BRAK-Mitteilungen 5/2021

hieraus resultierende Risiko einer Vorsatzanfechtung in Rechnung stellen (vgl. § 3 AnfG, § 133 InsO). [55] Soweit die gebündelte Durchsetzung der Forderun- gen möglicherweise unter Berücksichtigung der Interes- sen der anderen Kunden zu einer nur anteiligen Befrie- digung führt, folgt daraus kein im Rahmen des § 4 RDG bedeutsamer Interessenkonflikt auf Seiten der Kl. Prinzi- piell sind nicht nur die Interessen des einzelnen Kunden und der Kl., sondern auch aller Kunden untereinander gleichgerichtet, nämlich darauf, eine möglichst hohe Befriedigung aller Forderungen zu erhalten ( Petrasincu/ Unseld , NZKart 2021, 280, 285). Zwar kann nicht aus- geschlossen werden, dass der einzelne Kunde durch einen Vergleichsschluss, der mehrere an die Kl. abgetre- tene Forderungen umfasst, möglicherweise das Risiko übernimmt, dass der auf ihn entfallende Anteil der Ver- gleichssumme deshalb geringer ausfällt, weil die Kl. Forderungen mit geringerer Durchsetzungsaussicht ge- bündelt geltend gemacht hat ( Rillig , in Deckenbrock/ Henssler , RDG, 5. Aufl., § 10 Rn. 46o; BeckOGK RDG/ Grunewald , Stand: 31.12.2020, § 4 Rn. 25). Diesem Ri- siko stehen erhebliche Vorteile einer gebündelten Gel- tendmachung im Vergleich zu einer jeweils individuellen Anspruchsdurchsetzung gegenüber, etwa die Nutzbar- machung der Gebührendegression bzw. -deckelung, die Streuung des Kostenrisikos einer etwaig vorausgegan- genen Beweisaufnahme und eine erhebliche Stärkung der Verhandlungsposition gerade im Hinblick auf einen Vergleichsschluss ( Stadler , VuR 2021, 123, 125; Fries , AcP 221 (2021), 108, 119; Krüger/Seegers , BB 2021, 1031, 1033). Das beschriebene Risiko des einzelnen Kunden fällt dagegen umso weniger ins Gewicht, je mehr die Durchsetzungsaussichten der jeweiligen For- derungen in rechtlicher bzw. tatsächlicher Hinsicht übereinstimmen. Verbleibenden Unterschieden hin- sichtlich der Durchsetzungsaussichten lässt sich darü- ber hinaus durch entsprechende Gruppierung der An- sprüche Rechnung tragen ( Stadler , JZ 2020, 321, 325 f.; Deckenbrock, in Deckenbrock/Henssler, RDG, 5. Aufl., § 4 Rn. 28g). [56] Die streitigen Schadensersatzansprüche hängen davon ab, ob der Bekl. zum Zeitpunkt der einzelnen Flugbuchung gegen seine Insolvenzantragspflicht ver- stoßen hat und damit zugleich von dem zwischen den Parteien streitigen Zeitpunkt der Insolvenzreife der Schuldnerin. Im Hinblick auf die übrigen Anspruchsvo- raussetzungen, also vor allem der Flugbuchung und der Zahlung des Flugpreises, der regelmäßig der An- spruchshöhe entsprechen wird, herrscht zwischen den Beteiligten letztlich kein Streit und ein solcher war ange- sichts der Beweissituation auch nicht zu erwarten. Wenn sich die Erfolgsaussichten bei der Durchsetzung der abgetretenen Ansprüche damit im Wesentlichen im Hinblick auf das zeitliche Verhältnis von Flugbuchung und Insolvenzreife unterscheiden, lässt sich hieraus im Streitfall bereits deshalb nicht auf einen für § 4 RDG be- deutsamen strukturellen Interessenkonflikt auf Seiten der Kl. schließen, weil sie nach 1.6 AGB Kl. nur gleichar- tige Ansprüche gesammelt geltend machen durfte und bei nicht gleichartigen Ansprüchen nach ihrem Ermes- sen Gruppen zu bilden waren. Verbleibende Unterschie- de der Durchsetzungsaussichten innerhalb etwaig ge- bildeter Anspruchsgruppen bzw. das Risiko einer mögli- cherweise fehlerhaften Gewichtung durch die Kl. bei der Ausübung ihres Ermessens rechtfertigen es jedenfalls nicht, die Nichtigkeit der Inkassodienstleistungsverträ- ge und der daraus folgenden Abtretungen gem. § 134 BGB i.V.m. § 4 RDG anzunehmen. [57] Entgegen der Ansicht des LG ist es, soweit es das Interesse aller Zedenten an einer jeweils bestmöglichen Rechtsverfolgung betrifft, auch unerheblich, dass die Er- mächtigung der Kl. zum Vergleichsschluss keine Be- schränkung auf widerrufliche Vergleiche vorsah. An dem beschriebenen prinzipiellen Interessengleichlauf der Kl. und der Gesamtheit der Zedenten änderte sich hierdurch nichts. [58] c) Der zuletzt genannte Gesichtspunkt vermag auch im Übrigen keinen Verstoß gegen § 4 RDG zu be- gründen. Auf Seiten der Kl. lässt sich dadurch, dass die Vereinbarung mit ihren Kunden in den Inkassodienst- leistungsverträgen einerseits die Kostenfreihaltung und eine erfolgsbasierte Vergütung vorsehen, andererseits die Kl. aber zum Abschluss unwiderruflicher Vergleiche mit den etwaigen Anspruchsgegnern ermächtigt war, kein Interessenkonflikt erkennen, der in entsprechender Anwendung des § 4 RDG zur Nichtigkeit der Forde- rungsabtretungen an die Kl. führt. [59] aa) Zuzugeben ist, dass sich aufgrund eigenen wirtschaftlichen Interesses, das aus der im Streitfall in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen vereinbarten Vergütungsvereinbarung folgt, nicht ausschließen lässt, dass die Kl. verglichen mit den Kunden eher zum Ab- schluss eines Vergleichs über die jeweilige Einzelforde- rung geneigt sein könnte. Denn sie trägt aufgrund der Kostenfreihaltungsvereinbarung das volle Kostenrisiko, ist an einem etwaigen Erfolg jedoch nur mit 35 % der Forderungssumme beteiligt, während der Kunde im Ver- lustfall kein Kostenrisiko trägt. Dies wirkt sich vor allem aus, sobald der auf die Kl. entfallende Anteil die entste- hende Kostenlast deckt. Hierbei ist in den Blick zu neh- men, dass bei einer Bündelung einer Vielzahl von An- sprüchen die eigenen Kosten der Kl. pro Forderung ge- ringer ausfallen dürften, so dass die Kl. in diesem Fall bereits bei einer geringeren Vergleichssumme eine Kos- tendeckung wird erreichen können ( Morell , JZ 2019, 809, 810 f.). Diese zum Teil unterschiedliche Interessen- lage zwischen der Kl. und den einzelnen Kunden bei der Erbringung ihrer Rechtsdienstleistung betrifft jedoch nicht die für die direkte Anwendung des § 4 RDG im Streitfall maßgeblichen Leistungspflichten, die die Kl. gegenüber den übrigen Zedenten zu erbringen hat. [60] bb) Die unterschiedliche Interessenlage zwischen der Kl. und den einzelnen Kunden bei der Erbringung ih- rer Rechtsdienstleistung rechtfertigt keine entsprechen- de Anwendung des § 4 RDG. [61] Der BGH hat zwar nicht ausgeschlossen, dass es Fälle geben kann, in denen zum Schutz des Rechtsver- RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 318

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