der Teil des Legislativpakets zur Digitalisierung der Justiz19 19 Dazu Weiske/Gamisch, BRAK-Magazin 1/2022, 6. ist, soll u.a. der rechtliche Rahmen für die elektronische Übermittlung von Dokumenten zwischen natürlichen Personen, Behörden und Gerichten festgelegt werden. Zudem enthält er Regelungen zur Nutzung von Videokonferenzen und elektronischen Vertrauensdiensten sowie zu Videoanhörungen in grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssachen sowie in Strafsachen. Die BRAK begrüßt im Interesse der Anwaltschaft und ihrer Mandantinnen und Mandanten die weitere Digitalisierung und Fortentwicklung auch des grenzüberschreitenden elektronischen Rechtsverkehrs. Die bereits existierenden oder im Aufbau begriffenen mitgliedstaatlichen IT-Systeme auf dem Gebiet des Justizwesens einschließlich der verwendeten Standards (z.B. des OSCIStandards in Deutschland) und Verschlüsselungstechniken müssten aber weiterhin einsatzfähig bleiben, damit keine komplexen Neuentwicklungen in den Mitgliedstaaten erforderlich werden.20 20 BRAK-Stn.-Nr. 8/2022. WEITERE RECHTSPOLITISCHE AKTIVITÄTEN Auch zu weiteren Gesetzesvorhaben hat die BRAK Stellung genommen. Legal Tech-Gesetz Seit dem 1.10.2021 erlaubt das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt (kurz: Legal Tech-Gesetz) Anwältinnen und Anwälten, bei Streitwerten unter 2.000 Euro gegen Erfolgshonorar tätig zu werden, und reglementiert Inkassodienstleister etwas strenger als bisher. Im Gesetzgebungsverfahren war das Vorhaben stark umstritten, auch die BRAK hatte es vehement kritisiert. Der Bundestag beschloss das Gesetz, gab aber der neuen Bundesregierung eine Reihe von Prüfbitten und den Auftrag mit, die Auswirkungen der Öffnung von Erfolgshonoraren auf die Anwaltschaft nach drei Jahren zu evaluieren.21 21 BT-Drs. 19/30495, 7 (unter II. 1.). Das Bundesjustizministerium legte der BRAK nunmehr die Prüfbitte vor, ob die Kohärenz zwischen den berufsrechtlichen Anforderungen an die Anwaltschaft und an andere Rechtsdienstleister die Anpassung weiterer Anforderungen wie z.B. Verschwiegenheitspflichten notwendig macht. In ihrer Stellungnahme22 22 BRAK-Stn.-Nr. 2/2022. macht die BRAK deutlich, dass eine Kohärenz nicht erreicht werden könne, indem Berufspflichten der Anwaltschaft zum Schutz der Mandanten und damit letztlich der Verbraucher gelockert oder abgeschafft werden; das werde der besonderen Rolle der Anwaltschaft im Rechtsstaat nicht gerecht. Eine Überprüfung des anwaltlichen Berufsrechts müsse sich auch weiterhin an den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege durch Sicherung der anwaltlichen Unabhängigkeit und der Geradlinigkeit der Berufsausübung orientieren. Daneben zeigt die BRAK Klärungsbedarf u.a. beim Anwendungsbereich der Informations- und Darlegungspflichten nach § 43d BRAO auf. Rechtsunsicherheit bestehe vor allem, weil eine gesetzliche Konkretisierung des Inkassobegriffs fehle. Dies betreffe die Anwaltschaft auch im Hinblick auf das Erfolgshonorar (§ 4a I 1 Nr. 2 RVG) sowie im Vergütungsrecht (Nr. 2300 VV RVG). Grenzüberschreitende Videoverhandlungen Auswärtiges Amt, Bundesjustizministerium und Bundesamt für Justiz haben einen gemeinsamen Vorschlag für ein Vorgehen bei Videoverhandlungen in grenzüberschreitenden Zivil- und Handelssachen erarbeitet. Hierfür besteht nicht zuletzt aufgrund der Corona-Pandemie ein gesteigertes Bedürfnis. Viele Gerichte innerhalb und außerhalb der Europäischen Union verhandeln bereits grenzüberschreitend virtuell, ohne dass es hierfür Rechtsgrundlagen bzw. entsprechende Rechtshilfeersuchen gibt. Die BRAK hat zu dem Vorschlag durch ein Schreiben von Vizepräsident Michael Then Stellung genommen.23 23 Vizepräsidentenschreiben v. 3.1.2022. Sie begrüßt, dass ein Rechtsrahmen für bereits gelebte Verfahrensabläufe geschaffen werden soll, mahnt aber zur Einhaltung grundlegender Prozessgrundsätze und weist auf praktische Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Simultanübersetzungen hin. Insolvenzrecht Die BRAK hat sich ferner kritisch mit Reformvorschlägen des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz zur Modernisierung des Insolvenzverfahrens und des materiellen Insolvenzrechts auseinandergesetzt. Sie begrüßt insb. die Vorschläge einheitlicher Antragsformulare auch für das Regelinsolvenzverfahren sowie einer Konzentration von Verbraucherinsolvenzverfahren auf Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, um den Insolvenzgerichten eine stärkere Konzentration und Spezialisierung zu ermöglichen. Auch zu den weiteren Vorschlägen u.a. für das Verfahren der Restschuldbefreiung und die Behandlung deliktischer Forderungen nimmt die BRAK differenziert Stellung.24 24 BRAK-Stn.-Nr. 4/2022. Prozess im NSU 2.0-Fall Anlässlich des Beginns der Hauptverhandlung im Fall der Bedrohung mehrerer Anwältinnen und Politikerinnen durch mit „NSU 2.0“ unterzeichnete Schreiben hat die BRAK nachdrücklich an ihre Forderung nach einer lückenlosen Aufarbeitung erinnert. In einem Rechtsstaat müsse man darauf vertrauen dürfen, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte ihren Beruf ohne Gefahr für Leib und Leben ausüben können, betonte BRAKPräsident Dr. Ulrich Wessels.25 25 Presseerkl. Nr. 2/2022 v. 15.2.2022; zum Hintergrund s. Nachr. aus Berlin 4/2022 v. 23.2.2022 m.w.N. VERFAHREN VOR BVERFG UND EGMR Auch im Berichtszeitraum ist die BRAK ihrer Aufgabe nach § 177 II Nr. 5 BRAO nachgekommen, auf Bitten von Bundesgerichten rechtliche Stellungnahmen abzugeben. AUS DER ARBEIT DER BRAK AUS DER ARBEIT DER BRAK BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 89
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