Der AGH verwies dabei zunächst auf die Rechtsprechung des BGH,8 8 BGH, BRAK-Mitt. 2013, 181; BGH, NJW-RR 2014, 1083. wonach die Fortbildung nach Ablauf eines Kalenderjahrs nicht mehr nachgeholt werden könne, da sich der Rechtsanwalt für ein vergangenes Kalenderjahr nicht mehr fortbilden kann. Lediglich im Rahmen der von der Rechtsanwaltskammer zu treffenden Ermessensentscheidung über den Widerruf der Befugnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung sei zu berücksichtigen, ob der Fachanwalt im Folgejahr ein „erhöhtes Fortbildungskontingent“ nachgewiesen habe. Ergäben sich keine besonderen Gründe, die den Verstoß gegen die Fortbildungspflicht entschuldigten, so sei hinsichtlich der Widerrufsentscheidung sogar von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen. In dem vom AGH Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Fall fehlten jegliche Anhaltspunkte für Erwägungen, aufgrund „nachgeholter“ Fortbildungen ausnahmsweise von einem Widerruf der Erlaubnis abzusehen. Hatte die frühere Fachanwältin in dem vom AGH Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Fall die Anforderungen des § 15 III FAO noch deutlich verfehlt, so lag der Entscheidung des AGH Nordrhein-Westfalen vom 30.8.20219 9 AGH Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.8.2021 – 1 AGH 19/21, BeckRS 2021, 26178. ein Fall zugrunde, in dem eine langjährige Fachanwältin für Steuerrecht die ihr obliegende Fortbildungsverpflichtung tatsächlich vollständig erfüllt, jedoch nicht vollständig nachgewiesen hatte. Daraufhin widerrief die Rechtsanwaltskammer die Befugnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung und hob ihre Entscheidung erst auf, als die Klägerin im Klageverfahren einen Schriftsatz vorlegte, in dem sie nachwies, dass sie im fraglichen Kalenderjahr ihrer Fortbildungsverpflichtung überobligatorisch nachgekommen war. Dies führte zu einer Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache. Der AGH hatte folglich nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Im Rahmen dieser Entscheidung wies der AGH jedoch ausdrücklich darauf hin, dass der Widerrufsbescheid der Rechtsanwaltskammer zum Zeitpunkt seines Erlasses nicht rechtswidrig gewesen sei, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht nachgewiesen habe, dass sie ihre Fortbildungsverpflichtung hinreichend erfüllt hatte. Die Entscheidung des AGH Nordrhein-Westfalen macht daher deutlich, dass neben der Bestimmung des § 15 III 3 FAO auch die Bestimmung des § 15 V 1 FAO sehr ernst genommen werden muss, wenn die Befugnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung erhalten werden soll. Danach ist die Erfüllung der Fortbildungspflicht der Rechtsanwaltskammer durch Bescheinigungen oder andere geeignete Unterlagen unaufgefordert nachzuweisen. Gegenstand einer weiteren Entscheidung des AGH Nordrhein-Westfalen10 10 AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 13.11.2020 – 1 AGH 14/20, NJOZ 2021, 732. war ein Widerruf der Berechtigung zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung für gewerblichen Rechtsschutz durch einen Fachanwalt, der die Erfüllung seiner Fortbildungspflicht unter Verweis auf eigene dozierende Tätigkeit nachweisen wollte, wobei die vorgelegten Nachweise aus Sicht der Rechtsanwaltskammer den Anforderungen des § 15 FAO nicht genügten. Die gegen den Widerrufsbescheid erhobene Anfechtungsklage des Klägers blieb vor dem AGH erfolglos. So stellte der AGH zunächst darauf ab, dass Anknüpfungspunkt für einen Widerruf der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung nicht die fehlerhafte Nachweisführung der Fortbildungspflicht, sondern das Unterlassen der vorgeschriebenen Fortbildung in dem jeweiligen Kalenderjahr selbst sei. Hier habe der Kläger den notwendigen Nachweis nicht erbracht, da die von ihm vorgelegten Bescheinigungen nicht so aussagekräftig gewesen seien, dass sie den Kammervorstand in die Lage versetzt hätten, ohne Einholung weiterer Informationen festzustellen, ob der vorlegende Fachanwalt seiner Fortbildungspflicht genügt habe. Aus der vorzulegenden Bescheinigung müsse sich zwingend der Name des Dozenten, das Thema und die Dauer des Vortrages sowie Zeit und Ort der Veranstaltung ergeben. Ein Mangel der vorgelegten Bescheinigungen könne auch nicht durch eine konkretisierende Eigenerklärung ausgeglichen werden. Schließlich seien Zeiten einer Nachbereitung von Lehr- oder Vortragsveranstaltungen aufgrund des Wortlauts der Vorschrift des § 15 I 3 FAO nicht zu berücksichtigen. Vorbereitungszeit könne allenfalls im Umfang von einer halben Stunde je Lehrveranstaltung von 90 Minuten Berücksichtigung finden, zumal es sich bei den Studierenden der Lehrveranstaltungen des Klägers nicht um Juristen gehandelt habe. Schließlich hat der AGH noch beanstandet, dass bei Vortragsveranstaltungen auch Unterbrechungen in Gestalt von Kaffee- und/oder Mittagspausen in Abzug gebracht werden müssten. Die Entscheidung des AGH Nordrhein-Westfalen lässt eine sehr enge Auslegung insb. der Bestimmung des § 15 I 3 FAO erkennen. Hohe Anforderungen stellt der AGH auch an die Präzision der nach § 15 V 1 FAO vorzulegenden Bescheinigungen. ENGEL, DIE ENTWICKLUNG DES FACHANWALTSRECHTS IM JAHR 2021 AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 369
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