ger fordert. Vgl. aber andererseits BT-Drs. 18/11325, 100, der deutsche Gesetzgeber ging anscheinend davon aus, dass bereits Art. 14 V lit. d der DSGVO gewährleiste, dass Berufsgeheimnisträger Dritte nicht informieren müssen. bb) § 1 II 3 BDSG Auch Regelungen im neugefassten BDSG beantworten die Frage des Verhältnisses des Datenschutzrechts zum anwaltlichen Berufsrecht nicht zweifelsfrei: Das neue BDSG enthält in § 1 II 3 BDSG eine bekannte Kollisionsnorm. Diese fordert sehr pragmatisch, aber wenig praxistauglich:10 10 So Henssler, in Henssler/Prütting (Fn. 3), § 2 BORA Rn. 20. Gesetzliche Geheimhaltungspflichten und sogar Berufsgeheimnisse, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleiben unberührt. Hiermit lässt sich durchaus begründen, dass die Verschwiegenheitspflicht vorrangig gilt, wenn sie mit datenschutzrechtlichen Pflichten kollidiert.11 11 Schmidt, in Taeger/Gabel, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2019, § 1 BDSG Rn. 21; Träger, in Weyland (Fn. 5), § 43a BRAO Rn. 12a.; Gasteyer, AnwBl. 2019, 557, 558; zurückhaltender Zuck, in Gaier/Wolf/Göcken (Fn. 1), § 43a BRAO/§ 2 BORA Rn. 17. Allerdings bleibt der Begriff „unberührt“ in § 1 II 3 BDSG vage. Die Norm legt nicht deutlich fest, was für den Anwalt im Konfliktfall gelten soll: Datenschutzrechtliche Pflichten oder seine Verschwiegenheitspflicht. Zudem befassen sich weder die BRAO noch die BORA mit der Verarbeitung von personenbezogenen Daten. Es ist daher fraglich, wann genau die in § 1 II 3 BDSG festgehaltene Priorität des spezielleren Gesetzes zugunsten des Anwalts durchschlägt.12 12 Zuck, in Gaier/Wolf/Göcken (Fn. 1), § 43a BRAO/§ 2 BORA Rn. 17. Gänzlich verwirrend wird es aber, wenn man sich § 2 V BORA ansieht. § 2 BORA konkretisiert die Verschwiegenheitspflicht aus § 43a II BRAO auf Satzungsebene.13 13 Henssler, in Henssler/Prütting (Fn. 3), § 2 BORA Rn. 1. Dort erscheint die in § 1 II 3 BDSG angedachte Subsidiarität des Datenschutzrechts in ganz umgekehrter Richtung.14 14 Henssler, in Henssler/Prütting (Fn. 3), § 2 BORA Rn. 20. § 2 V BORA regelt: Die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten bleiben unberührt. Mit anderen Worten: Die Verschwiegenheitspflicht setzt das Datenschutzrecht gerade nicht außer Kraft. Was soll nun gelten? cc) § 29 I 1 BDSG Auch ein weiterer Ausnahmetatbestand hilft dem Anwalt nur bedingt. Nach § 29 I 1 und 2 BDSG gelten die Informations- und Auskunftspflichten aus den Art. 14 f. DSGVO nicht, soweit durch ihre Erfüllung Informationen offenbart würden, die ihrem Wesen nach, insb. wegen der überwiegenden berechtigten Interessen eines Dritten, geheim gehalten werden müssen. Diese Regelung in § 29 I BDSG ist damit ebenfalls ein Anknüpfungspunkt, um den Anwalt davon zu befreien, den Gegner seines Mandaten zu informieren. Doch auch bei dieser Regelung bleibt ein Unbehagen aus anwaltlicher Sicht:15 15 Wagner, BRAK-Mitt. 2019, 167, 169 f. Der Anwalt ist Vertreter seines Mandanten. Dieser darf darauf vertrauen, dass sein Anwalt den Gegner in derselben Sache nicht vertreten oder beraten darf. Das in § 356 StGB, § 43a IV BRAO und § 3 BORA niedergelegte Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen ist wie die Verschwiegenheitspflicht ein „core value“ anwaltlicher Tätigkeit.16 16 Henssler, in Henssler/Prütting (Fn. 3), § 43a BORA Rn. 161 ff., 165a, der das Verbot widerstreitender Interessen zutreffend als „praktisch wichtigste Berufspflicht“ bezeichnet. Damit ist an sich a priori kein Raum dafür, dass der Anwalt die Interessen seines Mandanten gegenüber den Interessen des Gegners abwägen kann, um dann gegebenenfalls den Gegner zu informieren. Mithin zeigt auch § 29 I 1 BDSG: Überzeugend gelöst ist die Pflichtenkollision aus Berufs- und Datenschutzrecht nicht. c) INFORMATIONSPFLICHTEN BEI DATENSCHUTZPANNEN Vor allem im Fall von Datenschutzpannen zeigt sich das Dilemma der Pflichtenkollision: Der Anwalt ist unter Umständen nach Art. 33 f. DSGVO verpflichtet, bei Datenschutzpannen den Gegner seines Mandanten und die Datenschutz-Aufsicht zu kontaktieren. Gerade die Meldung nach Art. 33 DSGVO gegenüber der Datenschutzaufsicht ist problematisch; denn die Aufsichtsbehörden können nach Art. 34 DSGVO anordnen, dass der Anwalt dann wiederum den Gegner seines Mandanten über die Datenschutzpanne informiert. Auch hier sucht § 29 I 3 und 4 BDSG einen Ausweg: Die Informationspflicht bei Datenschutzpannen soll nicht bestehen, wenn die berechtigten Interessen des Mandanten eine Geheimhaltung fordern. Hier gilt das oben Gesagte. Die Interessen des Mandanten müssen für den Anwalt per se vorgehen, und nicht erst als Ergebnis einer Abwägung.17 17 S. hierzu Uwer, in Beck-OK Datenschutzrecht, § 29 BDSG Rn. 18, der in die Abwägung einstellen will, dass das Berufsgeheimnis nach § 1 II 3 BDSG Vorrang vor den datenschutzrechtlichen Regelungen hat. Wie gesagt: Der Anwalt ist aufgrund seiner Verschwiegenheitspflicht und des Verbots widerstreitender Interessen gehalten, den Gegner gerade nicht zu informieren. Er darf ausschließlich seinen Mandanten vertreten und muss Informationen aus dem Mandatsverhältnis vom Gegner abschirmen – das muss auch im Fall von Datenschutzpannen gelten. d) ERGEBNIS Insgesamt zeigt sich: Die berufsrechtliche Verschwiegenheitspflicht passt nicht wirklich gut zu den Regelungen des Datenschutzrechts. Der Gesetzgeber hat dieses Problem gesehen und in mehreren Regelungen versucht, die Widersprüche auszugleichen. Diese Regelungen geben dem Anwalt zwar Argumente an die Hand, um zu begründen, dass seine anwaltlichen Pflichten im Kollisionsfall etwaigen datenschutzrechtlichen Pflichten vorgehen. Insgesamt bleibt aber der Eindruck: Wirklich gut aufeinander abgestimmt sind die Regelungen nicht. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 355
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