BRAK-Mitteilungen 1/2022

ter, Urt. v. 1.4.2014 – 8 A 654/12, DVBl. 2014, 1331, juris Rn. 93 ff.; OVG Schleswig, Beschl. v. 4.4.2006 – 4 LB 2/06, NVwZ 2006, 847, juris Rn. 9), so dass vorliegend § 9 I HmbTG einschlägig wäre. Ob der in der Rechtsprechung diskutierten Ausnahme von diesem Grundsatz zu folgen ist, wonach es der Prozessökonomie widerspräche, im Rahmen der Drittanfechtung einen Verwaltungsakt aufzuheben, wenn dieser nach der Aufhebung auf erneuten Antrag wegen der inzwischen geänderten Rechtslage wiedererteilt werden müsste (OVG Münster, Urt. v. 1.4.2014, a.a.O., juris Rn. 98 ff.), braucht vorliegend nicht entschieden werden, da sich die Rechtslage nicht zugunsten des Auskunftsbegehrenden geändert hat. Ob hier aus anderen Gründen von dem Grundsatz abzuweichen ist, bedarf ebenfalls keiner Entscheidung, da sich durch die Einfügung der Spezialvorschrift jedenfalls mit Blick auf den Schutz urheberrechtlicher Rechtspositionen keine materiell-rechtlichen Änderungen ergeben haben. Der streitgegenständliche Schriftsatz genießt UrheberUrheberrechtsschutz rechtsschutz nach § 2 UrhG (hierzu unter a]). Das Erstveröffentlichungsrecht als einmaliges Recht ist in Bezug auf den streitgegenständlichen Schriftsatz noch nicht verbraucht (hierzu unter b]). Mit der Gewährung des Informationszugangs würde in das Erstveröffentlichungsrecht nach § 12 UrhG eingegriffen (hierzu unter c]). Sowohl die Kl. zu 2) und 3) als auch die Kl. zu 1) können sich auf die Verletzung urheberrechtlicher Rechtspositionen berufen (hierzu unter d]). a) Der streitgegenständliche Schriftsatz genießt Urheberrechtsschutz nach § 2 UrhG. aa) Nach § 2 I Nr. 1 UrhG gehören zu den geschützten Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst insbesondere Sprachwerke, wie Schriften, Reden und Computerprogramme, nach § 2 I Nr. 7 UrhG auch Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen, Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen. Voraussetzung ist nach § 2 II UrhG, dass es sich bei den Werken um persönliche geistige Schöpfungen handelt. Soll ein Werk von den schöpferischen Beiträgen seines Urhebers geprägt sein und sich insoweit durch Individualität oder Originalität auszeichnen, muss ein Gestaltungsspielraum bestehen. Dieser findet sich bei Sprachwerken wissenschaftlichen und technischen Inhalts, zu denen auch Anwaltsschriftsätze gehören (BGH, Urt. v. 17.4.1986 – I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, juris Rn. 12 m.w.N.), in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes, nicht hingegen ohne Weiteres auch in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts. Soweit die schöpferische Kraft eines Schriftwerks allein im innovativen Charakter seines Inhalts liegt, kommt ein Urheberrechtsschutz nämlich nicht in Betracht. Der gedankliche Inhalt eines Schriftwerkes muss einer freien geistigen Auseinandersetzung zugänglich sein. Die Schutzfähigkeit ist auch dann beschränkt, wenn die Darstellung aus der Natur der Sache oder nach den Gesetzen der Zweckmäßigkeit vorgegeben ist (BVerwG, Urt. v. 26.9.2019 – 7 C 1/18, GRUR 2020, 189, juris Rn. 19 m.w.N.). Soweit der BGH bei Gebrauchszwecken dienenden Sprachwerken – anders als etwa bei literarischen Werken, bei denen ein sehr geringer Grad kreativer Leistung ausreicht und somit die „kleine Münze“ geschützt ist – davon ausgegangen ist, dass sie nur dann einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzen und folglich schutzfähig sind, wenn sie nach dem Gesamteindruck der konkreten Gestaltung bei der Gegenüberstellung mit der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit das Alltägliche, das Handwerksmäßige, das bloße mechanisch-technische Aneinanderreihen von Material deutlich überragen (BGH, Urt. v. 17.4.1986 – I ZR 213/83, GRUR 1986, 739, juris Rn. 12 m.w.N. – zu Anwaltsschriftsätzen), hält das BVerwG an dem Erfordernis erhöhter Anforderungen an die Gestaltungshöhe eines wissenschaftlichen Werkes aus unionsrechtlichen Gründen nicht fest. Das BVerwG hat in seiner Entscheidung v. 26.9.2019 (7 C 1/18 – GRUR 2020, 189, juris Rn. 22) diesbezüglich ausgeführt: „Das Unionsrecht regelt ausdrücklich lediglich die Voraussetzungen der urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Computerprogrammen (Art. 1 III der Richtlinie 91/ 250/EWG v. 14.5.1991, ABl. L 122 S. 42, in der kodifizierten Fassung der Richtlinie 2009/24/EG v. 23.4. 2009, ABl. L 111 S. 16), Datenbanken (Art. 3 I der Richtlinie 96/9/EG v. 11.3.1996, ABl. L 77 S. 20) und Fotografien (Art. 6 der Richtlinie 2006/116/EG v. 12.12. 2006, ABl. L 372 S. 12, in der kodifizierten Fassung der Richtlinie 2011/77/EU v. 27.9.2011, ABl. L 265 S. 1). Hiervon ausgehend hat der Gerichtshof der Europäischen Union den urheberrechtlichen Werkbegriff als „Eckpfeiler des Urheberrechtssystems“ (so Generalanwalt Szpunar, Schlussanträge v. 2.5.2019 in der Rechtssache – C-683/17 [ECLI:EU:C:2019:363], Cofemel/GStar – Rn. 43 f.) im Rahmen der Anwendung von Art. 2 Buchst. a und Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG v. 20.5.2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft – InfoSocRL – (ABl. L 167 S. 10) im Wege einer Gesamtanalogie werkartenübergreifend harmonisiert (s. dazu etwa Metzger, ZEuP 2017, 836 ‹ 848 ff. 8 ; Jotzo, ZGE 2017, 447 ‹ 456 f. 8 ; Leistner, ZGE 2013, 4 ‹ 23 ff., 30 ff. 8 ; ders., ZUM 2019, 720 ‹ 721 f. 8 ; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 5. Aufl. 2019, § 2 Rn. 14; Grünberger, ZUM 2019, 281 ‹ 282 f. 8 ; GRUR 2019, 73 ‹ 75 8 ; Wiebe, in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl. 2019, § 2 UrhG Rn. 3; Schulze, in Dreier/Schulze, UrhG, 6. Aufl. 2018, § 2 Rn. 22 f.). Dieser unionsrechtliche Werkbegriff enthält zwei Tatbestandsmerkmale. Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Gegenstand um ein Original in dem Sinne handeln, dass er eine eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt. Zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche Schöpfung in einem mit hinreichender Genauigkeit und Objektivität identifizierbaren Gegenstand zum Ausdruck bringen (s. BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 58

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