BRAK-Mitteilungen 3/2022

ee) ZUMUTBARKEIT ALTERNATIVER ÜBERMITTLUNG Gibt es bei der Versendung Probleme, spielt die Möglichkeit einer „Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften“ i.S.d. § 130d S. 2, 3 ZPO auch für die Verschuldensfrage eine Rolle. Solange diese noch zumutbar ist, wird man sie nutzen müssen. Das OVG NRW51 51 OVG NRW, Beschl. v. 12.7.2019 – 4 B 518/19. hielt es bei einer überschaubaren Entfernung nicht für unzumutbar, ein Taxi zu nutzen, um vom Homeoffice in die Kanzlei zu fahren und die Versendung von dort nochmals zu versuchen. d) KAUSALITÄT DES ANWALTSVERSCHULDENS – GERICHTLICHE HINWEISPFLICHT Eine gerichtliche Hinweispflicht besteht nicht nur im Hinblick auf reine Formatfehler mit der Folge einer Nachreichungsmöglichkeit gem. § 130a VI ZPO, sondern auch bezüglich anderer Formmängel, wie z.B. der fehlenden Signatur. Das BAG52 52 BAG, Beschl. v. 14.9.2020 – 5 AZB 23/20. stellt hierzu fest: „Die aus dem verfassungsrechtlichen Gebot eines fairen Verfahrens erwachsende, gerichtliche Fürsorgepflicht gebietet es – im Rahmen eines ordnungsgemäßen Geschäftsganges – eine Prozesspartei auf einen leicht erkennbaren Formmangel, wie eine fehlende einfache Signatur in einem bestimmenden Schriftsatz, hinzuweisen und ihr Gelegenheit zu geben, den Fehler fristgerecht zu beheben. Wenn dieser Fehler ohne weiteres erkennbar ist, muss dieser Hinweis vor Ablauf der Frist notfalls auch per Telefon oder Telefax erfolgen, wenn dies ohne unzumutbare Anstrengung möglich ist.“ Für die Wiedereinsetzung bedeutet das: Wäre der Hinweis erteilt worden, hätte der Mangel innerhalb der noch zur Verfügung stehenden Zeit ohne weiteres behoben werden können. Bei dieser Sachlage wirkt sich ein etwaiges Verschulden der Prozessbevollmächtigten der Beklagten für die Fristversäumung nicht mehr aus.53 53 BAG, Beschl. v. 14.9.2020 – 5 AZB 23/20. MITGLIEDER DER RECHTSANWALTSKAMMERN UND FACHANWALTSSTATISTIK ZUM 1.1.2022 RECHTSANWÄLTIN DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL., UND ASTRID FRANKE* * Die Autorin Nitschke ist Rechtsanwältin in Karlsruhe und Geschäftsführerin der BRAK, die Autorin Franke ist Sachbearbeiterin bei der BRAK, Berlin. Seit 2008 veröffentlicht die BRAK regelmäßig Statistiken zur Anwaltschaft in Deutschland. Die Zahlen hierzu erhebt sie von den Rechtsanwaltskammern. Darauf beruhen die jährlichen Mitgliederstatistiken, aus denen die Entwicklung der Zahl der zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, der Rechtsanwaltsgesellschaften sowie der Fachanwaltschaften zu ersehen ist. Nachfolgend wird die Entwicklung der Mitglieder der Rechtsanwaltskammern sowie der Fachanwaltschaften zum 1.1.2022 im Überblick dargestellt. I. MITGLIEDER DER RECHTSANWALTSKAMMERN Zum Stichtag 1.1.2022 verzeichneten die 28 regionalen Rechtsanwaltskammern insgesamt 167.085 Mitglieder. Im Vergleich zum Vorjahr (167.092) bedeutet dies einen minimalen Rückgang um sieben Mitglieder (-0,004 %). Nach dem erstmaligen Rückgang im vergangenen Jahr1 1 Vgl. Presseerkl. Nr. 5/2021 v. 29.4.2021 sowie Witte/Franke, BRAK-Mitt. 2021, 152. stagniert die Zahl nunmehr. Insgesamt waren 165.587 Rechtsanwälte (Vorjahr: 165.680) zugelassen, das entspricht einem Rückgang von 93 oder -0,06 %. Unter den Zugelassenen sind 60.057 (Vorjahr: 59.466) Rechtsanwältinnen. Dies bedeutet einen weiteren Anstieg des Frauenanteils auf 36,27 % (Vorjahr: 35,9 %).2 2 Zur Entwicklung des Frauenanteils in der Anwaltschaft s. die Aufstellung ab 1970 unter https://www.brak.de/presse/zahlen-und-statistiken/statistiken/entwicklunganteil-rainnen-ab-1970. Wiederum haben sich die Einzelzulassungen als Rechtsanwältin bzw. Rechtsanwalt zugunsten der Syndikus-Zulassungen deutlich verringert. Zum 1.1.2022 waren 142.822 (Vorjahr: 144.733; -1.911) Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit Einzelzulassung, 5.149 Syndikusrechtsanwältinnen und -anwälte (Vorjahr: 4.410; +739) und 17.616 (Vorjahr: 16.537; +1.079) Rechtsanwältinnen/Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwältinnen/ -anwälte mit Doppelzulassung zugelassen. Der Frauenanteil ist in allen Zulassungsarten weiter angestiegen, liegt bei den Syndizi jedoch deutlich höher als bei den Einzelzulassungen (34,42 %). 44,96 % der doppelt Zugelassenen und sogar 57,70 % der als Syndikus Zugelassenen sind weiblich. Wie auch in den letzten Jahren ist die Anzahl der Anwaltsnotarinnen und -notare weiter rückläufig: Mit 5.015 liegt sie um 2,89 % unter dem Vorjahr (5.164). Die Anzahl derjenigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die zugleich in einem anderen Beruf tätig sind, verringerte sich im Vergleich zum Vorjahr. Zugleich als Wirtschaftsprüferinnen bzw. -prüfer tätig waren 517 (Vorjahr: 544), als Steuerberaterinnen/-berater 1.976 (Vorjahr: 2.016) und als vereidigte Buchprüferinnen/-prüfer 321 (Vorjahr: 326). AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 133

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