BRAK-Mitteilungen 5/2021
gehen, dass alleine das Vorliegen der materiellen Vo- raussetzungen einer Tätigkeit als Syndikusanwalt nicht ausreicht, um einen Befreiungsanspruch nach § 6 I 1 Ziff. 1 SGB VI auszulösen“. Der Wortlaut der Norm set- ze die im begehrten Befreiungszeitraum bestehende Pflichtmitgliedschaft in Kammer und berufsständischer Versorgungseinrichtung voraus. Nach Angaben des Kl. wurde in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozial- gericht Lübeck am 19.8.2019 das dortige Verfahren ausgesetzt, bis die hier streitgegenständliche, vorgreif- liche Rechtsfrage rechtskräftig geklärt sei. Mit Beschluss v. 23.8.2020 ist der hiesige Aussetzungs- beschluss aufgehoben worden. Mit Beschluss v. 18.4.2021 durch den Berichterstatter sind die Beigeladenen zu 1) und 2) gem. § 112c I 1 BRAO i.V.m. § 65 II VwGO von Amts wegen beigeladen worden. Nach Vorbefassung und Beratung des Senates hat der Berichterstatter mit Beschluss v. 30.4.2021 einen Hin- weis erteilt, dass der Senat vorläufig der Ansicht sei, dass dem Kl. wohl im Ergebnis Recht zu geben sei. Es käme eine rückwirkende Zulassung in Betracht, zumin- dest aber habe er einen Feststellungsanspruch in einem Umfang, der die Bekl. und die Beigeladenen verpflichte- te, den Kl. so zu behandeln, als wäre er v. 1.10.2017 bis zum 23.11.2017 als Syndikusrechtsanwalt zugelassen gewesen. Der Kl. stellt die Anträge: Den Bescheid der Bekl. v. 24.1.2018 aufzuheben und die Bekl. zu verurteilen, ihn für die Zeit v. 1.10. bis zum 23.11.2017 befristet als Syndikusrechtsanwalt zuzulas- sen, hilfsweise, unter Aufhebung des Bescheides v. 24.1. 2018 festzustellen, dass er für die Zeit v. 1.10.2017 bis zum 23.11.2017 befristet als Syndikusrechtsanwalt zu- zulassen war. Die Bekl. beantragt, „die Klage abzuweisen“. Die Beigeladene zu 1), die Deutsche Rentenversiche- rung Bund, beantragt, „die Klage abzuweisen“. Dies begründet die Beigeladene zu 1) u.a. unter Hin- weis auf den Gesetzeswortlaut des § 46a IV Nr. 2 BRAO n.F. sowie auf die Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 18/9251, 112). Danach sei eine rückwirkende Zulas- sung nicht möglich. Auch ein „wie auch immer gearte- ter“ Feststellungsanspruch liege nicht vor. Ein soge- nannter Fortsetzungsfeststellungsantrag analog § 113 I 4 VwGO käme mangels Erledigung des ablehnenden Verwaltungsaktes, den der streitgegenständliche Be- scheid der Bekl. darstelle, nicht in Betracht. Auch ein Feststellungsanspruch selbst, der die Beigeladene zu 1) verpflichten könne, den Kl. von der Rentenversiche- rungspflicht zu befreien, ließe sich von der vom Senat zi- tierten Rechtsprechung nicht entnehmen. Das Urteil des BGH (BGH, NJW-RR 2020, 1065) betreffe insofern einen anderen Sachverhalt, als im dort verhandelten Fall streitgegenständlich der Fortbestand einer bereits erteilten, bestandskräftig gewordenen Zulassung als Syndikusrechtsanwalt sei, während im hier vorliegen- den Fall eine Zulassung gerade nicht erteilt worden sei und auch nicht hätte erteilt werden dürfen. Es könne dahingestellt sein, ob eine Rechtsanwaltskammer be- fugt sei, gegenüber einem Syndikusrechtsanwaltsbe- werber durch Verwaltungsakt festzustellen, er habe in der Vergangenheit bis zur Beendigung der fraglichen Syndikustätigkeit einen Anspruch auf Zulassung ge- habt, da selbst in diesem Fall daraus nicht gefolgert werden könne, ein solcher Feststellungbescheid habe analog § 46a II BRAO Bindungswirkung gegenüber der Beigeladenen zu 1). Die Beigeladene zu 1) hat ihre Hilfsakte bezüglich des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Lübeck (S 6 R 424/17) übersandt. Diese ist vom Senat beigezogen worden. Der Beigeladene zu 2), das Schleswig-Holsteinische Versorgungswerk für Rechtsanwälte, stellt keinen eige- nen Antrag. Der Kl. sei seit dem 30.8.2001 aufgrund seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft satzungsge- mäß Pflichtmitglied im Schleswig-Holsteinischen Ver- sorgungswerk. Aufgrund der fehlenden Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenver- sicherung sei bezüglich der Angestelltentätigkeit bisher eine einkommensbezogene Beitragsfestsetzung analog den Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorgenommen worden. Eine einkommensbezoge- ne Beitragsfestsetzung sowie die entsprechenden Bei- tragszahlungen (Pflichtbeitrag zuzüglich freiwilligen Beitrags) erfolgten, so der Beigeladene zu 2), durch den Kl. hinsichtlich seiner selbstständigen anwaltlichen Tätigkeit in Höhe des jeweils geltenden Höchstbeitra- ges. AUS DEN GRÜNDEN: Die Klage ist zulässig und im tenorierten Umfang be- gründet. Die Klage ist nach §§ 112a I, 112b, 112c I 1 BRAO, §§ 74 II, 81 I, 82 I VwGO zulässig, sie ist insb. form- und fristgerecht eingereicht worden. Nach § 68 I 2 VwGO ist die Durchführung eines verwaltungsgericht- lichen Vorverfahrens nach Schleswig-Holsteinischem Landesrecht nicht vorgesehen, § 71 Landesjustizgesetz Schleswig-Holstein. Die Versagung der Zulassung als Syndikusrechtsanwalt ist auch regelmäßig mit einer Verpflichtungsklage, § 42 I VwGO, § 113 V VwGO, anzugreifen, zumal es sich bei der Zulassung um eine gebundene Entscheidung han- delt (AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 10.2.2017 – 1 AGH 20/2016, BeckRS 2017, 104646, Rn. 21; Offer- mann-Burkhart , NJW 2016, 113). Allerdings kommt in Übereinstimmung auch mit der Rechtsansicht der Beigeladenen zu 1) eine rückwirken- de Zulassung nicht in Betracht (so aber AGH Baden- Württemberg, Urt. v. 3.11.2017 – AGH 21/17 II, NJW 2018, 560). Maßgeblich ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, hier der Bekl. am 24.1. SYNDIKUSANWÄLTE BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 325
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