den § 6 II lit. c) FAO entspricht (Offermann-Burckart, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., 2019, § 4a FAO Rn. 1). Die Vorschrift stammt aus einer Zeit, in der Online-Klausuren schon technisch nicht denkbar waren. Der historische Normgeber konnte Online-Klausuren also gar nicht in seinen Willen aufnehmen und hat dies ersichtlich nicht getan. Vielmehr hatte er die damals allein mögliche physische Aufsicht vor Augen, wie sie etwa auch bei Aufsichtsarbeiten im juristischen Staatsexamen praktiziert wurde und wird und wie sie auch sonst in berufsbezogenen Prüfungen praktiziert wird. An diesem überkommenen, auf den Willen des Normgebers zurückgehenden Normverständnis hält die erkennende Kammer fest. Es geht nicht an, einer Vorschrift im Wege der Auslegung allein deshalb einen anderen Inhalt beizumessen, weil das Schreiben von Präsenzklausuren für (sehr) kurze Zeit durch die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Pandemie unmöglich oder jedenfalls erschwert war. Zwar erscheint es der erkennenden Kammer von Rechts wegen durchaus möglich, durch eine entsprechende Beschlussfassung der Satzungsversammlung Online-Klausuren den Aufsichtsarbeiten nach § 4a FAO gleichzustellen und den hierfür gebotenen rechtlichen Rahmen normativ vorzuzeichnen. Die Satzungsversammlung ist hieran insbesondere nicht durch zwingendes höherrangiges Recht gehindert. Eine positive Regelung ist allerdings Bedingung der Anerkennungsfähigkeit; sie kann im Wege der Auslegung nicht gleichsam kreiert werden. Die Richtigkeit des durch Auslegung des § 4a I FAO gewonnenen Ergebnisses zeigt sich auch an dem Umstand, dass die Rahmenbedingungen von Online-Klausuren mit Blick auf das Recht der informationellen Selbstbestimmung und vor dem Hintergrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen einer ausdrücklichen (normativen) Zulassung bedürften. Insbesondere unterliegt die Videoaufsicht strengen verfassungsrechtlichen Maßstäben. Zu berücksichtigen sind vor allem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme nach Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG). Diese Gesichtspunkte haben beispielsweise den Landesgesetzgeber bewogen (vgl. LT-Drs. 16/9310, 23), Online-Klausuren in § 32a LHG auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen und den rechtlichen Rahmen für solche Klausuren, auch mit Blick auf den Grundsatz der Erforderlichkeit, auszugestalten, hierbei zugleich einen hinreichenden Spielraum für die Prüfungsordnungen der Hochschulen lassend (§ 32a I 1 LHG). Das Bündel der vom Landesgesetzgeber getroffenen Regelungen (Identitätskontrolle, vorherige Information über Datenerhebung und -verarbeitung, Verbot der Aufzeichnung und Speicherung, Aufsichtsregelungen, etc.) macht handgreiflich, dass sich für Online-Klausuren eine Vielzahl von neuen und anders gearteten Fragestellungen ergibt, die sich nicht im Wege der Auslegung oder Rechtsanalogie zu den Bestimmungen über die Präsenzklausuren „überspielen“ lassen. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Teilnehmer – wie der Kl. vorträgt – in die Durchführung der Online-Klausur und die damit einhergehende Aufsicht eingewilligt haben, und der Kl. als Privatperson handelt. Unabhängig davon, dass auch Private etwa an die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung gebunden sein können, was beispielsweise auch die hier erfolgte Fertigung, Speicherung und Weitergabe von Screenshots der Klausursituation mit Klarnamen der Teilnehmer fragwürdig erscheinen lässt, ist das Verhältnis von Lehrgangsanbieter und -teilnehmer für die hier vorliegende Rechtsfrage nicht maßgeblich. Denn für die Auslegung von § 4a FAO und die Frage, was der Normgeber regeln wollte und durfte, bedarf es nicht der Einwilligung der Betroffenen, sondern der auf eine demokratische Legitimation durch den Gesetzgeber (vgl. § 43c BRAO) zurückzuführenden Bestimmung, die (wenigstens) durch die Satzungsautonomie gedeckt ist und den hinreichenden datenschutzrechtlichen Rahmen absteckt. b) Einer Gleichstellung der Online-Klausuren mit den Aufsichtsklausuren (Präsenz-Klausuren) im Wege der Auslegung oder Rechtsanalogie stehen schließlich auch die strenge Formalisierung des Verfahrens zur Verleihung des Fachanwaltstitels sowie die – rechtlich nicht zweifelsfreie – Auslagerung von inhaltlicher Ausgestaltung der Fachanwaltslehrgänge und der abschließenden Leistungskontrolle an externe Lehrgangsveranstalter entgegen. Zu Recht wird deshalb angenommen, bei den Klausuren echte Qualitätskontrolle i.S.d. § 4a FAO handele es sich um die einzig vorhandene Qualitätskontrolle (Offermann-Burckart, in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., 2019, § 4a FAO Rn. 4; Kleine-Cosack, in Kleine-Cosack, BRAO, 8. Aufl., 2020, § 4a FAO Rn. 1). Sie dient der Überprüfung, ob die jeweilige Person in der Lage ist, das theoretisch vermittelte Wissen aus dem Fachanwaltskurs auf einen zu begutachtenden Fall oder entsprechende Fragen anzuwenden (Günther, in BeckOK, FAO, 16. Edition, § 4a Rn. 1). Dabei rechtfertigt das Fehlen eines materiellen Prüfungsrechts von Seiten der Bekl., an die Leistungskontrolle Maßstäbe zu stellen, welche das höchste Maß an Qualitätssicherung erwarten lassen. Beim Schreiben von Online-Klausuren sind jedoch sowohl die Versuchung als auch die Möglichkeit, sich durch Täuschungsversuche einen Vorteil zu verschaffen, gegenüber Prüfungen in Präsenz erheblich gesteigert. Der Kl. selbst räumt ein, es sei nicht auszuschließen, Gefahr von Täuschungsversuchen dass Dritte hinter der Kamera stehen und non verbal am Bearbeitungsprozess teilnehmen. Darüber hinaus bestehen zahlreiche von den Beteiligten nicht bedachte Täuschungsmöglichkeiten. Denkbar wäre etwa eine verbale Unterstützung, wenn zwar in der Software das Mikrofon eingeschaltet ist, die Weiterleitung FACHANWALTSCHAFTEN BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG 160
RkJQdWJsaXNoZXIy ODUyNDI0