BRAK-Mitteilungen 3/2022

reicht. Der Kläger macht geltend, dass eine im Januar 2019 erstellte Gerichtskostenvorschussrechnung seinem Anwalt nicht zugegangen sei. Im Juli 2019 erhielt der Kläger persönlich eine Vorschussrechnung und zahlte die Gerichtskosten ein. Danach wurden die Akten bei Gericht irrtümlich weggelegt. Im April 2020 fragte der Anwalt bei Gericht an, wann mit einer Terminierung zu rechnen sei. Daraufhin wurde die Klage der Beklagten im Mai 2020 zugestellt. Die Beklagte erhob u.a. die Einrede der Verjährung. Das LG wies die Klage deswegen ab; die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück. Zugunsten des Klägers sei für das Revisionsverfahren davon auszugehen, dass Kenntnis i.S.v. § 199 I BGB erst im Laufe des Jahres 2016 vorgelegen habe, so dass Verjährung nicht vor Ende 2019 eingetreten sein könne. Die Zustellung der Klage im Mai 2020 habe gem. § 167 ZPO noch auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zurückgewirkt; sie sei noch als „demnächst“ erfolgt anzusehen. Der Begriff „demnächst“ sei im Wege einer wertenden Betrachtung auszulegen. Der Kläger habe den Gerichtskostenvorschuss 2019 und damit rechtzeitig einbezahlt. Verzögerungen vor dem rechnerischen Verjährungseintritt seien nicht zu berücksichtigen. Verzögerungen, die durch fehlerhafte Sachbehandlung seitens des Gerichts (Weglegen der Akte) bewirkt wurden, seien der Partei nicht zuzurechnen. Zu einer Nachfrage, ob die Zustellung der Klage erfolgt sei, seien der Kläger und sein Anwalt nicht verpflichtet gewesen, nachdem der Kläger durch die Vorschusseinzahlung alle von ihm zu fordernden Mitwirkungshandlungen erbracht habe.3 3 Vgl. BGH, NJW 2016, 568; NJW-RR 2018, 461; NJW-RR 2019, 976. (hg) BERUFSHAFTPFLICHTVERSICHERUNG VORWEGGENOMMENE DECKUNGSKLAGE IN DER HAFTPFLICHTVERSICHERUNG; WISSENTLICHE PFLICHTVERLETZUNG 1. Im vorweggenommenen Deckungsprozess in der Haftpflichtversicherung ist hinsichtlich des maßgeblichen Pflichtenverstoßes auf den Vortrag des Geschädigten, hier des Mandanten des Anwalts, abzustellen. 2. Der Vortrag des Mandanten, der von ihm in Anspruch genommene Rechtsanwalt habe entgegen ausdrücklicher Weisung gehandelt, indem er mehrere Berufungen ohne das Vorliegen von Deckungszusagen der Rechtsschutzversicherung eingelegt habe, impliziert – seine Richtigkeit für das Deckungsverhältnis unterstellt – eine Verletzung elementarer beruflicher Pflichten eines Rechtsanwalts, die den versicherungsvertraglichen Ausschlusstatbestand der wissentlichen Pflichtverletzung erfüllt. OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.12.2021 – 4 U 252/20 Ein Rechtsanwalt begehrt von seiner Berufshaftpflichtversicherung Versicherungsschutz für einen gegen ihn gerichtlich anhängigen Haftpflichtanspruch einer vormaligen Mandantin. Im Haftpflichtprozess wird dem Anwalt vorgeworfen, in mehreren von ihm für die Mandantin geführten Ausgangsverfahren entgegen der Weisung der Mandantin Berufung eingelegt zu haben, obwohl diese ihn angewiesen habe, Berufung jeweils nur dann einzulegen, wenn eine Deckungszusage ihrer Rechtsschutzversicherung vorliege, was nicht der Fall gewesen sei. Der Versicherer beruft sich insofern auf den Ausschlusstatbestand der wissentlichen Pflichtverletzung gem. § 4 Nr. 5 AVB. Die Klage des Anwalts blieb in zwei Instanzen erfolglos. In der Haftpflichtversicherung werde, so das OLG, die im Deckungsprozess versicherungsrechtlich zu prüfende Pflichtverletzung im Regelfall durch ein rechtskräftiges Haftpflichturteil vorgegeben, das hinsichtlich des Haftungstatbestands, soweit Voraussetzungsidentität bestehe, für das Versicherungsvertragsverhältnis bindend sei.4 4 St. Rspr., z.B. BGH, r+s 2006, 149. Lägen, wie hier, mangels eines rechtskräftigen Haftpflichturteils noch keine für das Deckungsverhältnis bindenden Feststellungen vor (sog. vorweggenommener Deckungsprozess), sei bei der Beurteilung der Frage, ob der Versicherer seinem Versicherungsnehmer Deckungsschutz für eine Inanspruchnahme durch einen Dritten zu gewähren hat, vom Vortrag des Geschädigten und damit von dem von ihm gegen den Haftpflichtversicherten erhobenen Vorwurf auszugehen. Über den Haftpflichtanspruch als solchen sei dabei nicht zu entscheiden. Eine Aussetzung des Deckungsprozesses nach § 148 I ZPO komme nicht in Betracht, da es gerade der Wunsch des versicherten Anwalts sei, den Deckungsschutz im Wege der vorweggenommenen Deckungsklage zu klären. Die Voraussetzungen des vom Versicherer erhobenen Deckungseinwands der wissentlichen Pflichtverletzung, bei dem es sich um einen wirksamen subjektiven Risikoausschluss handle, müsse grundsätzlich der Versicherer darlegen und beweisen. Eine Ausnahme bestehe dann, wenn es sich um eine Verletzung elementarer beruflicher Pflichten, sog. „Kardinalpflichten“ handle. Um eine solche Kardinalpflicht handle es sich bei der Pflicht eines Anwalts, Weisungen der Mandantschaft, unter welchen Voraussetzungen eine Berufung eingelegt werden soll, zu beachten. Jedem Anwalt sei bewusst, dass die Kostenfrage, insb. die Frage, ob der Mandant die Anwaltsgebühren und Gerichtskosten aus eigenem Vermögen zu begleichen hat oder ob ein Kostendeckungsanspruch gegenüber einem Rechtsschutzversicherer besteht, für jeden rechtsschutzversicherten Mandanten regelmäßig von großem Interesse sei. Angesichts dessen sei – ausgehend vom Vortrag der Klägerin im Haftpflichtprozess – für den vorweggenommenen Deckungsprozess von wissentlichen Pflichtverletzungen des haftpflichtversicherten Anwalts auszugehen, so dass die Deckungsklage unbegründet und die Berufung zurückzuweisen sei. AUFSÄTZE BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 145

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