BRAK-Mitteilungen 1/2022

he dieser, weil ebenfalls wirtschaftlich dem Ausgleich der Vermögenseinbuße des Versicherungsnehmers, die die Leistungspflicht des Versicherers auslöse dienend, als Erstattungsanspruch i.S.v. § 86 I VVG auf diesen über.27 27 Das ist dogmatisch angreifbar. Jedenfalls aber würde § 17 IX ARB, der ausdrücklich derartige Ansprüche anspricht, zum Anspruchsübergang führen. Ein Quotenvorrecht, das nach seiner Funktion es einem Versicherungsnehmer ermöglichen soll, den ihm entstandenen Schaden vollständig zu decken, existiere insoweit nicht. Denn die Rückzahlung überzahlter Gerichtskostenvorschüsse stelle gar keinen Ersatz für Schäden dar. Der Versicherungsnehmer habe, weil lediglich Vorschuss, keine Vermögenseinbuße erlitten. Es reduziere sich vielmehr nachträglich die vom Rechtsschutzversicherer zu übernehmenden Leistungen. Aus Anwaltssicht spannender als die erwartbare Antwort auf die Frage nach der Existenz eines Quotenvorrechts ist diejenige, nach der trotz des Forderungsübergangs unter den Voraussetzungen des § 407 BGB fortbestehenden Aufrechenbarkeit mit unbezahlten Honoraransprüchen gegenüber dem Mandanten (was wiederum zu Bereicherungsansprüchen im Verhältnis Mandant – Rechtsschutzversicherer wegen dort nicht versicherter Kosten führen dürfte),28 28 Vgl. hierzu Schons, AnwBl. 2021, 552 f. undGraf/Johannes, VersR 2021, 1372 (1378) m. Praxishinw. zu der sich das Urteil deshalb nicht verhält, weil alle dortigen Honoraransprüche bereits bezahlt waren. 3. STICHENTSCHEID NACH § 3A ARB 2010 Gleich zwei Entscheidungen des OLG Hamm29 29 OLG Hamm, Urt. v. 12.5.2021 – 20 U 36/21 und (bereits oben II.2. erwähnt) Beschl. v. 11.6.2021 – 20 W 9/21. im Berichtszeitraum befassen sich mit Stichentscheiden. In beiden wird festgestellt, dass ein Stichentscheid, als notwendige, aber noch nicht hinreichende Voraussetzung seiner Bindungswirkung, zwar keine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage beinhalte und die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung in allen Einzelheiten prüfen müsse. In Abhängigkeit von Umfang und Komplexität des Streitstoffs und der durch die Vorkorrespondenz begründeten Kenntnis sowie des Stadiums der Interessewahrnehmung sei aber grundsätzlich der entscheidungserhebliche Streitstoff darzustellen und unter Berücksichtigung von Beweislasten und -möglichkeiten sowie einschlägiger Rechtsprechung und Literatur die Prozesschancen und -risiken auch unter Berücksichtigung der Gegenargumente zu bewerten.30 30 So auch LG Offenburg, Urt. v. 29.1.2021 – 2 O 68/20, juris Rn. 127 ff. Dies erfordere, dass jedenfalls auf alle Punkte eingegangen werde, die zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer im Streit stehen und mit denen letzterer seine Ablehnung begründet hat. So diese Voraussetzungen erfüllt seien, entfalte der Stichentscheid Bindungswirkung, wenn er mit vertretbarer, nicht offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage abweichender Begründung hinreichende Erfolgsaussichten bejahe. Eine „offenbare“ Abweichung liege dabei dann noch nicht vor, wenn der Rechtsanwalt von mehreren Rechtsansichten zwar nicht die herrschende, aber doch eine nicht ganz abwegige vertrete.31 31 OLG Hamm, Urt. v. 12.5.2021 – 20 U 36/21 Rn. 27 f.; dort nach verlorenem Hauptsacheprozess offenbare Abweichung verneint. V. PROZESSUALES 1. AKTIVLEGITIMATION DES SCHADENABWICKLERS FÜR DEN RECHTSSCHUTZVERSICHERER Das OLG Karlsruhe32 32 Vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 29.1.2021 – 12 U 216/20, juris Rn 38 ff. hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Schadenabwicklungsunternehmen i.S.v. § 164 VAG für die Rückforderung nicht verdienter Vorschusszahlungen gegenüber einem Anwalt aus gem. § 86 I VVG übergegangenem Recht in analoger Anwendung von § 126 II VVG aktivlegitimiert ist. Es hat die Frage mit der wohl überwiegenden (Instanz-)Rechtsprechung33 33 Vgl. Völker, BRAK-Mitt. 2020, 14 (17) und die dortigen Nachw. zu Recht verneint. Der Wortlaut der Norm sei eindeutig, und Sinn und Zweck Interessenkollisionen bei Kompositversicherern zu verhindern, erfordere keine entsprechende Anwendung. Die Klage hatte mit dem Hilfsantrag, der Zahlung an den Versicherer begehrte dann aber doch Erfolg, weil aus dem Funktionsausgliederungsvertrag eine zulässige gewillkürte Prozessstandschaft geschlossen werden konnte. 2. UNZULÄSSIGE FESTSTELLUNGSANTRÄGE Dass der Antrag, es möge festgestellt werden, dass der beklagte Rechtsschutzversicherer verpflichtet sei, aus einem bestimmten Versicherungsverhältnis wegen eines näher bezeichneten Vorgangs bedingungsgemäß Rechtsschutz zu gewähren, dann unzulässig sei, wenn der Rechtsschutzfall abgeschlossen und die Kosten bezifferbar, weil vom Anwalt abgerechnet sind, hat das AG Hamburg-St. Georg völlig zutreffend erkannt.34 34 Vgl. AG Hamburg-St. Georg, Urt. v. 17.3.2021 – 916 C 314/20, beck-online Rn. 27. Das OLG Hamm35 35 Vgl. OLG Hamm, Urt. v. 12.5.2021 – 20 U 36/21, beck-online Rn. 20. hat im Gefolge eines vom Rechtsschutzversicherer nicht akzeptierten Stichentscheids geurteilt, der Antrag dahin, seine Bindungswirkung festzustellen sei, weil nicht auf ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 I ZPO gerichtet, unzulässig. Er sei aber dem Klägerinteresse folgend dahin auszulegen, dass Feststellung der Deckungspflicht für ein bestimmtes Klageverfahren begehrt werde. VI. SONSTIGES 1. REGRESS DES RECHTSSCHUTZVERSICHERERS GEGEN DEN ANWALT Wie nicht anders zu erwarten, ist auch für den Berichtszeitraum die Feststellung fortzuschreiben, dass zumindest einige Rechtsschutzversicherer das von ihnen geVÖLKER, DIE RECHTSPRECHUNG ZUR RECHTSSCHUTZVERSICHERUNG IM JAHR 2021 AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 23

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0