZPO). [28] Dem steht, anders als die Gegenansicht meint (LG München I, AnwBl. Online 2020, 284, 298; Henssler , NJW 2019, 545, 547; BRAK-Mitt. 2020, 6, 10; AnwBl. Online 2021, 180, 183; Valdini , BB 2017, 1609, 1612), nicht entgegen, dass nach der Rechtsprechung des BGH durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts aus einer unzulässigen keine zulässige Rechtsdienstleistung werden kann (BGH, Urt. v. 3.7.2008 – III ZR 260/07, WM 2008, 1609 Rn. 19 ff. [zu Art. 1 § 5 Nr. 1 RBerG]; Urt. v. 29.7.2009 – I ZR 166/06, WM 2009, 1953 Rn. 23 m.w.N. – Finanz-Sanierung; Urt. v. 10.5.2012 – IX ZR 125/10, BGHZ 193, 193 Rn. 34 [zu Art. 1 § 1 S. 1 RBerG]; Beschl. v. 12.11.2015 – I ZR 211/14, NJW-RR 2016, 693 Rn. 10 ff.; Urt. v. 7.12.2017 – IX ZR 45/16, ZIP 2018, 692 Rn. 14). Den Entscheidungen lagen je- weils Sachverhalte zugrunde, bei denen es um nicht nach § 10 I RDG registrierte Rechtsdienstleistungsun- ternehmen ging. Das Registrierungserfordernis nach § 10 I RDG und das daran anknüpfende Verbot mit Er- laubnisvorbehalt nach § 3 RDG dürfen nicht durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts umgangen werden, da sie anderenfalls praktisch leerliefen (vgl. BGH, Urt. v. 3.7.2008 – III ZR 260/07, WM 2008, 1609 Rn. 19 ff.; Urt. v. 29.7.2009 – I ZR 166/06, WM 2009, 1953 Rn. 24). Eine vergleichbare Umgehungsgefahr ist in den vorliegenden Fallgestaltungen jedoch nicht ersichtlich (vgl. BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 226; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 54). [29] Zuzugeben ist zwar, dass bei der klageweisen An- spruchsdurchsetzung ein Rechtsverlust, der bei vorheri- ger Abtretung den rechtsuchenden Bürger mittelbar ebenfalls betreffen würde, aus einem nicht sachgerech- ten Prozessverhalten folgen und dieses bereits in der Sachverhaltsaufbereitung und Schriftsatzerstellung an- gelegt sein kann. Jedoch wird der durch den Inkasso- dienstleister mandatierte Rechtsanwalt für eine sachge- rechte prozessuale Anspruchsdurchsetzung zu sorgen haben. In der Konstellation des sog. „Sammelklage-In- kasso“ wird oftmals erst die Bündelung vieler gleichge- lagerter Einzelansprüche eine intensive Befassung auf Seiten des Rechtsberaters wirtschaftlich erscheinen las- sen, was eher zu einer Steigerung der Qualität der Be- ratung zum Vorteil aller Zedenten führen kann ( Fries , AcP 221 (2021), 108, 119; Kleine-Cosack , AnwBl. On- line 2019, 6, 10 f.; Krüger/Seegers , BB 2021, 1031, 1033). Der Einwand, durch die Bündelung könne der Blick für die Besonderheiten des Einzelfalls verloren ge- hen ( Mann/Schnuch , NJW 2019, 3477, 3480), verfängt jedenfalls dann nicht, wenn der Rechtsuchende ohne die Zuhilfenahme der hier streitigen Geschäftsmodelle aus rationalem Desinteresse von einer Rechtsverfol- gung Abstand nehme würde (vgl. BVerfG, NJW 2002, 1190 f.). [30] Entsprechendes gilt, soweit darauf abgestellt wird, die Zedenten würden in unvertretbarer Weise von jeg- lichem Kontakt mit dem vom Inkassounternehmen aus- gewählten Rechtsanwalt ausgeschlossen und durch die Zwischenschaltung des Inkassounternehmens des Schutzes beraubt, den der Gesetzgeber für die gericht- liche Forderungsdurchsetzung für erforderlich halte und über die BRAO umgesetzt habe ( Henssler , AnwBl. On- line 2021, 180, 183; Henssler, in Deckenbrock/Hens- sler, RDG, 5. Aufl., Einl. RDG Rn. 47k). Abgesehen da- von, dass es dem Rechtsuchenden freisteht, statt eines Inkassodienstleisters unmittelbar einen Rechtsanwalt mit der Anspruchsdurchsetzung zu beauftragen, ist nicht ersichtlich, wieso sich der Schutz des Rechtsu- chenden verbessern sollte, wenn das Inkassounterneh- men zwingend zunächst eine außergerichtliche Einzie- hung anstreben müsste und erst bei deren Scheitern zur klageweisen Durchsetzung unter Einschaltung eines Rechtsanwalts übergehen dürfte. Dass der Begriff der Inkassodienstleistung sich nicht auf die Einziehung un- bestrittener Forderungen im Sinne einer kaufmänni- schen Hilfstätigkeit beschränkt, ist geklärt (BVerfG, NJW 2002, 1190 f.; BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 115 f.; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 54). [31] (bb) Auch der Schutz des Rechtsverkehrs, der im- mer dann betroffen ist, wenn mit der Tätigkeit des Rechtsdienstleisters Dritte, etwa der Anspruchsgegner des Rechtsuchenden, sonstige Beteiligte wie Dritt- schuldner oder Behörden, aber auch Gerichte, auf de- ren Tätigkeit außergerichtliche Rechtsdienstleistungen ausstrahlen (RegE RDG, BT-Drs. 16/3655, 45; Decken- brock , in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 1 Rn. 9), betroffen sind, erfordert nicht, Geschäftsmodelle aus dem Begriff der Inkassodienstleistung auszuneh- men, die ausschließlich oder vorrangig auf eine klage- weise Anspruchsdurchsetzung im sog. „Sammel-Inkas- so“ abzielen. [32] Der Schutz der Gerichte vor unsachgemäßer Pro- zessführung, insb. durch offensichtlich unzulässige oder RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 314
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