BRAK-Mitteilungen 3/2022

Erfolgshonorar nur im Einzelfall und unter Beachtung erheblicher Form- und Inhaltsvorschriften zulässig. Der Gesetzgeber hat hierin eine Inkohärenz zwischen gewerblichen und freiberuflichen Rechtsdienstleistern gesehen. Sein erklärtes Ziel im Rahmen des Gesetzes zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt2 2 BGBl. 2021 I 3415. war, die Chancengleichheit für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in diesem Marktsegment zu eröffnen. Das grundsätzliche Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für das Erfolgshonorar hat der Gesetzgeber beibehalten. Faktisch hat er das Verbot durch die Ausweitung der Erlaubnisse in § 4a I RVG aufgehoben. So ist in § 4a I Nr. 1 RVG ein Erfolgshonorar bei Geldforderungen im Wert bis 2.000 Euro zulässig, soweit es sich nicht um Forderungen handelt, die der Pfändung nicht unterliegen. Im Ergebnis dürfte bei einer nicht KIunterstützten anwaltlichen Dienstleistung in diesem Bereich die Möglichkeit des Erfolgshonorars für den Rechtsanwalt keinen wirtschaftlichen Anreiz bieten.3 3 Zu den Einzelheiten s. Hinne, BRAK-Mitt. 2021, 278. In § 4a I Nr. 2 RVG wird das Erfolgshonorar für Inkassodienstleistungen im außergerichtlichen und im mahngerichtlichen Bereich eröffnet; erst bei der streitigen Gerichtsbarkeit endet die Berechtigung der Erfolgshonorarvereinbarung. Der Gesetzgeber hat es jedoch versäumt, den Begriff der Inkassodienstleistung sachgerecht zu definieren. Der BGH4 4 BGH, Urt. v. 13.7.2021 – II ZR 84/20. hat zur Definition der Rechtsdienstleistung auf die ungenaue Definition des RDG zurückgegriffen und festgestellt, dass jegliche Rechtsverfolgung einschließlich der klageweisen Rechtsdurchsetzung Inkasso darstellt. Umgekehrt wird damit bei jeder Rechtsverfolgung ein Erfolgshonorar möglich sein. Zugleich ist in diesen Fällen auch die Prozessfinanzierung für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte eröffnet, denn § 49b II 2 BRAO hebt das Verbot der Prozessfinanzierung in den Fällen des erlaubten Erfolgshonorars nach § 4a I 2 RVG auf. b) PRAKTISCHE PROBLEME Ob ein Erfolgshonorar sinnvoll ist, wird im Einzelfall zu entscheiden sein. Zu bedenken ist allerdings, dass die Anforderungen an die vertragliche Vereinbarung in den Fällen des neu eröffneten Erfolgshonorars noch unsicher sind. Zudem handelt es sich bei Verträgen über rechtsanwaltliche Dienstleistungen um Verträge über Dienste höherer Art, bei denen die jederzeitige Kündigungsmöglichkeit nicht eingeschränkt werden darf. Der BGH sieht die jederzeitige grundlose Kündigungsmöglichkeit in § 627 BGB als einen unverzichtbaren Baustein im Synallagma der Dienste höherer Art an. Er hat daher in der bisherigen Rechtsprechung alle Vertragsgestaltungen für unzulässig gehalten, bei denen die Kündigungsmöglichkeit wirtschaftlich erschwert wird. Bei Erfolgshonorarvereinbarungen ist auch die Kündigung kurz vor Erreichen des wirtschaftlichen Zieles von § 627 BGB erfasst. Wie unter diesen Umständen ein Erfolgshonorar gesichert werden kann, ohne die Kündigungsmöglichkeit zu beschränken, ist noch ungeklärt. 2. GESETZ ZUR VERBESSERUNG DES VERBRAUCHERSCHUTZES IM INKASSORECHT a) HINTERGRÜNDE Im Inkasso sind eine Reihe von Rechtsmissbräuchen der Grund für eine gesetzgeberische Einschränkung der erstattbaren Kosten durch das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht.5 5 BGBl. 2020 I 3320; dazu Halm, BRAK-Mitt. 2021, 282. Insbesondere bei kleinen Forderungen übersteigen die (teils mehrfach geltend gemachten) Inkassokosten bei Einschaltung gewerblicher Inkassodienstleister die eigentliche Forderung schnell um ein Vielfaches. Für manches Unternehmen ist das Inkasso lukrativer als die eigentliche Dienstleistung. Dem Gesetzgeber reichte der inzwischen effektiv ausgeübte strafrechtliche Schutz vor missbräuchlichen Rechtsgestaltungen im Inkassobereich nicht aus. Er hat die erstattbaren Kosten durch neue einschränkende Regelungen der Inkassovergütung verringert. Dabei ist sowohl das einfache Inkasso durch gewerbliche Rechtsdienstleister als auch das qualifizierte Inkasso durch Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte betroffen. Das scheint auf den ersten Blick eine Gleichbehandlung zu sein; jedoch sind die Sachverhalte unterschiedlich. Inkassounternehmen sind berufsrechtlich nicht verpflichtet, die Berechtigung der Inkassoforderung zu prüfen. In der Regel werden Datensätze vom Auftraggeber übermittelt, die in Forderungsschreiben umgesetzt werden. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind berufsrechtlich verpflichtet, vor der Geltendmachung die Berechtigung der Forderung rechtlich zu überprüfen. Hier werden also ungleiche Sachverhalte gleich geregelt. b) INHALT DER NEUREGELUNG Durch die Neuregelung in der Anm. 2 zu Nr. 2300 VVRVG besteht bei unbestrittenen Forderungen nicht mehr der allgemeine Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 der Wertgebühr, sondern nur noch ein Rahmen von 0,5 bis 1,3. Die Mittelgebühr von 0,9 kann dabei nur noch überschritten werden, wenn die Bearbeitung besonders umfangreich oder besonders schwierig ist. Diese Anforderung ist höher als die zur Überschreitung der Schwellengebühr nach der Anm. 1 zu Nr. 2300 VV-RVG in allgemeinen Rechtsangelegenheiten, denn hier ist nur erforderlich, dass die Bearbeitung umfangreich oder schwierig ist. In einfachen Fällen ist die Gebühr sogar auf 0,5 der Wertgebühr beschränkt. Ob ein Fall einfach ist, ist daHINNE, DIE ENTWICKLUNG DER RECHTSANWALTSVERGÜTUNG 2021/2022 BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 AUFSÄTZE 136

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