Ausgeschiedener = neues Mitglied Nachwahl kein „neues Mitglied“ sei (ebenso Weyland, BRAO, § 69 Rn. 6 sowie Gaier/Wolf/Göcken, § 69 Rn. 11 mit Verweis auf die Kommentierung bei Weyland), trifft dies schon deshalb nicht zu, weil dieser Terminus keine konkrete natürliche Person bezeichnet, sondern lediglich das durch die letzte Wahl „frisch“ gewählte Mitglied. Ein „neues Mitglied“ ist demzufolge nicht notwendig eine andere natürliche Person als diejenige, die den Posten vor der Wahl innehatte und – aus welchem Grund auch immer – aus dem fraglichen Gremium ausgeschieden ist. Dieses Verständnis ergibt sich auch aus der Formulierung von Art. 39 I 2 GG, der das Ende einer Wahlperiode auf den Zeitpunkt des Zusammentritts des „neuen Bundestages“ bestimmt. In diesem „neuen Bundestag“ aber befinden sich, wie allgemein bekannt ist, auch Personen, die bereits dem Bundestag der vorhergehenden Legislaturperiode angehört haben. Sie wurden durch ihre Wiederwahl „neue“ Mitglieder. Gleiches gilt für ein Vorstandsmitglied; auch dieses wird allein durch seine Wiederwahl zum „neuen Mitglied“ i.S.d. § 68 III 1 BRAO. Im Übrigen wurde die Nachwahl im vorliegenden Fall in einem einheitlichen und untrennbaren Abstimmungsvorgang mit der turnusmäßigen Neuwahl durchgeführt, so dass die allein auf den Regelungen zur Nachwahl beruhende Auslegung nicht greifen kann. Auch aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt sich kein anderes Verständnis des § 69 III 1 BRAO. Soweit der BGH in seinem Beschluss v. 8.2.2010 (AnwZ (Brfg) 80, 112/09, BeckRS 2010, 10579 Rn. 25) Ausführungen zu § 69 III BRAO macht, betreffen diese den Fall, dass Mitglieder des Kammervorstands zur Herstellung des gesetzlich vorgeschriebenen zweijährigen Wahlturnus vorzeitig aus dem Amt ausscheiden. Hier hält der BGH es für möglich, dass die in § 69 III 1 BRAO vorgesehene unmittelbare Ersetzung der vorzeitig ausgeschiedenen Mitglieder unterbleibt. Eine Auseinandersetzung mit der hier entscheidungserheblichen Frage, ob die Ersetzung durch die zuvor ausgeschiedenen und im Rahmen einer Nachwahl neu gewählten Mitglieder erfolgen kann, enthält diese Entscheidung nicht. (b) Soweit die Bekl. darauf hinweist, dass die Entscheidung, das Vorstandsamt niederzulegen, nicht widerruflich sei, trifft dies zwar zu. Eine Kandidatur des vorzeitig ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds bei der Nachwahl bezüglich des durch sein Ausscheiden frei gewordenen Vorstandspostens stellt allerdings keinen Widerruf der Niederlegung dar (so aber Weyland, BRAO, § 69 Rn. 6 sowie Gaier/Wolf/Göcken, § 69 Rn. 11 mit Verweis auf die Kommentierung bei Weyland). Denn das Ausscheiden aus dem Vorstand wird nicht – erneute Kandidatur ist kein Widerruf der Niederlegung wie im Fall eines Widerrufs – einseitig vom ausgeschiedenen Mitglied dadurch beseitigt, dass er für eine Nachwahl kandidiert, sondern – falls das vormals ausgeschiedene Mitglied bei der Nachwahl die Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen kann – durch die von sämtlichen Mitgliedern der RAK zu treffende Wahlentscheidung. Dass Gründe der Rechtssicherheit, die die Unwiderruflichkeit der Niederlegungserklärung bedingen (vgl. BTDrs. 3/120, 85 „zu § 82“), auch einem Antritt des ausgeschiedenen Kandidaten bei der Nachwahl entgegenstehen würden, scheidet aus. Denn das formalisierte Wahlverfahren bietet die Gewähr dafür, dass die sich durch eine Wahl ergebende Zusammensetzung des Kammervorstands jederzeit transparent und eindeutig ist. (c) Ebenfalls keine Grundlage findet die Ansicht der Bekl., dass das vorzeitig ausgeschiedene Vorstandsmitglied für die gesamte Zeit der Amtsperiode des aufgegebenen Sitzes für die Wahl zum Vorstand „gesperrt“ sei, d.h. auch für eine anstehende turnusgemäße Neuwahl. Soweit die Bekl. zur Begründung darauf hinweist, dass § 69 I Nr. 1 und 2 BRAO bestimmt, dass das Mitglied im Fall der Amtsniederlegung „als Mitglied des Vorstands ausscheidet“, regelt diese Bestimmung schon nicht die Voraussetzungen für eine Kandidatur für Wahlen zum Kammervorstand, sondern betrifft allein die Rechtsfolgen einer vorzeitigen Amtsniederlegung. Angesichts des Schweregrads der Sanktion, die im Entzug des passiven Wahlrechts liegt, ist für eine erweiternde Auslegung der Vorschrift ersichtlich kein Raum (vgl. AGH Hamburg, II ZU 5/10, BeckRS 2011, 141032). Dies verkennt die Auffassung der Bekl., dass ein Gleichlauf zwischen der in § 69 I Nr. 2 BRAO genannten Amtsniederlegung und den zwingend zum Ausschluss der Wählbarkeit führenden Ausscheidensgründen des § 69 I Nr. 1 BRAO herzustellen sei ebenso wie die Argumentation des Beigeladenen zu 10., dass sich der Ausschluss der Wählbarkeit aus § 67 BRAO herleiten lasse. Dass durch das vom Senat vertretene Verständnis der Norm Sinn und Zweck der vierjährigen Wahlperiode mit zweijährigen Wahlzyklen und die Kontinuität der Vorstandsarbeit unterminiert würde oder gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße, vermag der Senat nicht zu erkennen. Vielmehr bleibt der Wahlturnus auch im Fall einer Kandidatur eines vorzeitig ausgeschiedenen Mitglieds weiterhin in Kraft. Außerhalb der in den §§ 65, 66 BRAO geregelten Voraussetzungen der Wählbarkeit steht es nicht dem Wahlvorstand der Kammer, sondern allein den Wahlberechtigten zu, darüber zu entscheiden, ob ein Vorstandsmitglied, das sein Amt niedergelegt hat, bei einer Nachwahl oder turnusgemäßen Neuwahl erneut als Mitglied des Vorstands gewählt wird. Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Mitglied, das sein Amt niedergelegt hat, und den übrigen Vorstandsmitgliedern stellen ersichtlich keinen Grund für den Ausschluss der Wählbarkeit des vorzeitig ausgeschiedenen Mitglieds dar. b) Der nicht vom Gesetz gedeckte Ausschluss des Kl. von der Teilnahme an der Neu- und Nachwahl für den Wahlbezirk Landgerichtsbezirk München I führt zur Ungültigkeit der Neu- und Nachwahl für diesen Wahlbezirk. BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 386
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