abgelehnt. Wenn es um Rechtsfortbildung geht, also um eine höchstrichterlich noch nicht oder andererseits schon vor längerer Zeit entschiedene Rechtsfrage, die aktuell kontrovers diskutiert wird, wird man nach den vom BGH aufgestellten Grundsätzen keine objektive Aussichtslosigkeit annehmen können. Von einer Risikobelehrung, die auch entsprechend dokumentiert werden sollte, enthebt dies den Anwalt gleichwohl nicht. (hg) FRISTEN beA: AKTIVE NUTZUNGSPFLICHT 1. Unzulässigkeit eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz wegen Nichtbeachtung der seit dem 1.1.2021 geltenden Formvorschriften zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs. 2. Zulässige Dateiformate sind gem. § 5 ERVV nur PDF- oder TIFF-Dateien, nicht Word. SG Bremen, Beschl. v. 14.6.2021 – S 23 AS 677/21 ER Die Antragstellerin hatte den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 27.5.2021 per Fax und zugleich als Word-Datei über das beA im Sozialgericht Bremen eingereicht. Das Gericht wies sie darauf hin, dass der Antrag nicht den seit dem 1.1.2021 geltenden Formvorschriften entsprechen dürfte. Die Antragstellerin reagierte hierauf nicht. Der PKH-Antrag wurde folgerichtig als unzulässig abgelehnt. Wenn – wie bereits seit dem 1.1. dieses Jahres in Bremen – eine aktive Nutzungspflicht gesetzlich vorgesehen ist, muss man sie eben beachten. Faxen ging daher gar nicht mehr, beim beA sind die Dateiformate zu beachten. Damit muss sich jetzt jeder Rechtsanwalt und jede Rechtsanwältin befassen – ab dem 1.1.2022 bundesweit. (ju) beA: AUSSAGEKRÄFTIGE DATEINAMEN BENUTZEN 1. Ein Berufungskläger, der sein Verlängerungsgesuch auf Erschwernisse infolge der Corona-Pandemie stützt, darf regelmäßig ohne Nachfrage bei dem Berufungsgericht davon ausgehen, dass seinem Antrag entsprochen wird. 2. Vor der Versendung eines fristgebundenen Schriftsatzes über das besondere elektronische Anwaltspostfach ist durch Organisationsanweisung sicherzustellen, dass der Schriftsatz mit einem die hinreichende Individualisierung ermöglichenden Dateinamen versehen und die Prüfung des Sendevorgangs auf den Ausschluss von Dateiverwechslungen erstreckt wird. Die bloße Kontrolle von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung auf technische Übermittlungsfehler reicht insofern nicht aus. OLG Dresden, Beschl. v. 1.6.2021 – 4 U 351/21, NJW 2021, 2665 Eine erste Fristverlängerung ist zwar kein „Selbstläufer“, man muss das Gesuch schon begründen; allerdings ist die Rechtsprechung damit schon immer großzügig gewesen, und es reicht auch beispielsweise eine „unvorhergesehene und vorübergehende“ Arbeitsüberlastung des Prozessbevollmächtigten. Die erschwerte Kontaktaufnahme mit dem Mandanten infolge der Corona-Pandemie hat das OLG auch ohne weiteres anerkannt. Allerdings ging der Fristverlängerungsantrag nicht vor Fristablauf bei Gericht ein. Stattdessen ließ sich anhand des beA-Prüfprotokolls nachvollziehen, dass – wohl versehentlich – falsche Dokumente angehängt wurden. Die Dateinamen lauteten „Scan00005872.pdf“ bzw. „Scan00005872.pdf.p7s“. Das OLG weist darauf hin, dass gegenüber dem herkömmlichen Faxversand erhöhte Kontrollanforderungen bestehen: Dort werde das Original des Schriftsatzes händisch in das Telefax-Gerät eingelegt, was eine Verwechslung bei einfacher Sichtkontrolle sicher ausschließe. Hingegen erfolgt bei der Versendung über das beA die Dateiauswahl durch bloßen „Mausklick“ aus einer Vielzahl von Dateien und auch der elektronischen Eingangsbestätigung des Gerichts ist keine über die Zuordnung zu einem bestimmten Verfahren hinausgehende Individualisierung der übermittelten Datei zu entnehmen. Daher müsse der Rechtsanwalt durch eine Organisationsanweisung oder durch konkrete Einzelanweisung sicherstellen, dass jeder fristgebundene Schriftsatz mit einem diese Individualisierung ermöglichenden Dateinamen versehen wird, der später anhand von Prüfprotokoll und Eingangsbestätigung die Kontrolle auf Fehlversendungen ermöglicht. (ju) beA: AUSGANGSKONTROLLE 1. Es gehört zu den Pflichten eines Rechtsanwalts, durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Bei einer Übersendung solcher Schriftsätze über das beA hat stets eine Ausgangskontrolle dergestalt stattzufinden, dass der Versandvorgang über die automatisierte Eingangsbestätigung des Gerichts gem. § 46c V 2 ArbGG (entspricht § 130a V 2 ZPO) überprüft wird. 2. Eine Ausgangskontrolle durch telefonische Rücksprache bei Gericht ist einer Überprüfung anhand der elektronischen Eingangsbestätigung nicht gleichwertig. Dies gilt jedenfalls dann, wenn am selben Tag mehrere Schriftsätze in derselben Rechtssache eingereicht wurden. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 1.9.2021 – 4 Sa 63/20 Die verspätet nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 4 KSchG erhobene Kündigungsschutzklage wurde nicht gem. § 5 I KSchG nachträglich zugelassen. Der Prozessbevollmächtigte hatte nicht, wie es die Rechtsprechung fordert, die Friststreichung davon abhängig gemacht, dass eine elektronische Eingangsbestätigung vorlag. Er hatte lediglich zur Kontrolle in der elektronischen Akte der Anwaltssoftware nachgeschaut, wo die BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 AUFSÄTZE 372
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