dem GwG – also ohne Informationen und Informationschancen – ist eine ordnungsgemäße Durchführung der Aufsicht durch die zuständigen Aufsichtsbehörden nicht möglich. Eine effektive verwaltungsrechtliche Aufsicht ist erst durch die Aufsichtsbefugnisse und die daraus resultierenden Erkenntnismöglichkeiten gewährleistet. Entscheidend ist, dass die Aufsichtsbefugnisse ausnahmslos als präventive Überwachungsmaßnahmen ausgestaltet sind. Diese präventiven Maßnahmen wie Auskunftsersuchen, Dokumentations- und Vorlagepflichten können im Vorfeld eines Straf- oder Bußgeldverfahrens verfassungskonform eingesetzt werden. 2. DIE ABGRENZUNG VON PRÄVENTIVEM UND REPRESSIVEM VERWALTUNGSHANDELN Im Gegensatz zur verfassungskonformen Einsetzung der präventiven Maßnahmen im Vorfeld eines Strafoder Bußgeldverfahrens ist eine andere Bewertung vorzunehmen, wenn die Ausübung von „Aufsichtsbefugnissen“ bereits dem repressiven Verwaltungshandeln zuzurechnen ist. a) UNTERSCHIEDLICHE BETROFFENENRECHTE Der Betroffene ist dann nicht mehr auf sein Auskunftsverweigerungsrecht aus § 52 IV GwG beschränkt. Vielmehr stehen ihm dann sämtliche Beschuldigtenrechte zu. Er ist durch die Bußgeldbehörde darüber zu belehren, dass es ihm freisteht, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Er ist in keiner Weise zu einer aktiven Mitwirkung verpflichtet. Mit dem Übergang in das bußgeldrechtliche Verfahren findet ein grundlegender Wechsel in der Rechtslage und den Rechtspositionen sowohl der Behörde als auch des Betroffenen statt. Der Abgrenzung von präventivem und repressivem Verwaltungshandeln kommt daher enorme Bedeutung zu. Es kommt entscheidend auf die Frage an, ob die zuständige Behörde als Aufsichts- oder Bußgeldbehörde im Sinne des GwG tätig wird, also bereits von einem bußgeldrechtlichen Verfahren ausgegangen werden muss. Werden bereits Ermittlungen im bußgeldrechtlichen Verfahren getätigt, erstarkt das bloße Auskunftsverweigerungsrecht des Betroffenen zu einem umfassenden Recht, jede aktive Mitwirkung an den Ermittlungen zu verweigern. b) FOLGEN DER DOPPELZUSTÄNDIGKEIT DER RECHTSANWALTSKAMMER Aufgrund der Doppelzuständigkeit der Rechtsanwaltskammer als Aufsichts- und Verfolgungsbehörde im Sinne des GwG bleibt unklar, ob das Aufsichts- oder Kontrollersuchen noch im Rahmen der präventiven Aufsicht erfolgt oder bereits eine – im Bußgeldverfahren unzulässige – Ermittlungshandlung darstellt. Problematisch ist also, dass die Ausübung der Aufsichtsbefugnisse nach der Konzeption des GwG zwar im – präventiven – Aufsichtsverfahren geschieht, in der Praxis jedoch häufig zugleich die Aufklärung eines ordnungswidrigkeitenrechtlichen Sachverhalts zum Ziel hat. Für den Betroffenen ist es grundsätzlich anhand der äußerlich neutralen Maßnahme nicht erkennbar, in welchem Verfahren die Rechtsanwaltskammer tätig wird. Dieser besondere Umstand muss dahingehend Berücksichtigung finden, dass die Beschuldigtenrechte im vollen Umfang bereits dann gewährleistet werden, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeit gegeben sind. Die allgemeinen Grundsätze zur Frage, wann von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens auszugehen ist und eine Person in die Rolle eines Beschuldigten rückt, sind insoweit folglich zu modifizieren. Es kann weder auf einen Willensakt der zuständigen Verfolgungsbehörde, die aufgrund ihrer Doppelzuständigkeit das Bußgeldverfahren nicht zu früh einleiten wird, noch auf das Kriterium der Erkennbarkeit eines straf- oder bußgeldrechtlich motivierten Vorgehens, welches bei den äußerlich neutralen Maßnahmen nicht greifen kann, abgestellt werden. Dementsprechend muss allein entscheidend sein, ob bereits tatsächliche Anhaltspunkte für eine Ordnungswidrigkeit gegeben sind, also ein Anfangsverdacht besteht. Bereits der Anfangsverdacht einer Ordnungswidrigkeit begründet dementsprechend einen Wandel grundlegender Rahmenbedingungen mit der Folge, dass sich die Rechtsstellung des Betroffenen nicht mehr nach dem Verwaltungsrecht, also nach § 52 IV GwG, bestimmt, sondern seine Rechte als Betroffener eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens zur Geltung kommen. c) RECHTSPRECHUNG DES EGMR Die dargelegten Grundsätze finden eine Bestätigung in der Rechtsprechung des EGMR. Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs sind das Recht zu Schweigen und das Recht, sich nicht selbst beschuldigen zu müssen, allgemein anerkannte internationale Grundsätze, die das Herzstück des Begriffs des fairen Verfahrens nach Art. 6 I EMRK bilden. In einer Entscheidung aus dem Jahr 1984 hat der Gerichtshof Art. 6 EMRK für das gerichtliche Bußgeldverfahren für anwendbar erklärt.14 14 EGMR, NJW 1985, 1273. Danach ist ein Betroffener jedenfalls nach dem Zeitpunkt der Mitteilung des Bußgeldbescheids, den er nicht hinzunehmen bereit ist, einem Angeklagten i.S.d. Art. 6 EMRK gleichzustellen. In einer weiteren Entscheidung hat der EGMR dargelegt, dass das Schweigerecht des Beschuldigten auch durch außerstrafprozessuale Mitwirkungspflichten nicht ausgehebelt werden darf.15 15 EGMR, ÖJZ 1998, 32. Das Recht, sich nicht selbst beschuldigen zu müssen, wird dabei in erster Linie auf das Schweigerecht selbst, also das Recht, verbale Selbstbelastung zu unterlassen, bezogen. Mit einer Entscheidung aus dem Jahr 2001 hat der Gerichtshof den nemo-tenetur-Grundsatz im Straf- und Bußgeldverfahren ausdrücklich auch auf die Vorlage von Urkunden erstreckt.16 16 EGMR, NJW 2002, 499. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 71
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