BRAK-Mitteilungen 6/2021

einer konkreten fremden Angelegenheit zurechenbar. Durch das automatisierte Verfahren werde der Rechtsuchende nicht der Gefahr einer unqualifizierten Rechtsberatung ausgesetzt. Das zur Anwendung kommende Computerprogramm nehme für den Nutzer erkennbar keine Rechtsprüfung vor, sondern füge mithilfe des festgelegten Frage-Antwort-Schemas einen Sachverhalt in ein vorgegebenes Raster ein und kombiniere vorgegebene Textbausteine anhand von logisch-schematischen Verknüpfungen. Für eine enge Auslegung des Begriffs der Rechtsdienstleistung spreche der Wille des Gesetzgebers, das neu gestaltete Recht der außergerichtlichen Rechtsdienstleistungen zu liberalisieren und die Entwicklung neuer Berufsbilder zu erlauben. [8] B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Kl. hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Kl. von der Bekl. die Unterlassung der Erstellung von Vertragsentwürfen mithilfe des digitalen Rechtsdokumentengenerators „smartlaw“ nicht verlangen kann. [9] I. Die Klage ist zulässig. [10] 1. Das Berufungsgericht hat die Kl. zu Recht als klagebefugt angesehen. Sie ist als berufsständische Vertretung der Rechtsanwälte im Bezirk des Oberlandesgerichts H. gem. § 8 III Nr. 2 UWG (in der bis zum 30.11. 2021 geltenden Fassung) befugt, den Unterlassungsanspruch aus § 8 I UWG wegen Verstoßes gegen §§ 3 I, 3a UWG geltend zu machen (vgl. BGH, Urt. v. 31.3.2016 – I ZR 88/15, GRUR 2016, 1189 Rn. 13 = WRP 2016, 1232 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; Urt. v. 11.2.2021 – I ZR 227/19, GRUR 2021, 758 Rn. 11 = WRP 2021, 610 – Rechtsberatung durch Architektin). [11] 2. Der Unterlassungsantrag genügt den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 II Nr. 2 ZPO. [12] a) Nach § 253 II Nr. 2 ZPO darf ein Unterlassungsantrag – und nach § 313 I Nr. 4 ZPO eine darauf beruhende Verurteilung – nicht derart undeutlich gefasst sein, dass der Streitgegenstand und der Umfang der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht klar umrissen sind, der Bekl. sich deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und im Ergebnis dem Vollstreckungsgericht die Entscheidung darüber überlassen bleibt, was dem Bekl. verboten ist. Die Bestimmtheit der Klageanträge ist auch im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen (BGH, Urt. v. 12.3.2020 – I ZR 126/18, BGHZ 225, 59 Rn. 38 f. – WarnWetter-App; Urt. v. 11.2. 2021 – I ZR 126/19, GRUR 2021, 746 Rn. 16 f. = WRP 2021, 604 – Dr. Z.; Urt. v. 25.3.2021 – I ZR 37/20, GRUR 2021, 971 Rn. 14 f. = WRP 2021, 904 – myboshi). Der Gebrauch auslegungsbedürftiger Begriffe im Klageantrag zur Bezeichnung der zu untersagenden Handlung genügt, wenn über ihren Sinngehalt zwischen den Parteien kein Streit besteht und objektive Maßstäbe zur Abgrenzung vorliegen, oder wenn der Kl. den auslegungsbedürftigen Begriff hinreichend konkret umschreibt und gegebenenfalls mit Beispielen unterlegt oder sein Begehren an der konkreten Verletzungshandlung ausrichtet (BGH, Urt. v. 4.11.2010 – I ZR 118/09, GRUR 2011, 539 Rn. 13 = WRP 2011, 742 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; Urt. v. 23.9.2015 – I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201 Rn. 42 = WRP 2015, 1487 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; Urt. v. 6.10. 2016 – I ZR 25/15, GRUR 2017, 266 Rn. 29 = WRP 2017, 320 – World of Warcraft I). [13] b) Nach diesen Grundsätzen ist der Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt. Die Kl. hat den auslegungsbedürftigen Begriff der „Rechtsdienstleistungen“ im Klageantrag dahin konkretisiert, dass sie darunter die Erstellung individueller Rechtsdokumente durch einen digitalen Generator anhand eines Frage-Antwort-Systems und zugeordneter Textbausteine fasst. Dabei hat sie die Funktionsweise des Rechtsdokumentengenerators durch die Bezugnahme auf Internetausdrucke veranschaulicht, die die Schritte zur Erzeugung eines „Content-Lizenzvertrags“ für Bild und/oder Film und eines „Grafikdesignervertrags“ zeigen. Ergänzend hat sie in der Revisionsverhandlung klargestellt, dass sich ihr Unterlassungsbegehren gegen die Erstellung von Verträgen wie die als konkrete Verletzungsformen eingeblendeten Dokumente und nicht gegen die Erzeugung jedweden Rechtsdokuments wie etwa auch einer Rechnung, einer Handelsregisteranmeldung oder einer Vermieterbescheinigung richtet. Hierdurch hat die Kl. das zu verbietende Verhalten ausreichend konkret beschrieben. [14] II. Die Klage ist unbegründet. Der Kl. steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I 1, 3 I, 3a UWG nicht zu, weil die Bekl. durch die Erzeugung von Vertragsdokumenten mithilfe des digitalen Generators „smartlaw“ nicht gegen das gesetzliche Verbot zur Erbringung unerlaubter Rechtsdienstleistungen in § 3 RDG verstößt. [15] 1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Verstoß gegen § 3 RDG einen Unterlassungsanspruch aus §§ 8 I 1, 3 I, 3a UWG begründen kann. Dem steht nicht entgegen, dass nach Art. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken diejenigen Vorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken vollständig harmonisiert werden sollen, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen. Nach Art. 3 VIII der Richtlinie 2005/29/EG bleiben alle spezifischen Regeln für reglementierte Berufe unberührt, damit die strengen Integritätsstandards gewährleistet bleiben, die die Mitgliedstaaten den in dem Beruf tätigen Personen nach Maßgabe des Unionsrechts auferlegen können. Dementsprechend ist die Anwendung des § 3a UWG auf berufsrechtliche Bestimmungen zulässig, die – wie die Vorschrift des § 3 RDG – das Marktverhalten in unionsrechtskonformer Weise regeln (BGH, GRUR 2011, 539 Rn. 23 – Rechtsberatung durch Lebensmittelchemiker; GRUR 2016, 1189 Rn. 17 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur; GRUR 2021, 758 Rn. 30 – Rechtsberatung durch Architektin). [16] 2. Gemäß § 3 RDG ist die selbstständige Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig, in dem sie durch das RechtsRECHTSDIENSTLEISTUNGSGESETZ BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 397

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