BRAK-Mitteilungen 5/2021

liches Berufsrecht, 3. Aufl., § 4 RDG Rn. 1). Der Sinn und Zweck des § 4 RDG besteht darin, Interessenkolli- sionen zu vermeiden (BGH, Urt. v. 14.1.2016 – I ZR 107/14, ZIP 2016, 2169 Rn. 31; Urt. v. 27.11.2019 – VI- II ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 189 m.w.N.). Eine Un- vereinbarkeit, die der rechtsdienstleistenden Tätigkeit entgegensteht, liegt allerdings nicht bei jeder Form einer möglicherweise bestehenden Interessenkollision vor, sondern nur dann, wenn die Rechtsdienstleistung unmittelbar gestaltenden Einfluss auf den Inhalt der be- reits begründeten Hauptleistungspflicht des Leistenden haben kann. Zudem muss gerade hierdurch die ord- nungsgemäße, d.h. objektive, frei von eigenen Interes- sen erfolgende Erfüllung der Rechtsdienstleistungs- pflicht gefährdet sein (RegE RDG, BT-Drs. 16/3655, 51; BGH, Urt. v. 5.3.2013 – VI ZR 245/11, NJW 2013, 1870 Rn. 12). [47] b) Entgegen der Ansicht des LG und der Revisions- keine Unvereinbarkeit mit einer anderen Leistungspflicht erwiderung kann ein sol- cher Verstoß der Kl. gegen § 4 RDG nicht festgestellt werden. Dieser lässt sich weder damit begründen, dass die Kl. nach 3.1 und 3.2 ihrer Allgemeinen Ge- schäftsbedingungen (im Folgenden: AGB Kl.) ein Er- folgshonorar und zugleich die Freihaltung ihrer Kunden von etwaigen Kosten der Rechtsdurchsetzung verein- bart hat, noch damit, dass das Geschäftsmodell der Kl., wie in 1.6 ihrer AGB vorgesehen, auf die Bündelung und gesammelte Geltendmachung von Ansprüchen (angeb- lich) geschädigter Kunden der Schuldnerin ausgerichtet ist. Hieran ändert auch nichts, dass die Kl. nach 1.9 ih- rer AGB für die Zedenten ggf. auch unwiderrufliche Ver- gleiche abschließen durfte. [48] aa) Was die gleichzeitige Vereinbarung von Er- folgshonorar und Kostenfreihaltung betrifft, fehlt es be- reits an einer anderen Leistungspflicht. Bei der Kosten- freihaltung handelt es sich insgesamt nicht um eine „andere“ Leistungspflicht i.S.d. § 4 RDG, mithin nicht um eine eigenständige, von der Pflicht zur Forderungs- einziehung abtrennbare Pflicht. Sie ist vielmehr Be- standteil der Inkassodienstleistung der Kl., steht aber je- denfalls mit der von der Kl. betriebenen Forderungsein- ziehung in einem so engen Zusammenhang, dass sie, auch aus Sicht des Kunden, dessen Schutz als Rechtsu- chender die Vorschrift des § 4 RDG u.a. dienen soll (vgl. RegE RDG, BT-Drs. 16/3655, 39), nicht als eine andere Leistungspflicht i.S.d. § 4 RDG angesehen werden kann (BGH, Urt. v. 27.11.2019 – VIII ZR 285/18, BGHZ 224, 89 Rn. 202; Urt. v. 27.5.2020 – VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 68, 70). [49] bb) Eine andere Leistungspflicht i.S.d. § 4 RDG wird dadurch begründet, dass die Kl. auch gegenüber anderen Kunden jeweils zur bestmöglichen Durchset- zung der abgetretenen Forderungen verpflichtet ist. Die von der Kl. zu erbringende Rechtsdienstleistung ist in- des nicht mit diesen anderen Leistungspflichten unver- einbar. [50] (1) Eine andere Leistungspflicht kann eine weitere Verpflichtung zur Erbringung einer Rechtsdienstleistung sein, wobei diese auch gegenüber einem Dritten ge- schuldet sein kann ( Deckenbrock , in Deckenbrock/ Henssler, RDG, 5. Aufl., § 4 Rn. 16; Dreyer/Müller , in Dreyer/Lamm/Müller, RDG, § 4 Rn. 10, 17; Johnigk, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 4 RDG Rn. 12, 15; Krenzler/Remmertz , RDG, 2. Aufl., § 4 Rn. 12). [51] Das Geschäftsmodell der Kl. besteht, wie sich aus 1.6 AGB Kl. ergibt, darin, sich die Ansprüche mehrerer (angeblich) geschädigter Kunden der Schuldnerin abtre- ten zu lassen und gesammelt gegenüber Dritten gel- tend zu machen. Aufgrund der den Abtretungen zu- grundeliegenden Inkassodienstleistungsverträgen ist die Kl. gegenüber allen ihren Kunden damit jeweils zur bestmöglichen Durchsetzung der abgetretenen Forde- rungen verpflichtet (vgl. Deckenbrock , in Deckenbrock/ Henssler, RDG, 5. Aufl., § 4 Rn. 28g). [52] (2) Jedoch ist, jedenfalls nach der konkreten Aus- gestaltung der Vertragsverhältnisse mit den Kunden, nicht feststellbar, dass die von der Kl. zu erbringende Rechtsdienstleistung unmittelbar gestaltenden Einfluss auf den Inhalt der gegenüber den übrigen Kunden zu erbringenden Leistungspflichten dergestalt ausüben kann, dass hierdurch die ordnungsgemäße Erfüllung der Rechtsdienstleistungspflicht gefährdet wäre. [53] Richtig ist zwar, dass die Kl. im Rahmen der ge- sammelten Geltendmachung und ggf. auch prozessua- len Durchsetzung der Kundenforderungen nach 1.9 AGB Kl. u.a. dazu ermächtigt ist, Vergleiche abzuschlie- ßen, dabei auch auf die Geltendmachung von Ansprü- chen gegen einzelne Anspruchsgegner zu verzichten und auch, Ansprüche Zug um Zug gegen Entschädi- gungszahlungen an Anspruchsgegner weiter abzutre- ten. Hieraus allein lässt sich jedoch noch nicht auf einen Interessenkonflikt schließen, der einen Verstoß gegen § 4 RDG und damit im Ergebnis die Nichtigkeit der Inkassodienstleistungsverträge sowie der darauf- hin erfolgten Abtretungen der Kunden der Kl. zur Folge hätte. [54] Entgegen der Ansicht des LG lässt sich ein solcher kein Interessen- konflikt Interessenkonflikt nicht da- mit begründen, der Bekl. verfüge lediglich über end- liche Mittel, weshalb die Kl. bereit sein werde, ggf. deshalb einen Vergleich abzu- schließen, der die Forderungen aller Kunden nur antei- lig befriedige. Abgesehen davon, dass es an Feststellun- gen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Bekl. fehlt und jedenfalls im Hinblick auf die hier streitgegenständ- lichen Kundenforderungen eine finanzielle Überforde- rung des Bekl. fernliegt, widerspräche ein solcher Ver- gleichsschluss letztlich gerade nicht dem Interesse der Kunden. Auch bei einer isolierten Durchsetzung der For- derungen, sei es durch die Kl., sei es durch die Kunden selbst, müssten diese bei drohender Zahlungsunfähig- keit des Bekl. und entsprechender Kenntnis hiervon das RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 317

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