einen Fall über die Wiedereinsetzung, in dem ein laut Eingangsbestätigung erfolgreich übersandter Schriftsatz wegen unzulässiger Zeichen im Dateinamen nicht vom Intermediär (Server) an das Gericht weitergeleitet worden war.32 32 BFH, Beschl. v. 5.6.2019 – IX B 121/18. 1. BEI GERICHT ZUTAGE TRETENDE PROBLEME: § 130a VI ZPO HINWEISPFLICHT DES GERICHTS § 130a VI ZPO soll nach der gesetzgeberischen Intention wohl dem Umstand Rechnung tragen, dass komplizierte und sich immer wieder ändernde technische Rahmenbedingungen den Zugang zum Gericht nicht unmäßig erschweren sollen. Es geht dabei nicht um Probleme bei der Nutzung des beA als solchem, insbesondere die Anforderungen an Übermittlungsweg und Signatur gem. § 130a III und IV ZPO,33 33 BAG, Beschl. v. 15.8.2018 – 2 AZN 269/18; BAG, Beschl. v. 12.3.2020 – 6 AZM 1/20. sondern ausschließlich um die konkreten technischen Anforderungen an die übermittelten Dokumente, die sich aus den jeweils gültigen Regelungen in der ERVV ergeben. Regelmäßig wird in diesen Fällen die Nachricht als solche erfolgreich an das Gericht übermittelt, der (Format-)Fehler ist für den Absender oft erst einmal nicht erkennbar. Erst das Gericht merkt, dass das Dokument „nicht zur Bearbeitung durch das Gericht geeignet“ ist, z.B. weil ein unzulässiger Dateityp, beispielsweise ein Word-Dokument,34 34 So im Fall des OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22. gewählt wurde. Das Gericht ist dann verpflichtet, dem Absender dies unter Hinweis auf die Unwirksamkeit des Eingangs unverzüglich mitzuteilen. Wenn das passiert, ist Eile geboten: a) Die Nachreichung muss unverzüglich erfolgen. Auf weitere Hinweise des Gerichts darf man nicht hoffen.35 35 BAG, Beschl. v. 12.3.2020 – 6 AZM 1/20. b) Sie muss dann in der für das Gericht zur Bearbeitung geeigneten Form erfolgen, also nicht beispielsweise per Fax.36 36 Wie im selben Fall des OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22. c) Zudem ist glaubhaft zu machen, dass das Dokument mit dem zuerst eingereichten inhaltlich übereinstimmt. Eine Zurückweisung durch das Gericht darf dann gar nicht erfolgen, wenn gerichtsintern Probleme mit einem an sich zulässigen Dateiformat entstehen. Im Fall des OLG Nürnberg37 37 OLG Nürnberg, Beschl. v. 31.1.2022 – 3 W 149/22. wollte das Gericht Teile aus dem eingereichten Dokument kopieren und diese wiederum in ein anderes elektronisches Dokument einfügen. Es erschien eine unleserliche und sinnentstellte und damit nicht weiterbearbeitbare Buchstabenreihung. Das OLG führt dazu nachvollziehbar aus: „Nach § 2 I 1 ERVV in der bis zum 31.12.2021 geltenden Fassung ist das elektronische Dokument in druckbarer, kopierbarer und, soweit technisch möglich, durchsuchbarer Form im Dateiformat PDF zu übermitteln. Dies bedeutet, dass in den das Dokument enthaltenen Eigenschaften der Datei nicht die Möglichkeit des Drucks ausgeschlossen werden oder die Datei mit einem Kennwort zum Öffnen versehen sein darf. Den Bedingungen der ERVV entspricht das Dokument auch dann nicht, wenn es verschlüsselt oder mit Viren verseucht oder mit einer anderen schädlichen Software verbunden ist. Nicht jeder Verstoß gegen die ERVV soll zur starren Rechtsfolge der (nach § 130a VI ZPO heilbaren) Formunwirksamkeit führen. Denn § 130a II ZPO, den die ERVV näher ausgestaltet, soll lediglich gewährleisten, dass eingereichte elektronische Dokumente für das Gericht lesbar und bearbeitungsfähig sind.38 38 BT-Drs. 17/12634, S. 25. Vor dem Hintergrund dieses Zwecks ist auch die Rechtsfolge eines Verstoßes zu bestimmen: Formunwirksamkeit tritt dann ein, wenn der Verstoß dazu führt, dass eine Bearbeitung durch das Gericht nicht möglich ist, z.B. weil sich die eingereichte Datei nicht öffnen bzw. der elektronischen Akte nicht hinzufügen lässt oder weil sie schadcodebelastet ist. Demgegenüber führen Verstöße gegen die ERVV dann nicht zur Formunwirksamkeit des Eingangs, wenn sie lediglich einen bestimmten Bearbeitungskomfort sicherstellen sollen, nicht aber der Lesbarkeit und Bearbeitbarkeit als solches entgegenstehen.“ 2. PROBLEME BEI DER VERSENDUNG: § 130d S. 2, 3 ZPO § 130d ZPO ermöglicht eine Einreichung des Schriftsatzes „nach den allgemeinen Vorschriften, wenn die elektronische Einreichung von Schriftsätzen aus technischenGründen vorübergehend unmöglich ist. a) NUR TECHNISCHE FEHLER Voraussetzung ist, dass tatsächlich ein rein technischer Fehler vorliegt. Das sind z.B. in Störungen der Internetverbindung, des IT-Systems der Kanzlei oder auch ein Ausfall des beA-Systems. Nicht gemeint sind Bedienfehler. Zu dem gleichlautenden § 55d S. 3 VwGO stellt das OVG NRW39 39 OVG NRW, Beschl. v. 10.3.2022 – 19 E 147/22. fest, dass dieser professionelle Einreicher nicht von der Notwendigkeit entbinde, die notwendigen technischen Einrichtungen für die Einreichung elektronischer Dokumente vorzuhalten und bei technischen Ausfällen unverzüglich für Abhilfe zu sorgen. b) UNVERZÜGLICHE GLAUBHAFTMACHUNG Die vorübergehende technische Unmöglichkeit ist vorrangig zugleich mit der Ersatzeinreichung glaubhaft zu machen. Lediglich dann, wenn der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen, genügt eine unverzügliche Glaubhaftmachung,40 40 OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 25.1.2022 – 4 MB 78/21; LG Frankfurt, VU v. 19.1.2022 – 2-13 O 60/21. die jedenfalls JUNGK, BEA FÜR ALLE: WAS ZU BEACHTEN IST AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 131
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