„materieller“ Rechte des Kl. abgestellt (vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 12.5.1975 – AnwZ (B) 2/75, BGHZ 64, 301, Rn. 36, 37 bei juris; BGH, Beschl. v. 17.5.1976 – AnwZ (B) 39/75, BGHZ 66, 297, Rn. 19, 20 bei juris). Entsprechend folgt eine Klagebefugnis auch im vorliegenden Fall nicht aus dem Vortrag, dass – der Kl. zu 1) in der Kammerversammlung v. 3.5.2019 nach der Abstimmung zum Unterantrag 4 „Antrag auf schriftliche Abstimmung“ gestellt habe und dies übergangen worden sein soll, – dem Kl. zu 1) aufgrund einer mangelhaften Tagesordnung mangels weiterer Lektüre der „Sondermitteilung“ unbekannt geblieben sei, dass der „Antrag zum Seehaus“ in der Kammerversammlung behandelt werden sollte, bis er wenige Tage vor der Versammlung von Kollegen davon erfahren habe, – der Kl. zu 2) Mitantragsteller des klagegegenständlichen Antrags bzw. der vier Unteranträge zum Seehaus gewesen sei, – die Kl. zu 1) bis 3) in der Kammerversammlung v. 3.5. 2019 anwesend gewesen seien, – die Kl. 4) bis 7) in der Kammerversammlung v. 3.5. 2019 nicht anwesend gewesen seien, jedoch teilgenommen hätten, wenn sie vom klagegegenständlichen Antrag rechtzeitig Kenntnis erlangt hätten. Soweit die Kl. Verfahrensfehler darin sehen, dass sich Präsidiums- und Vorstandsmitglieder der Bekl. an der Abstimmung und vorangehenden Diskussion zu den Unteranträgen beteiligten, weist der Senat ergänzend darauf hin, dass hierin kein Verstoß gegen § 88 IV 1 BRAO zu sehen sein dürfte: Was danach in der Kammerversammlung und nach § kein Verstoß gegen § 88 IV 1 BRAO 72 II 1 BRAO parallel im Vorstand als „eigene Angelegenheit“ zum Stimmrechtsausschluss führt, ist im Gesetz nicht ausgeführt. Bei Schaffung der Vorschriften wollte der Gesetzgeber jedenfalls an einschlägige Normen des Gesellschaftsrechts anknüpfen (vgl. BTDrs. III/120, 86 für § 85 BRAO-E. S. 91 für § 101 BRAOE). Von diesen bestimmt etwa § 34 BGB, dass ein Vereinsmitglied in der Mitgliederversammlung nicht stimmberechtigt ist, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein betrifft. § 47 IV 1 GmbHG schließt zudem Gesellschafter von einer Beschlussfassung aus, durch die sie entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden sollen. Ähnliches regelt § 43 VI GenG für die Stimmrechte der Mitglieder einer Genossenschaft in der Generalversammlung. Die vier Unteranträge zum „Seehaus“ besaßen keinen derartigen Gegenstand, sondern beschränkten sich auf Aufforderungen an den Vorstand. Sie waren damit insb. auch nicht auf eine „Entlastung“ des Vorstands oder auf eine Entscheidung mit vergleichbarer Kontrollfunktion gerichtet. Unabhängig von der Frage, ob und inwieweit ein solcher Ausschlusstatbestand auf den Vorstand einer RAK überhaupt zu übertragen ist, genügt hierfür jedenfalls nicht, dass einerseits die Unteranträge einen bestimmten Gegenstand des Kammervermögens betrafen und andererseits der Vorstand der Kammerversammlung über die Verwaltung des Vermögens jährlich Rechnung zu legen hat (§ 73 II Nr. 7 BRAO). Ebenso wenig genügt, dass es dem Präsidenten grundsätzlich obliegt, Beschlüsse der Kammerversammlung umzusetzen (§ 80 II 2 BRAO). Andernfalls wären die Vorstandsmitglieder vielfach und der Präsident sogar stets von der Beschlussfassung in der Kammerversammlung ausgeschlossen. Wäre eine derart weitreichende Unvereinbarkeit der Mitwirkung in einem Organ und in der Kammerversammlung gewollt, hätte der Gesetzgeber dies ausdrücklich angeordnet und sich nicht mit dem Hinweis auf gesellschaftsrechtliche Normen begnügt. Einer Organfunktion als Präsident oder Mitglied von Vorstand bzw. Präsidium immanent ist es zudem, sich gegenüber der Kammerversammlung zu Anträgen zu äußern, die sich an diese Organe richten oder in deren Aufgabenkreis liegende Angelegenheiten betreffen. Entgegen der Auffassung der Kl. bedeutet es daher kein Fehlverhalten, sondern liegt in der Natur ihres Amtes, wenn solche Funktionsträger faktisch einen stärkeren Einfluss auf den Diskussionsverlauf ausüben können als „einfache“ Mitglieder. Solchen gegenüber sind sie nicht „privilegiert“, sondern handeln in Ausübung der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung für die Kammer. dd) Den Kl. steht schließlich auch keine Klagebefugnis nach § 112a I BRAO zu. Diese Bestimmung eröffnet in verwaltungsrechtlichen Anwaltssachen den Rechtsweg zum AGH. Sie gibt einem Kammermitglied aber keine weitergehenden Rechtsschutzbefugnisse, insb. keine Befugnisse, Beschlüsse einer RAK anfechten zu können, ohne eine Verletzung seiner eigenen Rechte geltend machen zu können (AGH Nordrhein-Westfalen, a.a.O. Rn. 58 bei juris). c) Unzulässig ist die Klage bzgl. des Klageantrags zu 1) zusätzlich auch deshalb, weil es den Kl. für eine Anfechtung der ablehnenden Beschlüsse der Kammerversammlung zu allen vier Unteranträgen zum „Seehaus“ an einem Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis leitet sich aus dem das gesamte Prozessrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), dem Verbot eines Missbrauchs prozessualer Rechte und dem Gebot der Effizienz staatlichen Handelns her. Es bildet eine Sachentscheidungsvoraussetzung für alle Klagearten und für sämtliche Anträge in selbstständigen Antragsverfahren wie auch für sämtliche Rechtsbehelfe (vgl. z.B. Hartung, in Quaas/ Zuck/Funke-Kaiser, Prozesse in Verwaltungssachen, 3. Aufl. 2018, § 3 Rn. 12 m.w.N.). Dies gilt auch für verwaltungsrechtliche Anwaltssachen. aa) Hinsichtlich des Unterantrags 1 ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis der Kl. zu verneinen, weil nicht erkennbar ist, inwiefern ein Erfolg der Klage ihre Rechtsstellung verbessern könnte. Mit dem Antrag sollSONSTIGES BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 2/2022 117
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