RECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ ZULÄSSIGER VERTRAGSDOKUMENTENGENERATOR – SMARTLAW RDG §§ 2 I, 3; UWG § 3a 1. Die Erstellung eines Vertragsentwurfs mithilfe eines digitalen Rechtsdokumentengenerators, bei dem anhand von Fragen und vom Nutzer auszuwählenden Antworten standardisierte Vertragsklauseln abgerufen werden, stellt keine Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 I RDG dar. * 2. Durch die Erzeugung des vom Anwender gewünschten Dokuments wird der den Vertragsdokumentengenerator vertreibende Verlag nicht in einer konkreten Angelegenheit tätig. Eine als Rechtsdienstleistung einzuordnende Tätigkeit muss auf einen konkreten Sachverhalt gerichtet sein. Die Generierung des Dokuments erfolgt nicht auf der Grundlage eines von einer bestimmten Person unterbreiteten konkreten Sachverhalts. * 3. Auch die Vielzahl der Antworten des Nutzers auf die standardisierten Fragen bewirkt nicht, dass der erstellte Vertrag auf seinen konkreten Fall zugeschnitten ist. BGH, Urt. v. 9.9.2021 – I ZR 113/20 AUS DEM TATBESTAND: [1] Die Kl. ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk H. Ihr obliegt die Wahrung und Förderung der beruflichen Belange ihrer Mitglieder. Die Bekl. ist ein Verlag, der schwerpunktmäßig in den Bereichen Recht, Wirtschaft und Steuern tätig ist. [2] Die Bekl. stellt im Internet unter der Bezeichnung „smartlaw“ einen elektronischen Generator zur Erstellung von Verträgen und anderen Rechtsdokumenten in verschiedenen Rechtsgebieten bereit, die Unternehmen und Verbraucher im Rahmen eines Abonnements oder im Wege des Einzelkaufs erwerben können. Hierzu werden dem Kunden Fragen zum Gegenstand, zum gewünschten Inhalt und zur beabsichtigten Reichweite des Dokuments gestellt, die überwiegend anhand von zur Auswahl gestellten Angaben und teils offen zu beantworten sind. Neben der jeweiligen Frage ist eine Erläuterung der verwendeten Rechtsbegriffe oder zur rechtlichen Bedeutung der Frage eingeblendet. Mithilfe einer von der Bekl. programmierten Software werden anhand der Antworten Vertragsklauseln oder Textpassagen generiert, aus denen ein individueller Vertragsentwurf erstellt wird. Im Anschluss an das erstellte Dokument erteilt die Bekl. jedenfalls teilweise Hinweise und Empfehlungen zur richtigen und sicheren Verwendung des Dokuments. Die Bekl. hat die Frage-Antwort-Systeme und die Textbausteine in Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten entwickelt. [3] Die Kl. macht geltend, die Bekl. verstoße durch die elektronische Bereitstellung auf die Kundenwünsche zugeschnittener Vertragsdokumente gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Sie hat beantragt, die Bekl. unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, geschäftlich handelnd entgeltlich und selbstständig Dritten gegenüber ohne entsprechende Erlaubnis außergerichtlich Rechtsdienstleistungen zu erbringen, anzubieten und/oder zu bewerben, indem sie für Dritte durch einen digitalen Rechtsdokumentengenerator auf Grundlage eines Frage-Antwort-Systems aus einer Sammlung alternativer Textbausteine individuelle Rechtsdokumente erstellt, wie geschehen unter www.smartlaw.de und aus den Anlagen K 5 bis K 8 ersichtlich. [Es folgen Internetausdrucke, die knapp 30 Eingabeschritte zur Erzeugung eines neun Paragrafen umfassenden „Content-Lizenzvertrags“ sowie knapp 40 Eingabeschritte zur Erzeugung eines neun Paragrafen umfassenden „Grafikdesignervertrags“ zeigen.] [4] Die Kl. hat die Bekl. ferner auf Unterlassung bestimmter Werbeaussagen in Anspruch genommen, in denen sie eine unzulässige qualitative Gleichstellung der durch den Generator „smartlaw“ erzeugten Rechtsdokumente mit anwaltlichen Dienstleistungen gesehen hat. [5] Das LG hat die Bekl. antragsgemäß verurteilt (LG Köln, MMR 2020, 56). Dagegen hat die Bekl. Berufung eingelegt. Im Verlauf des Berufungsverfahrens hat sie das Rechtsmittel zurückgenommen, soweit sie zur Unterlassung der Werbeaussagen verurteilt worden ist. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, soweit sie gegen die Erstellung von Vertragsdokumenten gehrt die Kl. mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Bekl. beantragt, die Revision zurückzuweisen. AUS DEN GRÜNDEN: [6] A. Das Berufungsgericht hat einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Kl. verneint, weil die Bekl. mit dem Angebot des digitalen Rechtsdokumentengenerators nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck von § 2 I RDG unter Berücksichtigung des Willens des Gesetzgebers keine erlaubnispflichtige Rechtsdienstleistung erbringe. Dazu hat es ausgeführt: [7] Die Tätigkeit der Bekl. bestehe in der Entwicklung und Bereitstellung des Computerprogramms. Sie beziehe sich nicht auf eine konkrete Angelegenheit, sondern auf eine Vielzahl denkbarer Fälle. Soweit der Nutzer das abstrakte Dienstleistungsangebot der Bekl. durch die Inanspruchnahme des Rechtsdokumentengenerators in einen konkreten Einzelfall überführe, handele es sich um eine eigenverantwortliche Tätigkeit des Anwenders zur Erledigung seiner eigenen Rechtsangelegenheiten. Die Tätigkeit des Nutzers in eigener Sache sei der Bekl. mangels Begründung einer Gefahr im Schutzbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes nicht als Tätigkeit in BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 396
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