BRAK-Mitteilungen 2/2022

ist danach nur eine enge Begrenzung auf nachgewiesene Notlagen), und verbietet eine beliebige Ausdehnung. Unabhängig davon obliegt die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 89 II BRAO der Kammerversammlung in ihrer Gesamtheit, nicht ihrem einzelnen Mitglied (s. z.B. Lauda, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 89 BRAO, Rn. 1 m.w.N. zur Rechtsprechung). Dies ist auch den Kl. entgegen zu halten, soweit sie geltend machen, dass das Präsidium in Bezug auf die Vermögensverwaltung nicht von jeglicher Kontrolle durch die Kammerversammlung freigestellt sein könne. So ist auch die zur Wahrnehmung ihrer Aufgabe erforderliche Unterrichtung und Information der Kammerversammlung zu erteilen (vgl. § 73 II Nr. 7 BRAO), ohne dass insoweit und hierauf bezogen durch Gesetz oder Satzung ein Anspruch ihres einzelnen Mitglieds begründet worden ist (BGH, Beschl. v. 16.10. 2000 – AnwZ (B) 71/99, NJW-RR 2001, 996 Rn. 13). Steht dies bei dem auf Information gerichteten Unterantrag 1 der Annahme einer subjektiven Rechtsverletzung entgegen, so gilt Gleiches erst recht für die noch weiter reichenden Vorgaben, die mit den Unteranträgen 2-4 verfolgt wurden: Inwiefern ein subjektives Recht einzelner Kammermitglieder darauf bestehen sollte, dass im Eigentum der Kammer stehende Immobilien in bestimmter Weise genutzt oder saniert werden, ist nicht ersichtlich. Auch der anders zu beurteilende Fall, dass ein Kammermitglied sich gegen finanzielle Umlagen wendet, die aus Beschlüssen nach § 89 II BRAO resultieren (vgl. zur dann gegebenen Klagebefugnis z.B. Weyland/Weyland, a.a.O., § 89 BRAO Rn. 24), liegt nicht vor. bb) Den Kl. steht bzw. stand auch kein individuelles Nutzungsrecht bzgl. des „Seehauses“ zu, welches durch die Beschlüsse über die Anträge hätte tangiert werden können. Die Kl. haben vorgetragen, dass die klagegegenständkein individuelles Nutzungsrecht lichen Beschlussfassungen jedes Kammermitglied beträfen, da bisher alle das „Seehaus“ nutzen konnten und in Zukunft von der Nutzung ausgeschlossen sein sollen. Dies begründet jedoch keine Verletzung der Kl. in eigenen Rechten i.S.d. § 112f II 2 BRAO. Die Kl. haben kein qua Mitgliedschaft in der beklagten RAK bestehendes Recht auf Nutzung der Gegenstände des Kammervermögens. Auch bzgl. des „Seehauses“ ist der Kammermitgliedschaft bei der Bekl. kein derartiges Recht immanent. Im Übrigen wurde den Kammermitgliedem eine Nutzungsmöglichkeit bzgl. des „Seehauses“ auch schon in der Vergangenheit nicht durch die Bekl. eingeräumt. Diese hatte die Nutzung und den Betrieb des Grundstücks vielmehr mit Überlassungsvertrag v. 30.4.1985 dem „Seehausverein für Rechtsanwälte e.V.“ zur alleinigen Nutzung übertragen. Nur in Absprache mit diesem Verein bestand in der Vergangenheit für die Kammermitglieder die Gelegenheit zur Nutzung des „Seehauses“. Dass seitens des Vereins die grundsätzliche Bereitschaft bestand, jedem Kammermitglied zu bestimmten Konditionen Zutritt zum Grundstück zu gewähren, hatte keinen entsprechenden Rechtsanspruch gegen den Verein zur Folge. Erst recht konnte das Handeln des Vereins keine Ansprüche gegen die Bekl. begründen. Dass dem Verein die Stellung eines Organs der Bekl. zugekommen sein könnte, wie die Kl. meinen, ist angesichts der abschließenden Regelung der §§ 63-91 BRAO nicht begründbar. cc) Eine individuelle Rechtsverletzung ergibt sich auch nicht daraus, dass den Kl. hinsichtlich jeglicher Beschlussanträge unabhängig von deren Gegenstand ein subjektives Recht auf ordnungsgemäße Behandlung und Bescheidung in der Kammerversammlung zustünde. Die Kl. möchten ihre Klagebefugnis ableiten aus der Gefahr, dass bei künftigen Kammerversammlungen „in gleicher Weise“ mit Anträgen der Kammermitglieder umgegangen werde, wobei sie formelle Rechtsverstöße ansprechen, zu denen es ihrer Auffassung nach bei der Beschlussfassung über den klagegegenständlichen Antrag sowie bei der Ankündigung der Tagesordnung gekommen sein soll. Jedes Kammermitglied habe ein Recht auf (ordnungsgemäße) Abstimmung in der Kammerversammlung, das vorliegend verletzt worden sei. Die Möglichkeit eines Kammermitglieds, Rechtsverletzungen bei Beschlüssen der Kammerversammlung gerichtlich überprüfen zu lassen, reicht bei Verstößen gegen Verfahrensvorschriften jedoch nicht weiter als bei materiell-rechtlichen Fehlern. In beiden Fällen ist erforderlich, dass der Gegenstand des Beschlusses in subjektive Rechte des Kl. eingreift. Dies folgt schon aus § 112f II 2 BRAO, wo das Erfordernis einer Klagebefugnis allein für die Anfechtung von Beschlüssen aufgestellt wird. Gegen eine Wahl kann dagegen stets jedes Kammermitglied vorgehen und dabei gerade formelle Rechtsverstöße unbegrenzt rügen. Diese Differenzierung würde keinen Sinn ergeben, wenn Verfahrensmängel auch bei allen Beschlüssen i.S.d. § 112f BRAO voraussetzungslos angefochten werden könnten. Es besteht vielmehr kein Individualrecht auf eine verfahrensfehlerfreie Durchführung der Kammerversammlung. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, dem einzelnen Rechtsanwalt hinsichtlich sämtlicher Beschlüsse eine Art Popularklage einzuräumen. Hierfür besteht kein Bedürfnis, da die Interessen der Allgemeinheit von der Landesjustizverwaltung wahrgenommen werden (vgl. BT-Drs. 3/120, 92 zu § 103 BRAO-E). Dem einzelnen Mitglied steht daher kein Recht zu, unter dem Grundsatz eines effektiven Rechtsschutzes jede Entscheidung der Kammerversammlung angreifen zu können, die er objektiv für rechtswidrig hält. (AGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 8.11.2013 – 2 AGH 26/12, NJW-RR 2014, 945 Rn. 58). Folgerichtig hat der BGH bisher auch in Fällen, in denen primär formelle Fehler einer Beschlussfassung gerügt wurden, hinsichtlich der Klagebefugnis gleichwohl allein auf die Betroffenheit BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 116

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