BRAK MIT TEILUNGEN FEBRUAR 2022 · AUSGABE 1/2022 53. JAHRGANG AKZENTE VIERHUNDERTZWEIUNDACHTZIG Dr. Ulrich Wessels Bei dieser Zahl handelt es sich nicht etwa um die aktuelle Corona-Inzidenz (auch wenn es angesichts der immer neuen Rekordwerte schön wäre, sie einmal wieder so niedrig zu wissen). Was hat es also dann mit der vierhundertzweiundachtzig auf sich? Die Zahl nenne ich hier symbolisch – für das Engagement von sehr viel mehr Kolleginnen und Kollegen in der anwaltlichen Selbstverwaltung. Vierhundertzweiundachtzig Anwältinnen und Anwälte wirken als Mitglieder des Vorstands in einer der 28 Rechtsanwaltskammern. Hinzu kommen noch all diejenigen, die sich in den verschiedenen Ausschüssen der Kammern und der Bundesrechtsanwaltskammer, bei der Ausbildung von Referendarinnen und Referendaren oder als gewählte Mitglieder der Satzungsversammlung einbringen. Rund 4.000 Kolleginnen und Kollegen engagieren sich einer Hochrechnung zufolge für ihre Selbstverwaltung. Sie alle übernehmen damit freiwillig Verantwortung dafür, dass die Selbstverwaltung unseres Berufsstandes funktioniert – und deshalb gebührt ihnen großer Dank und Respekt. „Eine starke Demokratie lebt von den Menschen, die sie tragen“, so formuliert es die aktuelle Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag. Bürgerschaftliches Engagement ist bedeutsam für den gesellschaftlichen Zusammenhalt, und das ist für die meisten von uns ganz unmittelbar greifbar: Ohne ehrenamtlich Engagierte wäre kulturelles, sportliches, soziales und religiöses Leben in Deutschland nicht in der großen Vielfalt möglich, die uns so selbstverständlich erscheint. Studien zufolge sind zwischen 17 und 23 Millionen Bürgerinnen und Bürger ehrenamtlich tätig. Die Zahlen unterscheiden sich je nach Ehrenamts-Definition und Quelle etwas, Fakt ist aber, dass sich rund ein Viertel aller in Deutschland Lebenden ehrenamtlich engagiert. Eine beachtliche Zahl – und ein unverzichtbares Element unserer Gesellschaft. Das hat auch die Regierungskoalition erkannt und sich auf die Fahnen (und in den Koalitionsvertrag) geschrieben, das Ehrenamt stärken und fördern zu wollen. Und dies explizit auch für die Freien Berufe und das Kammerwesen. Das liest sich erfreulich, indes enthält der Koalitionsvertrag dazu wenig Konkretes. Die anwaltliche Selbstverwaltung lässt sich freilich nicht erschöpfend damit beschreiben, dass Anwälte und (in den letzten Jahren zunehmend mehr) Anwältinnen sich aus Freude an bürgerschaftlichem Engagement für ihren Berufsstand einsetzen. Freude macht dieser Einsatz in der Tat, das kann ich Ihnen aus langjähriger Erfahrung versichern. Doch das Ehrenamt hat hier eine ganz besondere Bedeutung. Der Gesetzgeber setzt in der BRAO voraus, dass die Anwaltschaft als Berufsgruppe sich selbst verwaltet, also anstelle des Staates bestimmte exekutive Aufgaben übernimmt; das Zulassungswesen und die Vergabe von Fachanwaltstiteln etwa, oder den komplexen Bereich der Geldwäscheaufsicht. Anwaltlicher Sachverstand fließt so in die Erfüllung dieser Aufgaben ein, und das ist für den Staat und die Anwaltschaft gleichermaßen nützlich. Zugleich ist die anwaltliche Selbstverwaltung Ausdruck der Staatsferne, die zur Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit erforderlich ist. Gerade das Beispiel Geldwäscheaufsicht zeigt: Die Kenntnis der anwaltlichen Praxis aus eigener Erfahrung ist enorm hilfreich, um die zu beurteilenden Sachverhalte richtig erfassen und mit dem nötigen Fingerspitzengefühl und einem Blick auf die besonderen berufsrechtlichen Bindungen bewerten zu können, denen wir Anwältinnen und Anwälte unterliegen. Und sie ist auch notwendig, um Anwältinnen und Anwälte bei der praktischen Umsetzung der Verpflichtungen aus dem GwG sachgerecht beraten zu können. Aus eben diesen Gründen wird die Anwaltschaft auch gerne Verantwortung für sektorale Aufsichtsaufgaben im Rahmen der neuen Strukturen übernehmen, die infolge des EU-Geldwäschepakets geschaffen werden sollen. Ihr Dr. Ulrich Wessels AKZENTE BRAK-MITTEILUNGEN 1/2022 1
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