BRAK-Mitteilungen 1/2022

GDPdU-konforme Selektion zwischen mandatsbezogenen und nicht mandatsbezogenen Buchungsdaten, folglich auch nicht die Anonymisierung der erstgenannten Datenkategorie.6 6 FG Nürnberg, Urt. v. 30.7.2009 – 6 K 1286/08 Rn. 28–32. Einzig möglich sei deshalb, bereits bei der Buchung von Geschäftsvorfällen selbst eine Selektion vorzunehmen (also mandatsbezogene Informationen nicht in die Buchhaltung aufzunehmen). Das ist teils recht gut umsetzbar (z.B. durch den sehr empfehlenswerten Verzicht auf Mandanten-Nennung im Buchungssatz, stattdessen Verwendung der Rechnungsnummer oder des Aktenzeichens). In einigen Bereichen ergeben sich aber Fehlerquellen (z.B. erschwerte oder völlig unmögliche Zuordnung des Buchungssatzes zum einzelnen Beleg), ggf. mit dem enormen Risiko, dass die Buchhaltung insgesamt wegen fehlender Ordnungsmäßigkeit und Prüfbarkeit durch die Finanzbehörde verworfen wird (mit der weiteren Folge einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen, regelmäßig zu Ungunsten des Steuerpflichtigen). Je nach Einzelfall kann also der verschwiegenheitspflichtige Anwalt gehindert sein, dem Finanzamt seine gesamte Buchhaltung zur elektronischen Auswertung bereitzustellen, weil diese Gesamtdaten (für den Anwalt mit zumutbaren Mitteln nicht vermeidbar) auch Mandatsinformationen enthalten. Dennoch wird in finanzgerichtlichen Entscheidungen7 7 Zunächst FG Nürnberg, Urt. v. 30.7.2009 – 6 K 1286/08 Rn. 51 mit dem bemerkenswert emotionalen Vorwurf an den klagenden Steuerberater, er könne „zulässige Prüfungshandlungen nicht blockieren“, wenn er „diesbezüglich seine Hausaufgaben nicht gemacht“ habe; in gleiche Richtung FG Baden-Württemberg, Urt. v. 7.11.2012 – 14 K 554/12 und v. 16.11.2011 – 4 K 4819/08. pauschal behauptet, es sei möglich, „bereits bei der Erfassung der Geschäftsvorfälle und der Erstellung der Belege die Trennung von geheimhaltungs- und verschwiegenheitspflichtigen Angaben von den steuer- und buchführungsrelevanten Daten herbeizuführen“. Der BFH hat – zunächst gestützt auf datenschutzrechtliche Überlegungen,8 8 BFH, Urt. v. 16.12.2014 – VIII R 52/12. nunmehr auch explizit mit Verweis auf den Schutz von Berufsgeheimnissen des Steuerpflichtigen9 9 BFH, Urt. v. 7.6.2021 – VIII R 24/18. (beide Fälle betreffend jeweils Steuerberater) – die Mitwirkungspflichten der Berufsgeheimnisträger (spiegelbildlich die Ermittlungsbefugnisse der Finanzbehörden) deutlich enger definiert und entschieden, dass – die Auswertung entsprechender Daten jedenfalls nur in den Räumen des Steuerpflichtigen oder an Amtsstelle (nicht z.B. auf dem Laptop eines Betriebsprüfers) erfolgen dürfe, und außerdem – eine weitergehende Speicherung der Daten durch die Finanzbehörde nur zulässig sei, soweit sie für Besteuerungszwecke benötigt wird. Insbesondere die letztgenannte Entscheidung aus dem vergangenen Jahr deutet vielleicht eine – begrüßenswerte – Trendwende an, nämlich eine genauere Befassung mit der Zumutbarkeit und tatsächlichen Möglichkeit digitaler „Absonderung“ mandatsbezogener Daten: Der Senat lässt10 10 BFH, Urt. v. 7.6.2021 – VIII R 24/18 Rn. 21 ausdrücklich offen, ob aus dem Recht des Berufsträgers zur Anonymisierung von Mandantendaten bei Unzumutbarkeit entsprechender Anonymisierung (wegen eines hohen Aufwandes) die Unverhältnismäßigkeit entsprechender Forderungen der Finanzverwaltung folgen könne. Die eingangs a) gestellte Frage wird also künftig vielleicht genauer und im Einzelfall geprüft. b) NACHTEILE FÜR DIE INFORMATIONS- UND PRÜFMÖGLICHKEITEN DER FINANZBEHÖRDE Der Respekt vor den gesetzlichen Regelungen und den dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Werten wird natürlich dann auf eine besonders harte Probe gestellt, wenn sich aus den eingeschränkten Mitwirkungspflichten des Anwalts echte Nachteile für die Informationsund Prüfmöglichkeiten der Finanzbehörde ergeben. aa) BEISPIEL BEWIRTUNGSKOSTEN Bei solchen Gelegenheiten hatte bisher leider häufig der Schutz des Berufs-(Mandats-)Geheimnisses das Nachsehen. Zeigen lässt sich das am – betraglich meist überschaubaren, offenbar aber bei Steuerpflichtigen und Finanzbehörden nicht emotionsfreien – Thema der „Bewirtungsbelege“:11 11 S. hierzu auch Minnerup, BRAK-Magazin 1/2022, 17. Für die (ohnehin nur teilweise) Berücksichtigung von Bewirtungskosten ist gem. § 4 V 1 Nr. 2 S. 2 EStG Voraussetzung, dass der Steuerpflichtige schriftlich „Ort, Tag, Teilnehmer und Anlass der Bewirtung“ dokumentiert. Es liegt auf der Hand, dass entsprechende Angaben (insbesondere hinsichtlich Anlass und Teilnehmern) bei Bewirtung von Mandanten gegen das Berufsgeheimnis verstoßen würden. Dem BFH-Urteil vom 6.2.200412 12 BFH, Urt. v. 26.2.2004 – IV R 50/01. – nach wie vor Orientierungspunkt der Finanzverwaltung für eine Verfahrensgestaltung zu Lasten der Berufsgeheimnisträger – lag zugrunde, dass ein Rechtsanwalt bei Bewirtungskosten Teilnehmer nicht benannte und den Bewirtungsanlass lediglich allgemein („Mandatsbesprechung“, „Akquisegespräch“, „Geschäftsessen“) umschrieb. Rechtlich ist zu beachten, dass bei § 4 EStG die Privilegien aus §§ 102, 104 AO nicht einschlägig sind. Der BFH hat deshalb in der vorstehenden Entscheidung seine Abwägungskriterien aus den gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Normen (anwaltliche Verschwiegenheitspflicht, Rechtsstaatsgewährung und Berufsfreiheit einerseits, gleichmäßige und zutreffende Besteuerung andererseits) bezogen. Zugunsten der Finanzbehörde gewichtete er dabei das Steuergeheimnis nach § 30 AO und dessen Strafbewehrung gem. § 355 StGB. Dieses Argument verliert allerdings an Kraft, je häufiger AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 17

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