BRAK-Mitteilungen 1/2022

In beiden Fällen lagen arbeitsrechtliche Sachverhalte zugrunde. Mit vergleichendem Blick auf die im Verkehrs- und Strafrechtsschutz ausdrücklich getroffenen Regelungen zu einer vorläufigen bzw. rückwirkenden Leistungspflicht bei Vorsatztaten, die in den sonstigen Leistungsarten fehlen, kam der Senat9 9 Vgl. BGH, Urt. v. 20.5.2021 – IV ZR 324/19 und IV ZR 325/19, jew. Rn. 20 ff. m. zust. Anm. Armbrüster, NJW 2021, 2588; und Anm. Grams, FD-VersR 2021, 439755; krit. Lensing, NJW 2022, 230 f. jeweils zum Ergebnis, dass es von Anfang an auf die objektive Sachlage ankomme, die im Deckungsprozess ohne Bindung an die Ergebnisse eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens oder des Ausgangsrechtsstreits zu klären sei. Der Versicherer sei dabei nach allgemeinen Regeln für das Vorliegen des Ausschlussgrundes beweisbelastet. Mangels dahingehender Regelung bestehe auch keine vorläufige Leistungspflicht.10 10 Die der Versicherer aber durchaus anbieten kann, möchte er etwaige Verzugsfolgen vermeiden, sollte sich sein Einwand als unberechtigt herausstellen. Weder drohe bei dieser Auslegung eine Aushöhlung des Versicherungsschutzes noch seien wegen Interessenverschiedenheit die Grundsätze des im Haftpflichtversicherungsrecht geltenden Trennungsprinzips auf Rechtsschutzversicherungsverträge übertragbar. c) AUSSCHLUSS VON „WIDERRUFSFÄLLEN“ BEI VOR VERSICHERUNGSBEGINN GESCHLOSSENEN DARLEHENS- ODER VERSICHERUNGSVERTRÄGEN Der BGH11 11 Vgl. BGH, Urt. v. 31.3.2021 – IV ZR 221/19, Rn 77 ff. m. jew. zust. Anm. CorneliusWinkler jurisPR-VersR 5/3021 Anm. 1; K. Maier, r+s 2021, 333 f.; Jäckel, NJW 2021, 2200; Hilchenbach/Verweyen, GRUR-Prax 2021, 323 und Burmann, r+s 2022, 1 (3). hat einen sich in ARB eines Versicherers findenden Leistungsausschluss für wirksam erachtet, der Deckung für den Fall ausschließt, dass der Versicherte ein Widerrufs- oder Widerspruchsrecht mit der Begründung ausübt, er sei hierüber bei Abschluss eines Darlehens- oder Versicherungsvertrags nicht oder nur unzureichend aufgeklärt worden. Im Gegensatz zur als unwirksam erachteten Vorerstreckungsklausel in § 4 III ARB12 12 Vgl. BGH, Urt. v. 4.7.2018 – IV ZR 200/16 u. hierzu Völker, BRAK-Mitt. 2019, 9 (12 f.). sei hier die Ursächlichkeit einer bestimmten Willenserklärung für den späteren, den Rechtsschutzfall auslösenden Verstoß klar und durchschaubar beschrieben. Die Entscheidung eröffnet insoweit für die Rechtsschutzversicherer eine Option, wie sie (bei Neuverträgen) Deckung insbesondere bei zu befürchtenden „Zweckabschlüssen“ in sehr kostenträchtigen Massenfällen deutlich einschränken können. 2. LEISTUNGSUMFANG – BESCHRÄNKTE DECKUNGSZUSAGE Vor dem Hintergrund dessen, dass eine Deckungszusage nach allgemeiner Meinung ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis darstellt,13 13 Vgl. etwa BGH, Urt. v. 16.7.2014 – IV ZR 88,13, Rn. 21. hat das OLG Hamm14 14 Vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 11.6.2021 – 20 W 9/21 m. Anm. Grams, FD-VersR 2021, 443956. entschieden, dass ein solches auch beschränkt bestimmte vom Leistungsversprechen des Versicherers grundsätzlich gem. § 5 ARB umfasste Kosten unter den Voraussetzungen von § 3a ARB – also mangels Erfolgsaussicht oder wegen Mutwilligkeit – ausschließen könne. Mutwilligkeit liege dabei vor, wenn der voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg stehe. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtsschutzversicherung, sich die Abwälzung von Kostenrisiken durch Beitragszahlung zu erkaufen, seien unter diesem Gesichtspunkt lediglich sinnlose oder jedenfalls wirtschaftlich in hohem Maße unvernünftige Maßnahmen ausgeschlossen. Bei ungewissem Ergebnis einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens im Rahmen einer „Dieselklage“, dessen Kosten den vom Kläger erstrebten wirtschaftlichen Erfolg um ein Mehrfaches überstiegen, sei von einem solchen hochgradig unvernünftigem Vorgehen auszugehen. Die Beschränkung der Deckungszusage dahin, dass von ihr Beweisantritte durch Sachverständigengutachten, soweit sie sich auf das konkrete Kfz beziehen erfasst seien, nicht jedoch solche auf das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung als solches, sei damit – nach Hinweis auf das gegen den Mutwilligkeitseinwand eröffnete Stichentscheidverfahren – wirksam möglich gewesen. III. RECHTSSCHUTZFALL 1. EINTRITT DES VERSICHERUNGSFALLS Mit der eben zum Ausschluss von „Widerrufsfällen“ schon angesprochenen Entscheidung15 15 Vgl. BGH, Urt. v. 31.3.2021 – IV ZR 221/19 Rn 37 ff. u. die Anm. oben Fn. 11. meißelt der BGH seine bisherige Rechtsprechung zum Eintritt des Versicherungsfalls nach der Drei-Säulen-Theorie16 16 Grundlegend BGH, Urt. v. 19.11.2008 – IV ZR 305/07 Rn 20 ff. nachfolgend passim. und Abstellen allein auf das Vorbringen des Versicherungsnehmers17 17 Vgl. die vom Autor in den Vorberichten BRAK-Mitt. 2021, 14 (16); 2020, 18 (20 ff.); 2019, 9 (12 f.) und 2018, 11 (14 f.) referierten Entscheidungen. bestätigend und konsequent fortentwickelnd in „Leitbild-Stein“. Er stellt dort nicht unerwartet18 18 Vgl. etwa Völker, BRAK-Mitt. 2020, 18 (22). fest, dass eine ARB-Klausel, die in Reaktion auf seine Rechtsprechung den verstoßabhängigen Rechtsschutzfall auch von gegnerischen Tatsachenbehauptungen abhängig machen will, den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige und deshalb gem. § 307 I 1 BGB unwirksam sei. Die zum Kern des Leistungsversprechens gehörende Solidaritätszusage des Versicherers, den Versicherten bei seiner Interessenwahrnehmung zu unterstützen, werde ausgehöhlt, hätte es der Anspruchsgegner durch bloße Tatsachenbehauptung eines anderen Verstoßes in der Hand, dem Versicherten den Versicherungsschutz zu entziehen, ohne dass es auf Erfolgsaussichten oder Weiteres ankäme. Auch eine Zeitschranke, wonach Tatsachenbehauptungen des Anspruchsgegners, die länger als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 21

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0