BRAK-Mitteilungen 6/2021

beider Rechtsgebiete widersprechen sich. Das wird an zwei Punkten sichtbar:1 1 Zu diesem Befund Wagner, BRAK-Mitt. 2019, 167, 169; auch Zuck, in Gaier/Wolf/ Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 43a BRAO/§ 2 BORA Rn. 51; Brisch, BRAK-Magazin 5/2018, 14, 15. 1. VERSCHWIEGENHEIT VERSUS DATENSCHUTZRECHTLICHE INFORMATIONSPFLICHTEN a) UNTERSCHIEDLICHE ZIELE BEIDER REGELUNGEN Der Anwalt ist nach § 43a II BRAO und § 2 I BORA zur Verschwiegenheit verpflichtet. Diese Verpflichtung gilt als „core value“ der Anwaltschaft; sie ist durch § 203 StGB strafrechtlich abgesichert. Der Anwalt muss sich bei der Ausübung seines Berufs aber auch an das Datenschutzrecht halten.2 2 Gelegentlich war vor dem Inkrafttreten der DSGVO zu hören, dass die datenschutzrechtlichen Regelungen des BDSG zumindest im Mandatsverhältnis nicht gelten sollten, eingehend hierzu Rüpke, AnwBl. 2003, 19 ff.; s. zum Verhältnis beider Rechtsgebiete auch Schöttle, AnwBl. 2005, 740 ff.; Wagner, BRAK-Mitt. 2019, 167, 170; Schöttle, BRAK-Mitt. 2018, 120; Gasteyer, AnwBl. 2019, 557, 558. Der Anwendungsbereich des Datenschutzrechts ist in Art. 3 DSGVO festgelegt. Auch auf Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte sind die Regelungen der DSGVO anwendbar; eine Bereichsausnahme besteht nicht. Anders als die nach dem anwaltlichen Berufsrecht geltende Verschwiegenheitspflicht zielt das Datenschutzrecht auf Transparenz. Das ist in Art. 5 I 1 a DSGVO festgehalten; dort ist das Transparenzgebot als einer der tragenden Grundsätze für die Datenverarbeitung genannt. Personenbezogene Daten müssen in einer für den Betroffenen nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden. Dieses Transparenzgebot ist in den Art. 12 ff. DSGVO und Art. 34 DSGVO konkretisiert. Der Verantwortliche ist hiernach insbesondere verpflichtet, den Betroffenen ungefragt darüber zu informieren, welche personenbezogenen Daten er von ihm wie verarbeitet. Aus Perspektive des Anwalts ist das nachvollziehbar, soweit er die personenbezogenen Daten seines Mandanten verarbeitet. Seinen Mandanten muss er selbstverständlich darüber unterrichten, was mit seinen Daten geschieht. Allerdings widerspricht das datenschutzrechtliche Transparenzgebot der Pflicht des Anwalts zur Verschwiegenheit offenkundig dann, wenn es darum geht, die Daten des Gegners oder anderer Personen, die am Mandat beteiligt sind, zu verarbeiten.3 3 Zu diesem Konflikt s. Henssler, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl. 2019, § 2 BORA Rn. 20; Wagner, BRAK-Mitt. 2019, 167, 169 f.; s. auch Zuck, in Gaier/Wolf/Göcken (Fn. 1), § 43a BRAO/§ 2 BORA Rn. 17, der davon spricht, das Verhältnis beider Rechtsmaterien sei nach wie vor „ungeklärt“; Greve, in Auernhammer, DSGVO/ BDSG, 5. Aufl. 2017, Art. 90 DSGVO Rn. 6 ff. Es ist weder sachgerecht noch sinnvoll, wenn der Anwalt den Gegner oder Dritte darüber informieren müsste, welche personenbezogenen Daten bei ihm wie genutzt werden. Die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts will den Mandanten gerade vor einem solchen