BRAK-Mitteilungen 2/2022

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN *LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ) KEIN VERSTOSS GEGEN DAS SACHLICHKEITSGEBOT BEI ZUGESPITZTEM SCHLUSSPLÄDOYER BRAO § 43a III; BORA § 1 II; StGB § 193 * 1. Die Freiheitsrechte eines Rechtsanwalts können die Teilhabe des Bürgers am Recht nur dann sachgerecht gewährleisten, wenn jedenfalls dem Strafverteidiger in seinem Schlussplädoyer die größtmöglichen Handlungsräume für seinen Mandanten eröffnet werden. * 2. Die Kritik eines Strafverteidigers darf auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen. Im Rahmen der Abwägung einander widerstreitender Rechtspositionen innerhalb eines Strafverfahrens ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass jedenfalls ein Staatsanwalt wie auch ein Richter schon von Berufs wegen in der Lage und gehalten sein müssen, scharfe und schärfste Kritik an ihrer Arbeit beim „Kampf um das Recht“ auszuhalten. AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 1.10.2021 – 2 AGH 2/21 Volltext unter www.brak-mitteilungen.de HINWEISE DER REDAKTION: Das BVerfG hat wiederholt entschieden, dass der Kampf ums Recht Anwältinnen und Anwälten erlaubt, nicht immer so schonend mit Verfahrensbeteiligten umzugehen, dass diese sich nicht in ihrer Persönlichkeit beeinträchtigt fühlen. Auch eine überzogene, völlig unverhältnismäßige oder sogar ausfällige Kritik macht eine Äußerung noch nicht per se zur Schmähung, so dass selbst eine Strafbarkeit von Äußerungen, welche die persönliche Ehre erheblich herabsetzen, in aller Regel eine Abwägung erfordert. Eine Äußerung nimmt den Charakter als Schmähung erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Herabsetzungen in der Ehre, auch wenn sie besonders krass und drastisch sind, sind nicht als Schmähung anzusehen, wenn sie ihren Bezug noch in der sachlichen Auseinandersetzung haben (vgl. BVerfG, BRAK-Mitt. 2020, 287). KOOPERATIONSVEREINBARUNG ALS VERSTOSS GEGEN PROVISIONSVERBOT BRAO § 49b III; BGB § 134 * 1. Eine Vereinbarung zwischen Rechtsanwälten, nach der die Vermittlung von Mandaten gegen Entgelt erfolgen soll, ohne dass hierfür eine konkrete, dem Mandat zuzuordnende Tätigkeit geschuldet ist, verstößt gegen § 49b III BRAO. * 2. § 49b III BRAO stellt ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB dar. * 3. Nach § 49b III 2 BRAO ist es zulässig, eine über den Rahmen der Nr. 3400 der Anlage 1 zum RVG hinausgehende Tätigkeit eines anderen Anwalts angemessen zu honorieren. Danach kann ein Rechtsanwalt einen weiteren Anwalt beauftragen, an der Bearbeitung des Mandats mitzuarbeiten und diesen dafür im eigenen Namen honorieren. OLG Düsseldorf, Urt. v. 11.1.2022 – I-24 U 184/19 AUS DEN GRÜNDEN: I. Der Kl. und der Bekl. sind Rechtsanwälte. Der Kl. betrieb eine eigene Kanzlei und vertrat in „Massen-Verfahren“ eine Vielzahl von Kapitalanlegern. Der Bekl. war zunächst als angestellter Rechtsanwalt für den Kl. mit derartigen Mandaten befasst. Das Vertragsverhältnis endete durch eine fristgerechte Kündigung des Kl. aus betriebsbedingten Gründen zum 1.7.2013. Der Bekl. war nachfolgend selbstständig tätig. Unter dem 5.7.2013 schlossen die Parteien eine sog. „Kooperationsvereinbarung“ (Anlagenband I, I-4, Anl. K1). Diese sieht vor, dass der Kl. Mandate von Kapitalanlegern akquirierte und diese außergerichtlich allein betreute. Das damit einhergehende Honoraraufkommen sollte ihm allein zufließen. Sollte eine außergerichtliche Einigung nicht erzielt werden können, sollte der Kl. dem Bekl. betroffene Mandanten namhaft machen. Darüber hinaus enthält die Vereinbarung Regelungen über die Verpflichtung des Kl., dem Bekl. zur Verfolgung und Geltendmachung der Ansprüche bei ihm vorhandene Unterlagen zur Verfügung zu stellen, ihn bestmöglich zu unterstützen und mind. 40 Terminsvertretungen pro Kalenderjahr, maximal jedoch sechs pro Monat, zu übernehmen. Der Kl. sollte abgestuft nach Gegenstandswerten und Tätigkeiten in der ersten Instanz einen Anteil vom Nettohonorar von mind. 40 % (bei Gegenstandswerten bis 5.999 Euro) bis 65 % (bei GegenBERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 95

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0