BRAK-Mitteilungen 6/2021

den, wenn sie unter Verletzung des Gesetzes oder der Satzung zustande gekommen sind. Dies ist vorliegend nicht der Fall. a) Die Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 hat ihre gesetzliche Grundlage in § 191b II 2 BRAO. Die dadurch geschaffene Möglichkeit, eine elektronische Wahl durchzuführen, wurde durch Gesetz v. 12.5.2017 (BGBl. I S. 1121) mit Wirkung v. 18.5.2017 eingeführt. Damit wurde einer Grundsatzentscheidung des BVerfG (2 BvC 3/07, 2 BvC 4/07, Urteil v. 3.3.2019, juris Rn. 132 = BVerfGE, 123, 39) Rechnung getragen, wonach der im Rechtsstaatsprinzip und im Demokratiegebot gem. Art. 38 GG i.V.m. Art. 20 I, II GG wurzelnde Parlamentsvorbehalt es gebiete, dass in grundlegenden normativen Bereichen, zumal im Bereich der Grundrechtsausübung, soweit dieser staatlicher Regelung zugänglich ist, die wesentlichen Entscheidungen vom Gesetzgeber getroffen werden müssen. Entgegen der Rechtsansicht des Kl. verstößt § 191b II 2 BRAO nicht gegen höherrangiges Recht, namentlich nicht gegen die allgemeinen Wahlgrundsätze des Art. 38 I GG i.V.m. Art. 20 I und II GG (ebenso Thüringer Oberverwaltungsgericht, Urt. v. 30.5.2013 – 1 N 240/ 12 – juris, Rn. 51 zu Einführung der elektronischen Wahl an einer Hochschule). Diese stehen einer elektronisch durchgeführten Wahl nicht entgegen. Auch die geringe Wahlbeteiligung von weniger als 10 % der Wahlberechtigten ändert hieran nichts. b) Die elektronische Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 hat nicht gegen die in § 191b II 1 BRAO i.V.m. der Wahlordnung der Bekl. geregelten Wahlgrundsätze der allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahl verstoßen. aa) Ohne Erfolg rügt der Kl., das zum Einsatz gekommene Online-Wahlsystem habe nicht die Möglichkeit vorgesehen, eine ungültige Stimme abzugeben. Tatsächlich bestand für jeden Wahlberechtigten die Möglichkeit, ungültig zu wählen. Die hierzu in der mündlichen Verhandlung v. 20.7.2021 ungültige Stimme konnte abgegeben werden vernommene Zeugen U. gab an, nach erfolgreicher Anmeldung sei dem Wahlberechtigten der Stimmzettel angezeigt worden, auf dem er seine Auswahl der Kandidaten habe treffen können. Am Ende des Stimmzettels sei ein Prüfungsbutton angebracht gewesen, so dass alle Kandidaten zur Kenntnis genommen werden konnten. Wurde dieser nach Auswahl betätigt, so habe das System überprüft, ob die Vorgaben für eine gültige Wahl eingehalten worden seien. Seien beispielsweise zu viele Stimmen oder gar keine Stimmen abgegeben worden, so sei es zu einer Fehlermeldung gekommen. Der Wahlberechtigte habe dann wieder zum Stimmzettel zurückgehen und seine Stimme korrigieren oder verbindlich abstimmen können. Somit sei auch die Abgabe ungültiger Stimmzettel möglich gewesen, wenn dies bewusst so gewollt gewesen sei. Es sei möglich gewesen, die bewusste Abgabe einer ungültigen Stimme vorzunehmen (Protokoll der mündlichen Verhandlung v. 20.7.2021, S. 4/5 = Bl. 84/85 d.A.). Der Senat hält die Aussage der Zeugin U. für schlüssig, in sich nachvollziehbar und glaubhaft. Sie steht zudem im Einklang mit dem von der Bekl. vorgelegten Screenshot (B 1), deren Richtigkeit der Kl. nicht bestritt (S. 5 des vorgenannten Protokolls = Bl. 85 d.A.). Durch die Aussage der glaubwürdigen Zeugin ist somit belegt, dass für jeden Wahlberechtigten die Möglichkeit bestanden hat, ungültig zu wählen. bb) Ein Verstoß gegen den Wahlgrundsatz der freien Kein Anspruch auf Stimmenthaltung Wahl ist auch nicht darin zu sehen, dass bei dem zum Einsatz gekommenen Online-Wahlsystem nicht die Möglichkeit bestanden hat, sich der Stimme zu enthalten. Ein Anspruch auf Einräumung der Möglichkeit zur Abgabe einer Neinstimme oder eine Stimmenthaltung lässt sich nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Grundsatz der Freiheit der Wahl nicht ableiten (BVerfG, Beschl. v. 24.9.2011 – 2 BvC 15/10, juris Rn. 6; BVerfG, Beschl. v. 18.10.2011 – 2 BvC 5/11, juris Rn. 6 = NVwZ 2012, 161). cc) Bei der Wahl zur 7. Satzungsversammlung 2019 wurde entgegen der Behauptung des Kl. dem Grundsatz der geheimen Wahl auch dadurch Rechnung getragen, dass das elektronische Wählerverzeichnis und die elektronische Urne getrennt wurden. Die in der mündlichen Verhandlung v. 20.7.2021 vernommene Zeugin U. gab an, das bei der Wahl verwendete Wahlsystem Polyas Core 2.2.3. sei vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert (B 2). Es bestehe aus drei Subsystemen, nämlich dem Wählerverzeichnis, der Wahlurne und dem Validator. Diese seien technisch unabhängig auf drei Servern installiert, würden aber ständig miteinander kommunizieren. Elektronische Sicherungssysteme hätten bei der vorliegenden Wahl dafür gesorgt, dass ein Versuch der Manipulation der drei Server sofort von den anderen Einheiten erkannt worden wäre. In einem solchen Fall wäre die Wahl sofort unterbrochen und der Vorgang untersucht worden. Der Wahlvorgang sei so abgelaufen: Der Wähler hätte sich mit seiner ID und seinem Passwort anmelden müssen. Dann sei vom Validator geprüft worden, ob sich der Anmeldende im Wählerverzeichnis befunden habe. Sei dies nicht der Fall gewesen, sei die Anmeldung zurückgewiesen worden. Bei berechtigter Anmeldung sei ein anonymisierter Token erstellt worden, mit dem der Wähler am weiteren Wahlprozess habe teilnehmen können. Anschließend sei dem Wahlberechtigten der Stimmzettel angezeigt worden, auf dem er seine Auswahl der Kandidaten habe treffen können. Habe der Wahlberechtigte verbindlich abgestimmt, hätte der Wähler eine Benachrichtigung erhalten, dass sein Stimmzettel jetzt in der Wahlurne abgelegt worden sei. Technisch habe der Validator mit der Wahlurne kommuniziert, welche Stimmen dort abgelegt worden seien. Anschließend sei der anonymisierte ToBRAK-MITTEILUNGEN 6/2021 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 404

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