erteilung bestimmt, welche Interessen zu vertreten sind.25 25 Henssler, in Henssler/Prütting, § 43a BRAO Rn. 172 ff.; ders., NJW 2001, 1521, 1522; ders., AnwBl. 2013, 668, 670 ff.; von Falkenhausen, in Hartung/Scharmer, BORA/FAO, 7. Aufl. 2020, § 3 BORA Rn. 77; Kleine-Cosack, BRAO, 8. Aufl. 2020, § 43a BRAO Rn. 197 ff., 202; Deckenbrock, Parteiverrat, Rn. 147 ff.; im Grds. auch Hirtz, NJW 2019, 2265, 2266 f. Der 4. Strafsenat des BGH hat insoweit jüngst überzeugend ausgeführt: „In verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten, bei denen die mit dem begehrten Rechtsschutz verfolgten Anliegen ausschließlich der Dispositionsbefugnis der Beteiligten unterliegen, kommt es für die Interessenbestimmung deshalb entscheidend auf die subjektive Zielsetzung der Partei an. Die Partei allein bestimmt, welche ihrer Belange sie im Verwaltungsprozess verwirklicht sehen will. Ohne Bedeutung ist demgegenüber die Einschätzung des Anwalts darüber, was aus seiner Sicht von den Parteibelangen vernünftigerweise vertretbar oder bestenfalls erreichbar erscheint. Denn anderenfalls dürfte sich der Anwalt, statt Sachverwalter seines Auftraggebers zu sein, zu dessen Richter aufwerfen.“26 26 BGH, Beschl. v. 21.11.2018 – 4 StR 15/18, BRAK-Mitt. 2019, 82 Rn. 15 = NJW 2019, 316 m. Anm. Deckenbrock; vgl. auch BGH, Urt. v. 7.10.1986 – 1 StR 519/ 86, BGHSt 34, 190, 192; NJW 1981, 1211, 1212; Urt. v. 13.7.1982 – 1 StR 245/ 82, NStZ 1982, 465, 466; Beschl. v. 4.2.2010 – IX ZR 190/07, BeckRS 2010, 04533 Rn. 4; Urt. v. 7.9.2017 – IX ZR 71/16, BRAK-Mitt. 2018, 31 Rn. 17; für eine objektive Bestimmung der Interessenlage dagegen BGH, Urt. v. 20.11.1952 – 4 StR 850/51, BGHSt 4, 80, 82; Urt. v. 2.2.1954 – 5 StR 590/53, BGHSt 5, 284, 287 ff.; Urt. v. 23.4.2012 – AnwZ (Brfg) 35/11 Rn. 10; BRAK-Mitt. 2012, 224 Rn. 10; Urt. v. 2.4.2020 – IX ZR 135/19, NJW 2020, 2407 Rn. 42 = BRAK-Mitt. 2020, 150 (Ls.). Dieses Ergebnis scheint auch der Gesetzgeber gebilligt zu haben, wenn er ausführt: „Bei der Beurteilung der Interessen muss die konkrete Einschätzung der betroffenen Mandantin oder des betroffenen Mandanten besonders berücksichtigt werden.“27 27 BT-Drs. 19/27670, 162. Im Ergebnis ist daher zu differenzieren: Der Mandant kann zwar darüber disponieren, wie seine Interessen zu bestimmen sind, nicht aber darüber, dass ein Anwalt trotz bestehenden Interessengegensatzes für die andere Partei tätig wird.28 28 Vgl. bereits Henssler/Deckenbrock, NJW 2012, 3265, 3269. Die in der Ausschussbegründung angesprochenen Zustimmungserklärungen sind (auch nach künftigem Recht) also nur relevant, wenn sie den Interessengleichlauf der beiden vom selben Anwalt vertretenen Mandanten dokumentieren. Im Grundsatz keine berufsrechtlichen Bedenken bestehen daher, wenn ein Anwalt im Auftrag mehrerer Parteien einen für alle „fairen“ Gesellschaftsvertrag entwirft. In diesem Fall nimmt er mit der Ausarbeitung eines Vertragsentwurfs im Auftrag beider Vertragspartner nur ein gemeinsames Interesse wahr.29 29 BGH, Urt. v. 20.6.1996 – IX ZR 106/95, NJW 1996, 2929, 2931; Beschl. v. 16.12. 2008 – IX ZR 229/08, BeckRS 2009, 04949 Rn. 4; a.A. aber Offermann-Burckart, AnwBl. 