BRAK-Mitteilungen 5/2021
[7] Entscheidend für die Bemessung der angemessenen Vergütung mit einem Mehrfachen des danach ohnehin zu erhöhenden Minimums seien der Umfang und die Schwierigkeiten, die mit der Vertretertätigkeit verbun- den gewesen seien. Diese sei durch die hohe Anzahl von mehreren Zehntausend der von der Beigeladenen übernommenen Akten und durch Schwierigkeiten ge- prägt gewesen, die durch das in erheblichem Maße un- kooperative, ihre Tätigkeit sogar massiv behindernde Verhalten des Kl. begründet worden seien. Die Heran- ziehung der anderen Rechtsanwälte ihrer eigenen Kanz- lei sowie die Erteilung von Untervollmachten an weitere Rechtsanwälte seien zur Bewältigung der übertragenen Vertretungsaufgabe unumgänglich gewesen. Dies erge- be sich bereits daraus, dass die Beigeladene in der vor- gelegten Stundenauflistung nur für den von ihr selbst und ihren Sozien aufgebrachten Zeitaufwand einen Um- fang von mehr als 174 Stunden und damit etwa den mit einer Monatspauschale abzugeltenden Aufwand von 172 Stunden aufgelistet habe. Über diese durchschnitt- liche Arbeitszeit eines angestellten Rechtsanwalts hi- nausgehende überobligatorische Überstunden seien bei der Bestimmung einer angemessenen Vertreterver- gütung allerdings nicht zu berücksichtigen. [8] Im Abrechnungszeitraum habe für die Beigeladene zudem die erhebliche Schwierigkeit bestanden, dass sie zunächst nicht auf die Daten des EDV-Systems des Kl. habe zugreifen können und dafür eine einstweilige Ver- fügung des AG Se. habe erwirken müssen. Ebenso sei die Wahrnehmung ihrer Aufgaben durch die Kündigung der Mehrzahl der Mitarbeiter des Kl. massiv erschwert worden. Sie habe bei einem Wegfall von jedenfalls elf der vierzehn Mitarbeiter des Kl. nicht auf funktionieren- de Kanzleistrukturen zurückgreifen können, sondern sei unter Heranziehung weiterer Mitglieder ihrer Sozietät gezwungen gewesen, neue Strukturen zur Bewältigung der exorbitanten Masse der Verfahren zu schaffen. [9] Einfluss auf die Höhe der Vergütung hätten auch die aus dem Vorbringen der Parteien zum Verfahren AGH ersichtlichen weiteren Schwierigkeiten bei der Durch- führung der Vertretung, die aufgrund des unkooperati- ven Verhaltens des Kl. entstanden seien. Dies gelte so- wohl für die unzuverlässige Übermittlung von beim Kl. eingegangener Post an die Beigeladene als auch für Schreiben und E-Mails des Kl. an seine Mandanten, in denen er die Beigeladene bezichtigt habe, an der Fort- führung von Verfahren im Sinne der Mandanten kein In- teresse zu haben, und für Fälle, in denen die Beigelade- ne oder ihre Unterbevollmächtigten erst in Gerichtster- minen, an denen der Kl. in Begleitung anderer Rechts- anwälte teilgenommen habe, erfahren hätten, dass Mandanten des Kl. sich von der Beigeladenen nicht hat- ten vertreten lassen wollen. Dies habe der Kl. nicht in Abrede gestellt. [10] Schließlich sei ein Kanzleikostenanteil vergütungs- erhöhend zu berücksichtigen. Dabei gehe es nicht um Kanzleikosten, die die Beigeladene aufgewandt habe, um die Mandate des Kl. zu bearbeiten, sondern darum, dass die Beigeladene und ihre Sozien in dem Umfang, in dem sie mit der Vertretung des Kl. befasst gewesen seien, nicht in der Lage gewesen seien, aus eigenen Mandaten Einnahmen zur Deckung ihrer Kanzleikosten zu erwirtschaften. Der Kanzleikostenanteil sei bei der Bemessung der angemessenen Vertretervergütung zu berücksichtigen, da derjenige, der im Interesse der Mandanten des Vertretenen und der Gesamtheit der Rechtsanwälte eine Vertretung i.S.d. § 53 BRAO über- nehme, keine finanziellen Einbußen hinnehmen müsse. [11] Unerheblich für die Bestimmung der Höhe der an- gemessenen Vergütung der Beigeladenen sei es, in wel- chem Umfang oder in welcher Qualität sie oder unter- bevollmächtigte Mitglieder ihrer Sozietät Klageschrif- ten oder Widerspruchsbegründungen gefertigt hätten. Dass die Beigeladene in einer Mehrzahl von Fällen Frist- verlängerungs- oder Terminverlegungsanträge gestellt haben möge, entspreche angesichts der Schwierigkei- ten, die erforderlichen Informationen zu den jeweiligen Mandaten zu erhalten, einer sachgerechten Vertretung. [12] Bewerte man die zu berücksichtigenden Gesichts- punkte für die Bemessung der Vergütung für die Vertre- tung des Kl. durch die Beigeladene in einer Gesamt- schau, liege die von der Bekl. festgesetzte Vergütung im Rahmen dessen, was unter Berücksichtigung der wider- streitenden Interessen im Rahmen des § 53 X 5 BRAO als angemessen zu erachten sei. Dabei sei nicht zu ver- kennen, dass dieser Betrag dasjenige übersteigen mö- ge, was in der Kanzlei des Kl. zu erwirtschaften sei. Dies ändere jedoch nichts daran, dass die Vertretungsaufga- be angesichts der exorbitant hohen Anzahl von Fällen und der aufgetretenen Schwierigkeiten außergewöhn- lich sei, so dass auch unter Berücksichtigung der Inte- ressen des Kl. als Vertretener eine geringere Vergütung der Beigeladenen nicht zumutbar wäre. [13] Hiergegen wendet sich der Kl. mit der vom Senat zugelassenen Berufung. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen. [14] Der Kl. beantragt, das Urteil des Brandenburgi- schen AGH v. 15.7.2019 (AGH I 5/18) dahingehend ab- zuändern, dass der Bescheid der Bekl. v. 28.2.2018 in- soweit aufgehoben wird, als dort eine Gebühr von mehr als 6.000 Euro zuzüglich Umsatzsteuer, mithin von mehr als 7.140 Euro brutto festgesetzt wird. Die Bekl. und die Beigeladene beantragen, unter Aufrechterhal- tung des Urteils des Brandenburgischen AGH v. 15.7. 2019 (AGH I 5/18) die Berufung vollumfänglich zurück- zuweisen. [15] Die Bekl. und die Beigeladene verteidigen das an- gefochtene Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. [16] Der Senat hat die Beteiligten angehört und die Zeugen Ka. und A.W., K., S. , Me., Kä., Sch.und M. ver- nommen. Er hat die nach Schluss der mündlichen Ver- handlung eingegangenen, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Beigeladenen v. 6.5.2021 und der Bekl. v. 7.5.2021 zur Kenntnis genommen. ABWICKLUNG UND VERTRETUNG BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 5/2021 329
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