Verkehrskreisen, an die sie sich richtet, weckt, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt. Als Maßstab für die Beurteilung des Verständnisses des Verkehrs ist auf das Verständnis eines situationsadäquat aufmerksamen durchschnittlich informierten und verständigen Verbrauchers abzustellen (BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 27 – Tiegelgröße). Der Grad seiner Aufmerksamkeit ist von der jeweiligen Situation und vor allem von der Art und der Bedeutung abhängig, die die beworbene Leistung für ihn haben (BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 27 – Tiegelgröße). Die hier in Rede stehende Schuldnerberatungsdienstleistung ist für den Ratsuchenden regelmäßig von erheblicher Bedeutung, da sie einen zentralen Bereich seiner gegenwärtigen und zukünftigen Lebensführung betrifft. Er wird sich entsprechenden Werbeangaben in der Regel mit situationsadäquat gesteigerter Aufmerksamkeit zuwenden (vgl. BGH, GRUR 2002, 81, 83 – Anwalts- und Steuerkanzlei, BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 27 – Tiegelgröße). Die beanstandete Werbemaßnahme der Ag. wendet sich an Personen, die eine Schuldnerberatung in Anspruch nehmen wollen oder zumindest potenziell dafür in Betracht kommen, mithin an den allgemeinen Verkehr. Zu diesem allgemeinen Verkehr gehören auch die Mitglieder des Senats, so dass der Senat selbst beurteilen kann, wie die streitgegenständliche Werbung von dem angesprochenen Verkehrskreis verstanden wird. bb) Mit dem LG Hamburg geht der Senat davon aus, dass der maßgebliche Verkehrskreis bei der Angabe „Schuldnerberatung Köln“, so wie sie in der Google-AdWords-Anzeige verwendet worden ist, annimmt, dass die Ag. einen Standort an dem in der Werbeanzeige genannten Ort unterhalte. Weiter nimmt der Verkehr an, dass die beworbene Beratung dort erfolgen könne. Die Angabe „Schuldnerberatung Köln“ deutet nach allIrrtum über den Ort der Beratung gemeinem Sprachgebrauch auf eine in Köln ansässige Schuldnerberatung hin. Dieses Verständnis wird nicht dadurch erschüttert, dass die Bezeichnung der Dienstleistung „Schuldnerberatung“ nicht unter Verwendung einer Präposition mit der Ortsangabe „Köln“ verknüpft ist. Um zu verdeutlichen, dass eine Leistung an einem bestimmten Ort erbracht wird, ist der Einsatz einer Präposition jedoch nicht zwingend erforderlich. Mit einer Ortsbezeichnung wird auch ohne Verwendung der Angabe „in“ oder „aus“ der Sitz des Unternehmens bzw. der Ort der Erbringung der Leistung angegeben (OLG Celle, GRUR-RR 2012, 162, 162 f.; OLG Hamm, Urt. v. 18.3.2003 – 4 U 14/03, Rn. 23 – juris). Insbesondere bei Google-AdWords-Anzeigen im Internet, bei denen eher ein Gebot der Kürze und Prägnanz herrscht, ist zu erwarten, dass wesentliche Informationen entsprechend knapp und schlagwortartig präsentiert werden. Der hier maßgebliche Verkehrskreis wird daher annehmen, dass die Bezeichnung einer Dienstleistung „Schuldnerberatung“ in Verbindung mit einer Ortsangabe gewählt wird, um schnell und verständlich zu verdeutlichen, dass die beworbene Beratungsleistung an dem genannten Ort erfolgt, dort also eine räumliche Anlaufstelle existiert. Aus den weiteren Angaben, die im Rahmen der GoogleAdWords-Anzeige erfolgen, ergibt sich keine Aufklärung darüber, dass dies vorliegend anders sein sollte. Vielmehr bestätigt die dortige Angabe „Direkter Kontakt mit dem Schuldenexperten“ die Annahme des Verkehrs, dass eine Beratung vor Ort erfolgen könne und werde. Dieses Verkehrsverständnis erweist sich – entgegen der Ansicht der Ag. – auch nicht deshalb als zutreffend, weil für den angesprochenen Verkehr die Möglichkeit einer telefonischen und elektronischen Kontaktaufnahme besteht. Davon dass dies stets möglich ist, geht der angesprochene Verkehr ohnehin aus. Denn, dass eine Schuldnerberatung für ihre Kunden telefonisch und elektronisch erreichbar ist, war zum Zeitpunkt der Werbung, d.h. im Jahr 2019, eine Selbstverständlichkeit. Die in der Google-AdWords-Anzeige verwendete Ortsangabe begründet jedoch – wie oben ausgeführt – die zusätzliche Erwartung, außerdem eine persönliche Beratung „vor Ort“ erhalten zu können und erweckt somit nicht bloß den Eindruck, dass die beworbene Leistung auch für Bewohner des in der Anzeige genannten Ortes angeboten wird. Die Frage, ob die beworbene Schuldnerberatung „vor Ort“, d.h. an dem angegeben Ort erfolgen kann, ist nach wie vor von Belang. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die fortschreitende Digitalisierung, mit welcher auch die zunehmende Entwicklung und Verbreitung digitaler Dienstleistungen einhergeht, das Bedürfnis nach einer Beratung „vor Ort“ beseitigt hätte. Dies gilt insbesondere im Bereich der Schuldnerberatung, die regelmäßig in einer Zeit erheblicher wirtschaftlicher Probleme nachgefragt wird. Vorliegend kommt hinzu, dass der Ratsuchende aufgrund der verwendeten Sucheingabe „(...) schuldnerberatung köln“ (...), deutlich gemacht hat, dass es sich bei dem angegebenen Ort um ein wesentliches Kriterium handelt, um etwa wohnortnah eine leichte Erreichbarkeit des Beraters in den Büroräumen der genannten Stadt sicherzustellen und dort Besprechungen durchführen zu können. Im Übrigen sind für das Verkehrsverständnis der streitgegenständlichen Google-AdWords-Anzeige die Angaben auf der Internetseite, die durch einen Klick auf die Werbeanzeige erreicht werden konnten, unerheblich. Denn diese erst nachfolgend aufzurufende Seite beeinflusst nicht das Verständnis der vorgelagerten Werbeanzeige. Vielmehr wird die Internetseite aufgrund der durch die Anzeige begründeten – falschen – Erwartungshaltung angeklickt, dass es sich um eine an dem bezeichneten Ort ansässige Schuldnerberatung handele. cc) Die Angabe „Schuldnerberatung Köln“ ist unwahr und geeignet den angesprochenen Verkehrskreis zu täuschen. Entgegen der Erwartung des angesprochenen Verkehrs unterhält die Ag. in Köln weder einen Sitz BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 42
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