BRAK-Mitteilungen 2/2022

nischen Störung bei der Mandantin dieser nicht zugegangen. Der BGH wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück und verwarf die Revision als unzulässig. Der BGH ließ offen, ob hinreichend substantiiert vorgetragen sei, dass eine technische Störung vorgelegen habe. Unabhängig davon liege ein Anwaltsverschulden vor, das der Partei nach § 85 II ZPO zuzurechnen sei. Bei der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax genüge der Anwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle nur dann, wenn er anhand des Sendeprotokolls überprüft oder durch eine zuverlässige Kanzleikraft überprüfen lässt, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Gleiches gelte für die Übersendung einer E-Mail. Auch hier bestehe die Gefahr, dass die E-Mail den Empfänger wegen einer technischen Störung bei der Übermittlung nicht erreicht. Um sicherzustellen, dass eine E-Mail den Adressaten erreicht hat, habe der Versender über die Optionsverwaltung eines E-Mailprogramms die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern. Nichts anderes gelte hier, wenn der Anwalt die Partei mittels E-Mail auf die am selben Tag ablaufende Rechtsmittelfrist hinweisen und sie zur Einlegung des Rechtsmittels motivieren wolle. In diesem Fall müsse er die Kenntnisnahme empfangener Nachrichten durch die Anforderung einer Lesebestätigung sicherstellen. Der BGH stützt sich bei seiner Entscheidung auf frühere Rechtsprechung und Literatur.4 4 BGH, NJW 2014, 556; Anm. von Chab, BRAK-Mitt. 2014, 73; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 233 Rn. 23.16. Allerdings besteht beim Versand von Fax bzw. E-Mail ein nicht ganz unwesentlicher Unterschied: Beim Fax erhält der Versender ein Sendeprotokoll, dessen OK-Vermerk aber keinen Zugangsnachweis darstellt, sondern nur ein schützenswertes Vertrauen des Versenders in eine korrekte Versendung begründet.5 5 BGH, NJW 2016, 2042. Dies entspricht wohl bei der E-Mail dem „Gesendet“-Vermerk im Ordner „Gesendete Elemente“. Die Lesebestätigung, die erst nach dem Öffnen durch den Empfänger generiert wird (was der Empfänger im Übrigen ablehnen, also verhindern kann), ist demgegenüber etwas deutlich anderes. Der BGH begründet nicht näher, warum er hier – nach Ansicht des Autors – unterschiedliche Anforderungen stellt. Gleichwohl muss die Anwaltschaft sich darauf einstellen. Das bedeutet, wenn die Lesebestätigung des Mandanten ausbleibt, dass der Anwalt, z.B. telefonisch, nachfragen sollte. (hg) DATEINAMEN MIT UMLAUTEN BEI beA-ÜBERMITTLUNG 1. (...) 2. Ein auf Seiten des Gerichts auftretender Fehler im beA-Betrieb führt jedenfalls dann nicht zur Unwirksamkeit der Einreichung der fristgebundenen Berufungsbegründung, wenn der Rechtsanwalt wegen einer automatisiert verschickten Nachricht über die erfolgreiche Übermittlung davon ausgehen durfte, alles Notwendige zur ihm obliegenden Fristwahrung veranlasst zu haben. (eigener Ls.) LG Frankfurt/Main, Urt. v. 4.10.2021 – 2-13 S 9/21 Der Fehler, der hier bei der beA-Übertragung aufgetreten war, sollte inzwischen nicht mehr vorkommen, weil dazu eine Systemänderung vorgenommen wurde. Seinerzeit allerdings konnten Dateianhänge mit einem Umlaut im Dateinamen noch erfolgreich (mit entsprechender Übertragungsbestätigung) per beA ans Gericht übertragen, dort aber nicht geöffnet werden. Einen solchen Dateianhang enthielt die per beA eingelegte Berufungsbegründung, um die es hier ging. Diese wurde am 1.4.2021, dem letzten Tag der Frist, eingelegt. Der Dateianhang war mit „Berufungsbegründung“ gekennzeichnet, enthielt also einen Umlaut. Deshalb ließ sich die Datei bei Gericht nicht öffnen. Dazu meint das LG als Berufungsgericht, dass die Berufungsbegründung dennoch rechtzeitig bei Gericht eingegangen war. Für die Frage, ob ein Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sei oder nicht, sei die auf Basis des § 130a II 2 ZPO erlassene Verordnung entscheidend. Der ERVV sei kein Verbot von Dateinamen mit Umlauten zu entnehmen, lediglich die Empfehlung, mit den Dateinamen den Inhalt schlagwortartig zu umschreiben. Damit hatte der Absender hier alles getan, was auch vom Gesetzgeber vorausgesetzt wurde. Die Datei ging rechtzeitig bei Gericht ein. Die fehlende technische Möglichkeit, dort die Datei zu öffnen, ändere daran nichts, so dass der vorsorglich gestellte Wiedereinsetzungsantrag gar nicht erst zum Tragen kam. Auch das LG merkt an, dass das konkrete Thema der Umlaute im Dateinamen inzwischen technisch erledigt ist; die Begründung könnte aber in denkbaren ähnlichen Fällen relevant bleiben. (bc) KORREKTUR FEHLERHAFTER SCHRIFTSÄTZE Bei fehlerhaft an das unzuständige Gericht adressierten Schriftsätzen reicht die Einzelweisung aus, den fehlerhaften Schriftsatz zu vernichten. (eigener Ls.) BGH, Beschl. v. 15.12.2021 – IV ZB 11/21 Ein „Klassiker“ unter den Wiedereinsetzungsfällen ist die fälschlich an das Gericht der Vorinstanz gerichtete Rechtsmittelschrift, die nur bei Einreichung geraume Zeit vor Fristablauf Chancen hat, noch rechtzeitig an das zuständige Gericht weitergeleitet zu werden. Die Überprüfung, ob der Schriftsatz an das zuständige Gericht adressiert ist, obliegt dem Anwalt und kann nicht auf Personal delegiert werden. Hier war ein Fristverlängerungsantrag fälschlich ans erstinstanzliche Gericht adressiert worden. Das hatte der Prozessbevollmächtigte – allerdings nach Unterzeichnung – auch bemerkt und die Rechtsanwaltsfachangestellte angewiesen, den Schriftsatz „zu schreddern“ und mit der richtigen Adressierung neu zu fertigen. Obwohl dieser ihm vorgelegt wurde und er ihn unJUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 85

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