BRAK-Mitteilungen 2/2022

Die Bekl. hat verneint, dass der Antrag des Kl. zu seinen Gunsten entscheidungsreif sei. Die von ihm eingereichte Fallliste reiche zum Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen gem. § 5 I FAO nicht aus. Da der Kl. seit seiner Zulassung im Anstellungsverhältnis zunächst bei Rechtsanwalt ... und seit dem 1.4.2019 bei ... Rechtsanwälte in ... tätig sei und die Fallliste zahlreiche bereits angearbeitete Fälle enthalte, ergäben sich Zweifel, welche Akten seitens des Kl. tatsächlich in nennenswertem Umfang selbst bearbeitet wurden, welche möglicherweise nur geringfügig und welche gar nicht. Die Bekl. hat detailliert zu einzelnen Punkten der Fallliste Stellung genommen und hat gemeint, dass aufgrund dieser Ausführungen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden könne, dass der Kl. den Erwerb der besonderen praktischen Erfahrungen hinreichend nachgewiesen habe. Es würden sich hinreichende und erhebliche Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die genannten Verfahren hinsichtlich des seitens des Kl. erbrachten Bearbeitungsanteils einer Gewichtung bedürften. Nach Auffassung der Bekl. hätte der Kl. zu den vorstehend beschriebenen Zweifelsfällen in geeigneter Weise substantiiert vortragen und Arbeitsproben vorlegen müssen, die einen nennenswerten Bearbeitungsanteil und den Umfang an den jeweiligen Fällen hätten erkennen lassen. Mit Urkunde v. 12.8.2021 hat die Bekl. dem Kl. dann doch gestattet, die Fachanwaltsbezeichnung Bau- und Architektenrecht zu führen. Wie es dazu kam, haben die Parteien nicht vorgetragen. In der Folge hat der Kl. das Verfahren mit Schriftsatz v. 17.8.2021 für erledigt erklärt und beantragt, der Bekl. die Kosten aufzuerlegen. Die Bekl. hat sich dieser Erledigungserklärung mit Schriftsatz v. 3.9.2021 angeschlossen und hat ihrerseits beantragt, dem Kl. die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. 2. Aufgrund der übereinstimmenden Erledigungserklärung war gem. § 112c I BRAO, § 161 I 2. Alt. VwGO lediglich noch über die Kosten zu entscheiden. Diese hat nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes der Kl. zu tragen. In der Regel entspricht es gemäß dem Grundsatz des § 154 I VwGO billigem Ermessen, dem Beteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der ohne die Erledigung in dem Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. Maßgeblicher Zeitpunkt ist dabei die Sach- und Rechtslage unmittelbar vor Eintritt des erledigenden Ereignisses, wobei es wegen des Vereinfachungszwecks des § 161 II 1 VwGO keiner abschließenden Klärung schwieriger Rechtsfragen bedarf (Kopp/R.-P. Schenke, VwGO, § 161 Rn. 15, 16). Der Kl. wäre vorhersehbar unterlegen. Die Klage war zwar statthaft sowie form- und fristgerecht erhoben. Sie wäre jedoch in der Sache selbst ohne Erfolg geblieben. Die Bekl. ist nach §§ 43c I 1, 59b II Nr. 2 lit. a BRAO i.V.m. § 1 S. 2 FAO verpflichtet, einem Rechtsanwalt die Fachanwaltsbezeichnung für das Bau- und Architektenrecht zu verleihen, wenn er besondere theoretische Kenntnisse und praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet erworben und nach Maßgabe von §§ 2, 4, 5 und 6 FAO nachgewiesen hat. Dass der Kl. besondere theoretische Kenntnisse auf diesem Gebiet erworben und in der FaIlliste eine hinreichende Anzahl von Fällen verteilt auf die einzelnen Teilbereiche dieses Fachanwaltsgebiets benannt hat, war nicht streitig. Die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung „Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht“ hing jedoch davon ab, ob die Bearbeitung der von ihm eingereichten Fälle durch ihn i.S.v. § 5 S. 1 Hs. 1 FAO persönlich und weisungsfrei als Rechtsanwalt erfolgt war. Dies hatte er bis zuletzt nicht schlüssig dargelegt. Eine i.S.v. § 5 S. 1 Hs. 1 FAO persönliche Bearbeitung von Fällen liegt nur vor, wenn sich der Rechtsanwalt – etwa durch die Anfertigung von Vermerken und Schriftsätzen oder die Teilnahme an Gerichts- und anderen Verhandlungen – selbst mit der Sache inhaltlich befasst hat. Beschränkt sich seine Befassung auf ein Wirken im Hintergrund, liegt eine persönliche Bearbeitung i.S.v. § 5 S. 1 Hs. 1 FAO dagegen nicht vor (BGH, Beschl. v. 25.10.2006 – AnwZ (B) 80/05, NJW 2007, 599 Rn. 8). Ein solches Wirken im Hintergrund kann nämlich einem Rechtsanwalt die in § 5 S. 1 Hs. 1 FAO geforderte praktische Erfahrung in der unmittelbaren Wahrnehmung der Interessen seiner Mandanten gegenüber ihren Kontrahenten und Behörden oder Gerichten nicht vermitteln. Eine in diesem Sinne persönliche Bearbeitung hat der keine persönliche Bearbeitung nachgewiesen Rechtsanwalt in der Form des § 6 FAO nachzuweisen, soweit er nicht durch Verwendung eines eigenen Briefkopfs oder in ähnlicher Weise nach außen als Bearbeiter in Erscheinung tritt. In eigener Kanzlei war der Kl. nicht tätig. Daher hatte er auf andere geeignete Weise den Nachweis zu führen, dass die über die Briefköpfe seiner Arbeitgeber bearbeiteten Akten durch ihn persönlich und weisungsfrei bearbeitet wurden. Eine entsprechende Erklärung seiner Arbeitgeber hat der Kl. nicht vorgelegt. Insbesondere vor diesem Hintergrund durfte die Bekl. von dem Kl. die Vorlage von Arbeitsproben verlangen, um eine Überprüfung seiner Tätigkeit nach außen und eine Abgrenzung zu Tätigkeiten seiner Arbeitgeber vornehmen zu können. Der Kl. hat sich allein auf die von ihm vorgelegten Falllisten berufen die er im laufenden Verfahren weiter angepasst und ergänzt hat. Weiter hat er als Ersatz für die Vorlage von Arbeitsproben die Führung eines Fachgespräches angeboten. Dies hat ihn jedoch nicht von seiner Vorlagepflicht (-obliegenheit) entbunden. Der Wortlaut von § 6 III 2 FAO ist eindeutig. Hiernach sind auf Verlangen des Fachausschusses anonymisierte Arbeitsproben vorzulegen. Unter „Arbeitsprobe“ ist in der Regel die Handakte – im Original oder in Fotokopie – oder ein Auszug derselben zu verstehen (Henssler/Prütting/Offermann-Burckart, BRAO, § 6 Rn. 49). Die Anforderung von anhand der Fallliste ausgewählten Arbeitsproben ist sogar der Regelfall und bedarf als solcher weder einer besonderen Begründung noch beBRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 100

RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0