Mit der Führung der Fachanwaltsbezeichnung nimmt der Rechtsanwalt gegenüber dem rechtsuchenden Publikum eine im Vergleich zu anderen Rechtsanwälten besondere Qualifikation auf diesem Gebiet in Anspruch. Es entspricht verständiger Erwartung des rechtsuchenden Publikums und damit vernünftigen Gründen des Gemeinwohls, dass der Rechtsanwalt seine spezifischen Kenntnisse jeweils auf dem neuesten Stand hält. Lediglich durch regelmäßige Fortbildungen kann gewährleistet werden, dass Änderungen der Gesetzeslage und der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie neuerer Literatur Einzug in die Beratung des Fachanwalts finden. Die Fortbildungspflicht dient deshalb der Sicherung eines einheitlichen Qualitätsstandards (BGH, Beschl. v. 2.4.2001 – AnwZ (B) 37/00, NJW 2001, 1945, 46). Gegen das Regelungsgefüge aus § 43c IV 2 BRAO und § 15 FAO bestehen deshalb auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG, MDR 2002, 299; BGH, NJW 2001, 1571, 73). Ob der Rechtsanwalt seiner Fortbildungspflicht genügt hat, steht erst nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres fest. Ist ein Jahr verstrichen, kann er sich in diesem Jahr nicht mehr fortbilden. Im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 43c IV 2 BRAO kommt es also weder auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Verfahrens noch auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im gerichtlichen Verfahren an. Vielmehr ist der Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres, in dem die Fortbildungspflicht erfüllt werden musste, entscheidend. Mit dessen Ablauf steht die Verletzung der Fortbildungspflicht fest (BGH, NJW 2013, 2364 Rn.10). Eine diese Verletzung der Fortbildungspflicht rückwirNachholung der Fortbildung kann Verstoß nicht heilen kend heilende Nachholung der Fortbildung im Folgejahr kommt deshalb nicht in Betracht. Eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht rechtfertigt den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung zwar nicht zwingend. Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 43c IV 2 BRAO („kann“). Zudem wäre ein Verständnis der Regelung in § 43c IV 2 BRAO, bei § 15 FAO handle es sich um eine „Muss-Regelung“, mit Art. 12 I GG unvereinbar und würde dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz widersprechen (vgl. BGH, Beschl. v. 2.4.2001, a.a.O., 1945; BGH, Beschl. v. 6.11. 2000, a.a.O., 1572; BGH, Urt. v. 26.11.2012 – AnwZ (Brfg) 56/11, NJW 2013, 175 Rn. 12; BGH, Urt. v. 8.4. 2013 – a.a.O. Rn. 10). Bei der Ausübung des der RAK danach zustehenden Ermessens sind daher sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so etwa eine wegen einer Erkrankung des Rechtsanwalts unverschuldete Versäumung der Fortbildung (vgl. BGH, Beschl. v. 2.4.2001, a.a.O.). Die Bekl. ist in dem angefochtenen Bescheid (Seite 3 Mitte) davon ausgegangen, es liege eine Ermessensreduzierung auf Null vor, da der Kl. lediglich vorgetragen hat, dass er nicht über die notwendigen Kenntnisse zur Handhabung der Technik für ein Online-Seminar verfügte. Dies sei nicht als ausnahmsweiser Entschuldigungsgrund anzusehen, zumal der Kl. es im März 2021 gezeigt hatte, dass ihm dies möglich gewesen sei. Die Bekl. hat insoweit das ihr nach § 43c II 2 BRAO obliegende Ermessen ausgeübt. Zum einen hat die Bekl. aus der Sicht des Senats ihr Ermessen bereits vorab dergestalt ausgeübt, dass sie ihre Mitglieder mit dem Kammerreport Nr. 2/2020 vom September 2020 auf exakt dieses Problem hingewiesen und ausdrücklich mitgeteilt hat, dass der Kammervorstand nach reiflicher Überlegung und Prüfung der Problematik entschieden hat, dass vor dem Hintergrund des damals bestehenden Angebotes von Präsenz- und Onlineveranstaltungen ausreichende Möglichkeiten für die Fachanwälte bestehen die Fortbildungsverpflichtung in 2020 zu erfüllen und die Fortbildungsnachweise hierfür vorzulegen. In den beiden Schreiben v. 21.1.2021 und 12.2.2021 gab die Bekl. dem Kl. weitergehend die Gelegenheit vorzutragen und nachzuweisen, ob ein unverschuldetes Säumnis vorliegt. Nachdem diesbezüglich kein Vortrag erfolgte, hat sie entschieden, dass kein unverschuldetes Säumnis i.S.d. § 43c IV 2 BRAO vorlag. Diese Sichtweise der Bekl. ist nicht zu beanstanden. Wenn der Kl. die nach § 15 FAO vorgeschriebene Fortbildung nicht absolviert hat und keine besonderen Gründe vorliegen, die den Verstoß gegen die Fortbildungspflicht entschuldigen, ist hinsichtlich der Entscheidung, ob der Widerruf auszusprechen ist oder nicht regelmäßig von einer Ermessensreduzierung auf Null auszugehen (Offermann-Burckart, in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl., § 43c BRAO Rn. 39; vgl. auch Quaas, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltl. Berufsrecht, 2. Aufl., § 43c BRAO Rn. 56). Die Entschuldigung des Kl., dass er in seiner Anwaltstäfehlende Technikkenntnisse kein Entschuldigungsgrund tigkeit mit digitaler Technik nicht vertraut ist und ihm die notwendigen Kenntnisse der Handhabung dieser Technik im Spätjahr 2020 nicht zur Verfügung gestanden haben, kann nicht als Entschuldigungsgrund greifen. Zum einen ist der Kl. in einer größeren mittelständischen Kanzlei mit jüngeren Berufskollegen tätig und beschäftigt auch eine Vielzahl von Mitarbeitern, die zweifellos täglich mit digitalen Medien umgehen/umgehen müssen. Insoweit hätten dem Kl. schon hausintern eine Vielzahl von Ansprechpartnern zur Verfügung gestanden, um sich mit diesem Medium vertraut zu machen. Dies gilt umso mehr, als die Mehrzahl der Kolleginnen und Kollegen ebenfalls Fachanwälte sind und ihrer Fortbildungspflicht nachgekommen sind. FACHANWALTSCHAFTEN BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BRAK-MITTEILUNGEN 3/2022 163
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