Informationsfluss schützen. b) AUSNAHME- UND KOLLISIONSREGELUNGEN Der Gesetzgeber hat das Problem gesehen. Die datenschutzrechtlichen Regelungen lösen den Widerspruch zugunsten der Anwaltschaft auf, allerdings nur teilweise überzeugend.4 4 Henssler, in Henssler/Prütting (Fn. 3), § 2 BORA Rn. 20; Wagner, BRAK-Mitt. 2019, 167, 169 f. aa) ART. 14 V LIT. D DSGVO Der Anwalt ist nach Art. 14 V lit. d DSGVO nicht verpflichtet, Dritte zu informieren, wenn die personenbezogenen Daten einem Berufsgeheimnis unterfallen und daher vertraulich behandelt werden müssen. Das klingt erst einmal gut. Der Anwalt ist aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht ein „Berufsgeheimnisträger“. Seine Verschwiegenheitspflichten nach § 43a II 2 BRAO umfasst alles, was dem Anwalt in Ausübung seines Berufs bekannt geworden ist.5 5 Henssler, in Henssler/Prütting (Fn. 3), § 43a Rn. 43; Weyland/Träger, BRAO, 10. Aufl. 2020, § 43a Rn. 16. Damit unterfallen grundsätzlich auch die personenbezogenen Daten des Gegners oder anderer Personen, die neben dem Mandanten in das Mandat involviert sind, der Verschwiegenheitspflicht.6 6 Interessant in diesem Zusammenhang Gola/Franck, DSGVO, 2. Aufl. 2018, Art. 14 DSGVO Rn. 25. Dieser Grundsatz kennt jedoch Ausnahmen. Die Verschwiegenheitspflicht nach § 43a II 3 BRAO gilt nicht für Tatsachen, die offenkundig sind oder die ihrer Bedeutung nach keiner Geheimhaltung bedürfen. Mehr noch: Wenn die über Dritte erlangten Informationen die Interessen des Mandanten nicht berühren, sollen sie nach weit überwiegender Meinung nicht unter die Verschwiegenheitspflicht des § 43a II BRAO fallen.7 7 Henssler, in Henssler/Prütting (Fn. 3), § 43a BORA Rn. 49 m.w.N. zur h.M.; a.A. OLG Köln, 4.7.2000 – Ss 254/00, NJW 2000, 3656, 3657. Solche sog. Drittgeheimnisse muss der Anwalt nicht vertraulich behandeln. Das kann aber Folgen für die datenschutzrechtliche Perspektive haben: Es kann im Einzelfall sein, dass die personenbezogenen Daten des Gegners Drittgeheimnisse sind und damit gar nicht unter das „Berufsgeheimnis“ fallen. Muss der Anwalt dann den Dritten darüber informieren, dass er dessen Daten verarbeitet? Zudem ist allein der Mandant „Herr des Geheimnisses“. Er ist befugt, den Anwalt von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden.8 8 Henssler, in Henssler/Prütting (Fn. 3), § 43a BORA Rn. 62 ff. Wenn der Mandant auf die Verschwiegenheitspflicht des Anwalts verzichtet, ließe sich ebenfalls argumentieren, dass die Ausnahmeregelung des Art. 14 V lit. d DSGVO nicht mehr eingreift. Insgesamt bleibt damit die Frage, ob die Ausnahmevorschrift den Rechtsanwalt tatsächlich ausreichend schützt, wenn er mit der Pflichtenkollision aus Datenschutzrecht und Berufsrecht zu kämpfen hat.9 9 S. auch Veil, in Gierschmann/Schlender/Stentzel/Veil, DSGVO, 2018, Art. 13 und 14 DSGVO Rn. 149 ff., 152, der ausdrückliche Ausnahmen für BerufsgeheimnisträSCHUMACHER, DATENSCHUTZRECHT UND ANWALTLICHES BERUFSRECHT BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 AUFSÄTZE 354

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