BRAK-Mitteilungen 1/2022

DIE RECHTSPRECHUNG ZUR RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG IM JAHR 2021 RECHTSANWALT DR. CHRISTIAN VÖLKER* * Der Autor ist Fachanwalt für Versicherungsrecht, Mitglied im Ausschuss Versicherungsrecht der BRAK sowie des Komitees Versicherung des CCBE. Der Beitrag schließt an den Bericht in den BRAK-Mitt. 2021, 14 ff. an. Er gibt einen umfassenden Überblick über die seit dem Jahreswechsel 2020/21 veröffentlichte Rechtsprechung zur Rechtsschutzversicherung und ordnet diese ein.1 1 Soweit nachfolgend ohne nähere Konkretisierung auf ARB verwiesen wird, sind die ARB 2010 des GDV in Bezug genommen, an die die konkreten Gesellschafts-ARB noch immer überwiegend angelehnt sind. Von besonderem Interesse waren im Berichtszeitraum Entscheidungen des BGH zum Versuch eines Versicherers, durch eine geänderte Definition des Rechtsschutzfalls den Zustand vor „Erfindung“ und Fortentwicklung der Drei-Säulen-Theorie im Jahr 2008 wieder herzustellen sowie zur weiter festzustellenden Praxis von Rechtsschutzversicherern, sich nach verlorenen Verfahren wegen des Kostenschadens an Anwälten schadlos zu halten. Weiterhin sind einige interessante Entscheidungen zu in der Praxis relevanten Ausschlussklauseln ergangen. I. FORMEN DES VERSICHERUNGSSCHUTZES Einen weiteren Mosaikstein zum insgesamt nicht ganz einheitlichen Bild der Antwort auf die Frage, ob Deckungsstreitigkeiten eines Selbstständigen mit seinem Berufsunfähigkeits- oder Krankentagegeldversicherer dem versicherten privaten oder dem nicht versicherten beruflichen Bereich zuzuordnen sind, lieferte das OLG Hamm.2 2 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 12.10.2021 – 20 U 199/21, beck-online Rn. 20. Es schloss sich zunächst der insoweit wohl überwiegenden Literaturansicht und Instanzrechtsprechung3 3 Vgl. etwa die Nachweise bei Münkel, in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 4. Aufl. 2020, § 23 ARB 2010 Rn. 3 bzw. Völker, BRAK-Mitt. 2017, 9. an, wonach grundsätzlich Deckung zu gewähren sei, weil eine solche Versicherung nach ihrer typischen Konzeption der Sicherung des privaten Lebensstandards diene und es demzufolge an einem ausreichenden inneren, sachlichen Zusammenhang von nicht nur untergeordneter Bedeutung mit der beruflichen Tätigkeit fehle.4 4 Ähnlich, aber im Kontext einer AGB-rechtlichen Prüfung und § 310 III BGB der BGH im Beschl. v. 6.7.2011 – IV ZR 217/09, Rn. 20. Sei die Versicherung aber, wie in dem dort vorliegenden Fall, so konzipiert, dass das versicherte Risiko ein Betriebsunterbrechungsschaden im Gefolge vollständiger Arbeitsunfähigkeit des Versicherten sei, und die Leistungen nicht als Fixum, sondern in Abhängigkeit von den konkreten Umständen des Betriebs als Ausgleich des durch den Inhaberausfall geminderten Ertrags erbracht würden, liege der erforderliche Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit vor und es bestehe kein Versicherungsschutz. II. INHALT DER VERSICHERUNG 1. AUSSCHLUSSKLAUSELN a) „STREITIGKEITEN AUS KAPITALANLAGEGESCHÄFTEN ALLER ART“ Obwohl nach den ARB Streitigkeiten „im Zusammenhang [...] mit Kapitalanlagegeschäften aller Art“ ausgeschlossen waren, gewährte das LG Düsseldorf5 5 Vgl. LG Düsseldorf, Urt. v. 15.4.2021 – 9 S 38/19, Rn. 31 ff. Rechtsschutzdeckung im Kontext der Insolvenz der P&R-Gruppe. Es griff dabei das von seinem Berufungsgericht6 6 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 20.10.2017 – 4 U 232/15 und Völker, BRAK-Mitt. 2019, 9 (10). Zust. Piontek, in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl. 2021, § 3 ARB 2010 Rn. 54a. entwickelte Kriterium auf, es sei zur Abgrenzung zwischen dem ausgeschlossenem Kapitalanlagerisiko und dem versicherten Risiko, einem Betrug zum Opfer zu fallen danach zu unterscheiden, ob der als Kapitalanlage gedachte Betrag tatsächlich am Markt platziert worden oder dies von dem betrügerisch handelnden Geschädigten lediglich als Lockmittel in Aussicht gestellt worden sei. Looschelders7 7 Vgl. Looschelders, VersR 2021, 1397 (1400 ff.). weist in sorgfältiger Argumentation nach, dass dies vor dem Hintergrund des erkennbaren Zwecks des Risikoausschlusses, Vorgänge auszuschließen, die einerseits typischerweise eine Vielzahl von gleichgearteten Rechtsstreitigkeiten mit regelmäßig hohen Streitwerten und damit besonders hohen und schwer kalkulierbaren Kosten auslösen, die andererseits ebenso typischerweise nur einen kleinen Teil der Versicherten betreffen, nicht überzeugend ist. Dies nicht nur aus tatsächlichen Gründen bei sich zu Schneeballsystemen entwickelnden, gescheiterten Kapitalanlagen, sondern auch bei originär betrügerischen Schneeballsystemen aus rechtlichen Gründen. b) AUSSCHLUSSKLAUSEL VORSÄTZLICHE HERBEIFÜHRUNG DES VERSICHERUNGSFALLS In zwei Entscheidungen vom 20.5.2021 konnte der BGH sich mit der bislang in Instanzrechtsprechung und Literatur sehr unterschiedlich beantworteten Frage befassen, ob der Versicherer im Deckungsprozess außerhalb des Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenrechtsschutzes mit dem Einwand gehört werden kann, der Versicherte habe den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt8 8 Worauf sich der Vorsatz des Versicherten beziehen muss, ist streitig; vgl. jüngst Niebel, r+s 2021, 425 (427 ff.) einerseits und Prölss/Martin/Piontek, § 3 ARB 2010 Rn. 18 andererseits. oder er stehe in ursächlichem Zusammenhang mit einer von ihm begangen vorsätzlichen Straftat, und ob er ggf. vorläufig leistungsfrei oder leistungspflichtig ist. VÖLKER, DIE RECHTSPRECHUNG ZUR RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG IM JAHR 2021 BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 AUFSÄTZE 20

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