BRAK-Mitteilungen 6/2021

personenbezogenen Daten sind grundsätzlich sämtliche personenbezogenen Daten zu beauskunften. Dazu müssen auch interne Vermerke und Stellungnahmen, falls und soweit sie einen Personenbezug aufweisen, sowie diesbezügliche Kopien gezählt werden. Dem Grunde nach grenzt der Auskunftsanspruch damit tatsächlich an eine „pre-trial discovery light“, die aber auf Voraussetzungsseite an das Vorliegen von personenbezogenen oder -beziehbaren Daten gebunden ist. Begrenzt werden kann der Auskunftsanspruch nur im Rahmen der in der DSGVO unmittelbar vorgesehenen Einschränkungsgründe sowie durch jene, welche sich im nationalen Recht wiederfinden und auf einer Öffnungsklausel der DSGVO basieren. Einschränkungsgründe, die nicht auf einer Öffnungsklausel der DSGVO basieren, erscheinen angesichts des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts als nicht zulässig. V. GRENZEN DES AUSKUNFTSANSPRUCHS Die DSGVO und das BDSG enthalten mehrere Einschränkungen und Abwehrbestimmungen für das Recht auf Auskunft. 1. ART. 15 IV DSGVO Eine Beschränkung des Anspruchs auf Erhalt einer Kopie findet sich unmittelbar in Art. 15 IV DSGVO wieder. Danach dürfen hierdurch die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigt werden. Sofern die beanspruchten Informationen beispielsweise personenbezogene Daten Dritter beinhalten, kann hierin eine Grenze des Auskunftsanspruchs liegen.27 27 Vgl. auch (im konkreten Fall ablehnend) OLG Köln, Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75/18 Rn. 67. Ausweislich Erwägungsgrund 63 Satz 5 zur DSGVO fallen darüber hinaus auch Rechte am geistigen Eigentum und Geschäftsgeheimnisse unter die „Rechte Dritter“. Inwiefern diese Interessen das Auskunftsinteresse überwiegen, ist im Rahmen einer Grundrechtsabwägung zu ermitteln.28 28 Paal, in Paal/Pauly, 3. Aufl. 2021, Art. 15 DSGVO Rn. 41. Es besteht damit die Möglichkeit für den Anspruchsgegner, die Informationsherausgabe zu Zwecken der pre-trial discovery durch den Einwand möglicher entgegenstehender Rechte zu verhindern. 2. ERWÄGUNGSGRUND 63 SATZ 7 Schon nach Erwägungsgrund 63 Satz 7 zur DSGVO sollte ein Verantwortlicher, der große Mengen an Informationen über eine betroffene Person verarbeitet, verlangen können, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Information oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, bevor er ihr Auskunft erteilt. Dies ist als Ausfluss des Transparenzprinzips aus Art. 5 I lit. a DSGVO zu verstehen und soll gleichzeitig die „Überhäufung“ des Antragstellers mit einer schwerlich auszuwertenden Informationsmenge verhindern.29 29 Schmidt-Wudy, in BeckOK DatenschutzR, 37. Ed. 1.8.2021, Art. 15 DSGVO Rn. 52.2. Insofern bedarf es eines präzisen und inhaltlich bestimmten Auskunftsersuchens, so dass das Recht auf Auskunft bereits auf der Anfragenseite einer gewissen Beschränkung unterliegt, wie zuletzt auch das BAG festgestellt hat.30 30 BAG, Urt. v. 27.4.2021 – 2 AZR 342/20, NJW 2021, 2379 Rn. 18 ff.; ebenso LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18, Rn. 176. 3. RECHTSMISSBRÄUCHLICHES VERHALTEN Daneben stellt Art. 12 V 2 DSGVO klar, dass im Falle von offenkundig unbegründeten oder exzessiven Anträgen ein angemessenes Entgelt verlangt werden oder der Verantwortliche sich weigern kann, dem Antrag nachzukommen. Als Einschränkung eines grundrechtswahrenden Transparenzgrundsatzes sind die Hürden zur Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aber entsprechend hoch, was sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben nach Art. 8 II 1 GRCh i.V.m. Art. 5 I lit. a DSGVO ergibt.31 31 Vgl. ArbG Düsseldorf, Urt. v. 5.3.2020 – 9 Ca 6557/18 Rn. 74. Der Wortlaut der Norm und das dort genannte Beispiel der häufigen Antragswiederholung deuten bezüglich der Frage, was ein rechtsmissbräuchliches Verhalten ist, eher auf eine Überlastung der Ressourcen des Verantwortlichen hin. Ob hierunter ein Ausnutzen des Anspruches aus Art. 15 DSGVO zu Zwecken der pre-trial discovery fallen kann, muss bezweifelt werden. In diesem Zusammenhang ist auch die obige Entscheidung des VG Schwerin beachtenswert: Die beklagte Behörde war der Auffassung, dass der Anspruchssteller sein Auskunftsrecht zur Ausforschung zwecks Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs nutzen wollte, was rechtsmissbräuchlich gewesen sei.32 32 VG Schwerin, Urt. v. 29.4.2021 – 1 A 1343/19 SN Rn. 6. Dem entgegnete das VG Schwerin, dass ein neben der datenschutzrechtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle bestehender Zweck (hier die Vorbereitung eines Rechtsstreits zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen) noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs begründet. Die Beweggründe eines Auskunftsersuchens sind nicht offenzulegen und somit nicht in eine Abwägung einzubeziehen, eine Nutzung der betreffenden Daten zur Vorbereitung eines Rechtstreits oder zur Verbesserung seiner Position sei damit unschädlich.33 33 VG Schwerin, Urt. v. 29.4.2021 – 1 A 1343/19 SN Rn. 80. Die gleiche Auffassung vertreten das LG Dresden, Urt. v. 29.5.2020 – 6 O 76/20 Rn. 10 und das AG Bonn, Urt. v. 30.7.2020 – 118 C 315/19 Rn. 18. Hierbei zitiert das VG Schwerin auch das LG Köln, das aus den gleichen Gründen einen Streit über den Einzug des pre-trial discovery in die EU-Rechtsordnung über den Umweg über das Datenschutzrecht gar für „müßig“ hält.34 34 LG Köln, Urt. v. 11.11.2020 – 23 O 172/19, ZD 2021, 213 Rn. 20. Über die Frage eines Vorliegens eines Rechtsmissbrauchs an sich hinaus folgt jedenfalls aus Art. 12 V 3 DSGVO, dass den Verantwortlichen die Beweislast hinsichtlich der missbräuchlichen Inanspruchnahme durch offensichtlich unbegründete oder exzessiv gestellte Anträge seitens des Betroffenen trifft.35 35 Greve, in Sydow, Europäische Datenschutzgrundverordnung, 2. Aufl. 2018, Rn. 29. Eine GeltendmaAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 351

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