BRAK-Mitteilungen 1/2022

einen Partner der Sozietät in dessen Eigenschaft als Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter auftreten dürfen.“48 48 SV-Mat. 37/2021, 3. Die Neuregelung des § 3 III 2 BORA scheint auf den ersten Blick in der Tat dem zu entsprechen, was § 43a IV 2 BRAO n.F. ohnehin vorgibt. Denn diese Norm ordnet die Erstreckung des Tätigkeitsverbots auf alle „Rechtsanwälte, die ihren Beruf gemeinschaftlich mit einem Rechtsanwalt ausüben, der nach Satz 1 nicht tätig werden darf“ an, ohne dass sich aus ihr eine Differenzierung nach Art des zugrundeliegenden Mandats (Sozietäts- bzw. Einzelmandat) ergibt. Zu beachten ist allerdings, dass bei einem Einzelmandat kein Mandant den jeweils gegnerischen Anwalt als seinen Interessenvertreter ansehen und daher eine irgendwie geartete Loyalität erwarten kann. Im Übrigen folgt aus der Einzelmandatierung die Pflicht zur unbedingten Einhaltung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht und die damit verbundene Pflicht zur Errichtung vertraulichkeitssichernder Maßnahmen.49 49 Deckenbrock, Parteiverrat, Rn. 477, 636; ders., AnwBl. 2012, 594, 596; s. auch Henssler, in Henssler/Prütting, § 3 BORA Rn. 13. Stehen sich daher – was etwa in strafrechtlich ausgerichteten Kanzleien denkbar ist – zwei von verschiedenen Berufsträgern einer Berufsausübungsgemeinschaft verantwortete (kollidierende) Einzelmandate gegenüber, dürfte eine vergleichbare Situation wie in der Bürogemeinschaft gegeben sein, in der ab dem 1.8.2022 eine Erstreckung des Tätigkeitsverbots eben nicht mehr stattfinden wird. Vor diesem Hintergrund erscheint die Begründung eines Tätigkeitsverbots für solche Sachverhalte auf Satzungsebene fragwürdig. Ist dagegen eines der beiden Kollisionsmandate ein solches der Berufsausübungsgesellschaft, besteht – vorbehaltlich der Zustimmung der betroffenen Mandanten (dazu b)) – kein Zweifel an einem Tätigkeitsverbot. Denn aus dem von der Gesellschaft geführten Mandat folgt bekanntlich für alle Berufsträger ein persönliches Tätigkeitsverbot, im widerstreitenden Interesse tätig zu werden – bei eigener Vorbefassung unmittelbar aus § 43a IV 1 BRAO n.F., bei bloßer Mitverpflichtung aus § 43a IV 2 BRAO n.F. Man wird davon ausgehen können, dass die Satzungsversammlung bei Verabschiedung der Neuregelung des § 3 BORA n.F. in erster Linie diese Konstellation vor Augen hatte, den Fall zweier kollidierender Einzelmandate dagegen nicht hinreichend in den Blick genommen hat.50 50 S. aber den Einwand von Kindermann in der 2. Sitzung der 7. SV am 6.12.2021, vgl. SV-Mat. 02/2022, 16. ee) SONDERFALL: VORBEFASSUNG ALS REFERENDAR Die Neuregelung widmet sich auch der bislang umstrittenen51 51 Dazu Henssler, AnwBl. Online 2021, 51 ff. Frage, inwieweit die Vorbefassung als Rechtsreferendar ein Tätigkeitsverbot nach sich ziehen kann. Nach § 43a V 1 BRAO n.F. gilt das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen entsprechend für die Tätigkeit als Referendar im Vorbereitungsdienst im Rahmen der Ausbildung bei einem Rechtsanwalt. Damit hält der Gesetzgeber allein Tätigkeiten für relevant, die als Stationsreferendar i.S.d. § 59 BRAO erbracht werden. Denn nur der Stationsreferendar (Anwalts- und Wahlstation, vgl. § 5b DRiG) könne nach § 157 ZPO zur Untervertretung in einer Verhandlung ermächtigt werden. Ein Tätigkeitsverbot sei allerdings an die Voraussetzung gekoppelt, dass der Referendar auch tatsächlich in die anwaltliche Beratung oder Vertretung eingebunden und nicht lediglich mit wissenschaftlicher Recherche beauftragt werde.52 52 BT-Drs. 19/27670, 166. Vorbefassungen von Referendaren, die während ihres Vorbereitungsdiensts im Rahmen einer Nebentätigkeit bei dem Rechtsanwalt beschäftigt sind, unterfielen dagegen nicht § 43a V 1 BRAO n.F. Auch die Vorbefassung als wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Praktikant sei nicht unter § 43a V 1 BRAO n.F. zu subsumieren, weil diese Personen in einer Rechtsanwaltskanzlei nur für Hilfstätigkeiten eingesetzt würden.53 53 BT-Drs. 19/27670, 166. Soweit den Stationsreferendar ein persönliches Tätigkeitsverbot trifft, erfolgt allerdings keine Sozietätserstreckung (§ 43a V 2 BRAO n.F.). Der Gesetzgeber begründet dies nachvollziehbar damit, dass die Referendarausbildung zeitlich begrenzt ist, Stationsreferendare also anders als sonstige Berufsträger nicht Teil der Berufsausübungsgesellschaft sind. Vor allem sei diese Einschränkung mit Blick auf die Berufsfreiheit der Referendare geboten – denn eine solche Erstreckung könnte andernfalls dazu führen, dass dem Referendar der Berufseinstieg in einer anderen Berufsausübungsgesellschaft als der Ausbildungskanzlei infolge eines „Conflict Checks“ verwehrt wird.54 54 BT-Drs. 19/27670, 165. Dass die Differenzierung des Gesetzgebers zwischen Referendaren in der Anwaltsstation auf der einen sowie Referendaren in Nebentätigkeit und wissenschaftlichen Mitarbeitern auf der anderen Seite jedenfalls nicht immer der Realität entspricht, zeigt ein aktueller Beschluss des BGH, der eine Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit i.S.d. § 42 II ZPO zum Gegenstand hat. Nach dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ist ein Richter „während der Anwaltsstation seiner Referendarzeit sowie von März 2019 bis August 2019 promotionsbegleitend als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der von den Bekl. zu 2 und 4 im Streitfall mit der Prozessführung sowie darüber hinaus mit der anwaltlichen Vertretung in zahlreichen mit dem Streitfall in Sachzusammenhang stehenden Rechtsstreitigkeiten betrauten Rechtsanwaltskanzlei tätig gewesen.“55 55 BGH, Beschl. v. 21.9.2021 – KZB 16/21 Rn. 2 = BRAK-Mitt. 2022, 54 Ls.; dazu Deckenbrock/Lührig, AnwBl. 2022, 37 ff. Auch ansonsten wird ein Referendar, der während des gesamten Vorbereitungsdiensts bei ein und demselben Ausbilder tätig ist, während der eigentlichen Ausbildungsstation kaum anders eingesetzt werden als sonst. DECKENBROCK, EINIGE BEMERKUNGEN ZUR NEUFASSUNG VON § 3 BORA AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 11

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