Sinnvollerweise sollte der Anwalt also seine Risikohinweise unbedingt dokumentieren, auch wenn die Beweislast für einen dahingehenden Pflichtverstoß beim Mandanten bzw. Rechtsschutzversicherer liegt. Wann der Anwalt höchstrichterliche Rechtsprechung kennen muss, wird man nur im Einzelfall entscheiden können. Fehlt solche, hat er sich an obergerichtlicher Judikatur zu orientieren. Verlangt der richtig belehrte Mandant die Fortsetzung eines nicht gewinnbaren Prozesses, stellt dies nach dem BGH eine schuldhafte Pflichtverletzung des Anwaltsvertrags dar. Wo allerdings die Grenze zwischen objektiv aussichtslos und noch ganz geringfügig aussichtsreich verläuft, wird in manchen Fällen schwer zu entscheiden sein.42 42 ZutreffendLensing, NJW 2021, 3082 (3084). Nur in „glatten“ Fällen kann damit in rechtsschutzgedeckten Fällen auf den Anscheinsbeweis beratungsgerechten Verhaltens zurückgegriffen werden. Die den Versicherern ins Stammbuch geschriebene fehlende Verpflichtung, Deckungsansprüche auf hinreichende Erfolgsaussichten zu prüfen, könnte dazu führen, dass diese künftig häufiger von dem kostenträchtigen und lästigen Schiedsgutachterverfahren nach § 128 VVG absehen und stattdessen darauf bauen, sich in etlichen Fällen bei Erfolglosigkeit der Rechtswahrnehmung an dem von ihrem Versicherungsnehmer beauftragten Anwalt schadlos halten zu können.43 43 So zu Recht Weinbeer, AnwBl. 2021, 684. 2. EINSICHTSRECHT DES RECHTSSCHUTZVERSICHERERS IN DIE GERICHTSAKTE Obwohl die Frage jedenfalls auf obergerichtlicher Ebene wohl als geklärt44 44 Vgl. Völker, BRAK-Mitt. 2020, 14 (18) sowie BRAK-Mitt. 2019, 18 (26) jew. m.w.N. angesehen werden kann, wurde auch im Berichtsjahr in vier oberlandesgerichtlichen Entscheidungen45 45 Vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.3.2021 – 3 Va 1/20, juris Rn. 9 ff. m. Anm. Günther, FD-VersR 2021, 438698 und v. 18.5.2021 – I-3 Va 16/19, juris Rn. 12 ff. sowie OLG Frankfurt, Beschl. v. 24.9.2020 – 20 VA 59/19, juris Rn. 85 ff. und Beschl. v. 16.2.2021 – 20 VA 59/19, beck-online Rn. 42 ff. m. Anm. Günther, FD-VersR 2021, 442191. neuerlich und neuerlich zustimmend darüber befunden, ob Rechtsschutzversicherern, die einzig behaupten müssen, etwaige auf sie übergegangene Regressansprüche des Versicherungsnehmers gegen seinen Rechtsanwalt prüfen zu wollen und eine nicht ganz entfernte Möglichkeit des tatsächlichen Bestehens solcher Ansprüche besteht, Einsicht in die Gerichtsakte des Ausgangsprozesses zu gewähren ist. Der hierum angegangene Vorstand des Gerichts müsse einzig eine Ermessensentscheidung gem. § 299 II ZPO treffen, die stets, spätestens nach Schwärzung von Namen oder Herausnahme ausnahmsweise geheimhaltungsbedürftiger Aktenteile, zugunsten des Versicherers ausfallen wird. 3. VERPFLICHTUNG ZUR INFORMATION DES VERSICHERUNGSNEHMERS ÜBER UNWIRKSAME KLAUSEL In der oben III.1.a bereits angesprochenen Entscheidung des BGH46 46 Vgl. BGH, Urt. v. 31.3.2021 – IV ZR 221/19 Rn 52 ff. im Anschl. an Urt. v. 14.12. 2017 – I ZR 184/15 Rn. 40 ff. zum Versuch, den Eintritt des Versicherungsfalls in ARB entgegen dem Leitbild der Drei-Säulen-Theorie zu definieren, verurteilte der Senat den Rechtsschutzversicherer im Wege eines auf § 8 I 1 UWG gestützten Folgenbeseitigungsanspruchs dazu, seine Versicherungsnehmer über die aus § 307 I 1 BGB folgende Unwirksamkeit einer Klausel zu informieren, weil in deren Verwendung zugleich ein Verstoß gegen § 3a UWG in Gestalt einer Marktverhaltensregelung liege. PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT RECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK, RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS* * Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chab Leitender Justiziar bei der Allianz Deutschland AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht in München. In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentieren die Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungen zum anwaltlichen Haftungsrecht. HAFTUNG ANWALTSMANDAT ALS FIXGESCHÄFT 1. Übernimmt ein Rechtsanwalt eine Rechtsauskunft über eine konkrete Frage oder erstellt er ein schriftliches Rechtsgutachten, kann ein Werkvertrag vorliegen. Wird die anwaltliche Leistung so spät erbracht, dass eine sinnvolle Verwertung für den Auftraggeber nicht mehr zumutbar erscheint, liegt keine ordnungsgemäße, abnahmefähige Leistung vor. 2. Ist nach der Interessenlage der Parteien und nach dem Sinn und Zweck des Vertrags der Leistungszeitpunkt so wesentlich, dass eine verspätete Leistung keine Erfüllung mehr darzustellen vermag, können die Grundsätze des absoluten Fixgeschäfts Anwendung finden. Kann der Leistungserfolg nicht mehr eintreten, liegt Unmöglichkeit gem. § 275 I BGB vor, welche gem. § 326 I 1 BGB zum Wegfall des Anspruchs auf die Gegenleistung führt. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 25
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