FRISTEN beA-PFLICHT AUCH BEIM VG UND AUCH IN VOR DEM 1.1.2022 LAUFENDEN VERFAHREN Ein nicht unter Wahrung der Erfordernisse des § 55d VwGO angebrachter Antrag ist unwirksam. VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 19.1.2022 – 10 L 10/22.A Man sollte eigentlich meinen, dass jeder Rechtsanwalt und jede Rechtsanwältin in Deutschland mitbekommen hat, dass seit dem 1.1.2022 eine flächendeckende Pflicht zur Nutzung des beA besteht. Namentlich traten neben § 130d ZPO auch in den anderen Verfahrensordnungen die entsprechenden Vorschriften in Kraft: § 55d VwGO, § 14b FamFG, § 46g ArbGG, § 65d SGG, § 52d FGO. Im Strafrecht (§ 32d StPO) ist dies zunächst generell nur eine Sollvorschrift, allerdings ebenfalls verpflichtend für die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die Anschlusserklärung bei der Nebenklage. Im Fall des VG hatte der Prozessbevollmächtigte in einem Asylverfahren am 10.1.2022 einen Eilantrag per Fax bei Gericht eingereicht. Der Schriftsatz war noch dazu nicht einmal unterzeichnet. Ein unterschriebenes Exemplar erreichte das Gericht drei Tage später auf dem Postweg. Das alles war formunwirksam. Abgesehen davon war auch noch die einwöchige Antragsfrist nach § 34a II1 AsylG bereits vor dem 10.1.2022 abgelaufen. Auf Wiedereinsetzung darf man in diesen Fällen schlicht nicht hoffen. Ein Haftungsfall für den Anwalt dürfte es wohl trotz allem nicht werden, da das Gericht auch gleich noch Ausführungen zur fehlenden Begründetheit des Antrags angefügt hat. (ju) 1. Die aktive Nutzungspflicht der elektronischen Form (§ 55d S. 1 VwGO) ist nicht von einem weiteren Umsetzungsakt abhängig und gilt ab dem 1.1. 2022 für sämtliche Verfahren einschließlich solcher, die bereits zuvor anhängig gemacht wurden. 2. Die (rechtzeitige) Einhaltung der in § 55d S. 1 VwGO vorgeschriebenen Form ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten; sie steht nicht zur Disposition der Beteiligten. 3. § 55d S. 3 VwGO enthält eine einheitliche Heilungsregelung. Unerheblich ist, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist. Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung ist verschuldensunabhängig ausgestaltet. 4. Die vorübergehende technische Unmöglichkeit ist vorrangig zugleich mit der Ersatzeinreichung glaubhaft zu machen. Lediglich dann, wenn der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen, genügt eine unverzügliche Glaubhaftmachung (§ 55d S. 4 VwGO). OVG Schleswig, Beschl. v. 25.1.2022 – 4 MB 78/21 Der Fall des OVG Schleswig unterscheidet sich von dem des VG Frankfurt/Oder insofern, als das Beschwerdeverfahren bereits vor dem 1.1.2022 eingeleitet wurde. Die Beschwerde im Dezember 2021 konnte noch formgerecht per Fax eingelegt werden, die Beschwerdebegründung im Januar 2022 hätte hingegen per beA eingereicht werden müssen. Das OVG macht deutlich, dass auch in laufenden Verfahren ohne Weiteres § 55d VwGO anzuwenden ist, sodass die Beschwerdebegründung per Fax formunwirksam war. Der Prozessbevollmächtigte hatte im Nachgang ins Feld geführt, es habe Probleme „bei der Nutzung des Internets“ mit seinem einzigen PC gegeben. Hierin könnte eine „vorübergehende technische Unmöglichkeit“ i.S.d. § 55d S. 3 VwGO liegen, die ausnahmsweise eine Übermittlung auf anderem Wege erlaubt. Grundsätzlich dient diese Heilungsregelung dazu, dass ein vorübergehender Ausfall der technischen Einrichtungen des Rechtsanwalts dem Rechtsuchenden nicht zum Nachteil gereichen soll.3 3 BT-Drs. 17/12634, 27 zur Parallelvorschrift des § 130d ZPO. Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung ist verschuldensunabhängig ausgestaltet. Nach § 55d S. 4 VwGO ist die vorübergehende Unmöglichkeit jedoch „bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach“ glaubhaft zu machen. Das OVG interpretiert dies restriktiv: „Im Interesse des dahinterstehenden Beschleunigungsgedankens“ versteht der Senat diese Formulierung so wie im Leitsatz 4 formuliert: Immer dann, wenn die Ersatzeinreichung noch locker innerhalb der Frist erfolgt, sollte daher die Glaubhaftmachung sogleich beigefügt werden. (ju) PFLICHT ZUR AUSGANGSKONTROLLE BEI E-MAIL Nutzt ein Rechtsanwalt im Kanzleibetrieb E-Mail als Mittel der Korrespondenz, muss er die Kenntnisnahme von Nachrichten durch den Adressaten durch die Anforderung einer Lesebestätigung sicherstellen. (eigener Ls.) BGH, Beschl. v. 18.11.2021 – I ZR 125/21 In diesem Fall ging einiges schief bei der Kommunikation zwischen Mandantin und zweitinstanzlichem Anwalt, was zur Folge hatte, dass eine vom OLG zugelassene und vom Anwalt empfohlene Revision zum BGH nicht fristgerecht eingelegt wurde. Wir beleuchten nachfolgend nicht die Versäumnisse auf Mandantenseite, sondern nur die auf Seiten der Kanzlei: Am Tag des Ablaufs der Revisionseinlegungsfrist habe die Kanzlei, so der Vortrag im Wiedereinsetzungsantrag, per E-Mail bei der Mandantin, einem Unternehmen, nochmals auf die an diesem Tag ablaufende Frist hingewiesen; diese Mail sei jedoch aufgrund einer techBRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 AUFSÄTZE 84
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