2022, 90, 94. Die Dynamik des subjektiven Interessenbegriffs bringt es allerdings mit sich, dass sich aufgrund einer Interessenänderung bei einem der gemeinsam vertretenen Mandanten aus einem Interessengleichlauf von jetzt auf gleich eine Interessenkollision entwickeln kann. Der Anwalt ist dann zur Niederlegung sämtlicher Mandate verpflichtet.30 30 BGH, Beschl. v. 21.11.2018 – 4 StR 15/18, BRAK-Mitt. 2019, 82 Rn. 16; Deckenbrock, NJW 2019, 318, 319. Letztendlich bedarf es daher bei der Beurteilung der Frage, ob ein berufsrechtliches Tätigkeitsverbot besteht, stets einer Einzelfallbeurteilung. Gerade mit Blick auf die Dynamik der Interessenlage dürfte es der Satzungsversammlung deshalb schwerfallen, typisierende Regelungen zu treffen. 2. FÄLLE GEMEINSCHAFTLICHER BERUFSAUSÜBUNG a) GRUNDSATZ DER SOZIETÄTSWEITEN ERSTRECKUNG aa) REGELUNG AUF DER EBENE DER BRAO Künftig wird die Frage, welche Auswirkungen das aus § 43a IV 1 BRAO n.F. folgende Tätigkeitsverbot für die gemeinschaftliche Berufsausübung betreffende Sachverhalte hat, bereits in der BRAO selbst geregelt (§ 43a IV 2 BRAO n.F.). Die gesetzliche Neufassung macht daher die bisherige Sozietätsklausel des § 3 II BORA überflüssig.31 31 SV-Mat. 37/2021, 2. Lediglich die Bürogemeinschaft wird in § 3 BORA n.F. noch angesprochen (dazu cc)). Das BVerfG hatte zwar bislang die Auslagerung der Erstreckungsnorm auf die Satzungsebene akzeptiert,32 32 BVerfG, Beschl. v. 20.6.2006 – 1 BvR 594/06, BRAK-Mitt. 2006, 170, 172. der Gesetzgeber musste sich gleichwohl nun für eine Neukonzeption entscheiden. Denn eine Erstreckung des Verbots auf berufsfremde Gesellschafter, wie sie in § 59d III BRAO n.F. vorgesehen ist, kann nicht durch Satzungsregelung getroffen werden.33 33 BT-Drs. 19/27670, 161 unter Verweis auf BGH, Beschl. v. 21.6.1999 – AnwZ (B) 89/98, NJW 1999, 2970. Zu beachten ist ferner, dass nach dem neuen Recht auch Berufsausübungsgesellschaften selbst an Berufspflichten gebunden sind.34 34 Dazu allg. Deckenbrock, DB 2021, 2200, 2204 f. Nach § 59e I BRAO n.F. gilt u.a. auch § 43a BRAO für Berufsausübungsgesellschaften sinngemäß. Die Berufsausübungsgesellschaft muss also sicherstellen, dass ihre Berufsträger das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen beachten.35 35 BT-Drs. 19/27670, 165. Den Begriff „sinngemäß“ wird man auf der anderen Seite aber so verstehen müssen, dass das Tätigkeitsverbot für die Gesellschaft selbst nicht weiter reicht als für ihre Angehörigen (vgl. auch die Klarstellung in § 43a IV 5 BRAO n.F.).36 36 In diese Richtung interpretiert auch Diller, AnwBl. Online 2021, 137 den Begriff „sinngemäß“. bb) SOZIETÄTSWECHSLERFÄLLE Zudem hat der Gesetzgeber sich – wie der Gesetzesbegründung zu entnehmen ist – auch der Sozietätswechslerfälle angenommen. War ein Anwalt in seiner früheren Berufsausübungsgesellschaft in die Mandatsbearbeitung eingebunden,37 37 Zum Begriff der Vorbefassung Hirtz, NJW 2019, 2265, 2268. trifft ihn ein persönliches Tätigkeitsverbot (§ 43a IV 1 BRAO n.F.), das nach seinem Wechsel (jeweils vorbehaltlich einer Zustimmung der betroffenen Mandanten, vgl. b)) nicht nur für die ihn abAUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 9
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