1937 (unter teilweiser Aufhebung des Gesetzes vom 7.4.1933) wurden im gesamten Reich vor allem Rechtsanwälte für ihr „rückhaltloses Eintreten für den nationalsozialistischen Staat“ zu Justizräten ernannt. Insbesondere im Jahr 1939 kam es anlässlich des 50. Geburtstages Hitlers zu einer massenhaften Ernennung von linientreuen Rechtsanwälten zu Justizräten. Erst im Jahr 1957 wurde das Gesetz förmlich aufgehoben.2 2 Vgl. § 17 Nr. 1 des Gesetzes über Titel, Orden und Ehrenzeichen vom 26.11.1957, BGBl. 1957 I, 844. Die Aufhebung erfolgte jedoch ausdrücklich nur „als Bundesrecht“. Im Saarland gilt eine auf Grundlage des Gesetzes erlassene Verordnung nach wie vor als Landesrecht fort.3 3 Zuletzt geändert durch Art. 1 VO v. 17.11.2015, ABl. 2015 I, 886. Beruft man sich im Saarland auf eine aus der NS-Zeit stammende Rechtsverordnung, so fehlt es in Rheinland-Pfalz jedenfalls nach Auskunft der Staatskanzlei gänzlich an einer Rechtsgrundlage für die Ernennung von Justizräten. Die Befugnis zur Ernennung von Justizräten obliege der Ministerpräsidentin bzw. dem Ministerpräsidenten aufgrund seiner „Stellung als Staatsoberhaupt“. Das Fehlen einer gesetzlichen Grundlage unterscheidet den Justizratstitel von Ehrenzeichen wie dem Verdienstorden der BRD („Bundesverdienstkreuz“). II. ART. 18 II VERFASSUNG RHEINLAND-PFALZ Während Art. 17 II der Verfassung Rheinland-Pfalz bestimmt, dass die willkürliche Begünstigung oder Benachteiligung von Einzelpersonen und Personengruppen den Organen der Gesetzgebung ebenso wie der Rechtsprechung und der Verwaltung untersagt sind, bestimmt Art. 18 II konkret: „Titel dürfen nur verliehen werden, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen. Akademische Grade fallen nicht unter dieses Verbot.“ Die Regelung entspricht nahezu wörtlich Art. 109 IV der Weimarer Reichsverfassung. Zumindest der zweite Satz („... unter dieses Verbot“) macht deutlich, dass es sich bei Satz 1 um ein von Verfassung wegen vorgegebenes Verbot der Titelverleihung handelt. Damit ist nachvollziehbar, warum man in RheinlandPfalz sehr darum bemüht ist, den Titel als Berufsbezeichnung zu deklarieren oder zumindest in die Nähe einer solchen zu rücken, denn die Verleihung des Titels wäre nur dann mit der Verfassung zu vereinbaren, wenn es sich um ein Amt oder einen Beruf handelt. Da es aber keinen Beruf „Justizrat“ gibt, wirken die entsprechenden Formulierungen gekünstelt. Die seinerzeit zuständige „Referentin Orden und Ehrenzeichen“ der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz (nicht etwa „Referentin für Berufsbezeichnungen“) hat auf eine entsprechende Anfrage im Jahr 2017 wie folgt geantwortet: „Bei der Ernennung von Justizräten bzw. Justizrätinnen handelt es sich um die Verleihung einer besonderen berufsbezogenen Auszeichnung gemäß Art. 18 II der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz, zu der die Ministerpräsidentin bzw. der Ministerpräsident aus der Stellung als Staatsoberhaupt heraus befugt ist.“ Bereits im Januar 2016 hat der damalige Chef der Staatskanzlei dieselbe Formulierung verwendet. Es scheint somit die offizielle Lesart der Staatskanzlei zu sein, hier von einer „berufsbezogenen“ Auszeichnung auszugehen und dies noch mit dem Zusatz „gemäß Art 18 II der Verfassung des Landes Rheinland-Pfalz“ zu legitimieren. III. WAHRNEHMUNG IM ÜBRIGEN BUNDESGEBIET In einem auffälligen Gegensatz zu den Bemühungen innerhalb von Rheinland-Pfalz steht die Wahrnehmung des Justizratstitels in anderen Bundesländern (soweit er dort überhaupt wahrgenommen wird). Während sich die Staatskanzlei in Rheinland-Pfalz sehr darum bemüht, den Justizratstitel weg von dem Ehrentitel in die Nähe einer Berufsbezeichnung („berufsbezogene Auszeichnung“) zu bringen, hat etwa die Bundesnotarkammer ihre nach § 78 I Nr. 5 BNotO erlassenen Richtlinienbestimmungen geändert und dabei unter anderem in Ziff. VII. Auftreten des Notars in der Öffentlichkeit und Werbung die Ziff. 2.1 wie folgt angepasst: alte Fassung Fassung gemäß Beschluss vom 2.10.2020 2.1. Der Notar darf im Zusammenhang mit seiner Amtsbezeichnung akademische Grade, den Titel Justizrat und denProfessortitel führen. 2.1. Der Notar darf im Zusammenhang mit seiner Amtsbezeichnung akademische Grade, den Ehrentitel Justizrat und den Professorentitel führen. Ein Geschäftsführer der Bundesrechtsanwaltskammer hat in der 5. Sitzung des Ausschusses 2 der 7. Satzungsversammlung vom 9.7.2021 geäußert, dass es sich bei dem Justizratstitel um nichts anderes handele, als um einen „Verdienstorden“. In einem Schreiben vom 26.7. 2021 spricht er ebenfalls von dem „Ehrentitel Justizrat“, verbunden mit dem Hinweis darauf, dass der Petent wegen seines langjährigen ehrenamtlichen Engagements für die Geschichte der deutschen Anwaltschaft den JRTitel längst verdient hätte.“ Der Petent – es handelte sich um den Vorsitzenden des Forums Anwaltsgeschichte – hatte sich bereits vor Jahren kritisch mit der Verleihung des Justizratstitels auseinandergesetzt und sowohl auf die rechtlichen Bedenken als auch auf die Praxis der Titelverleihung in der NS-Zeit hingewiesen.4 4 Krach, Das Titelunwesen, myops 33/2018, 75 ff. IV. BERUFSRECHTLICHE REGELUNGSKOMPETENZ UND REGELUNGSBEDARF Es ist nicht Aufgabe der Satzungsversammlung, sich allgemein mit den Fragen zu befassen, was wohl von einer BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 AUFSÄTZE 364
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